Im Interview mit SPOX und Goal spricht Voronin über enormen Druck seines Vaters, Fluchtversuche aus Gladbach, Klopps spontane Beförderung zum Trainer und verrät, was Felix Magath mit seiner Absage an Stuttgart zu tun hat.
Außerdem erklärt der aktuelle Co-Trainer von Dynamo Moskau, welche Aussage bei seinem Vater Herzprobleme auslöste, welche Herausforderungen er als Coach einer Bezirksligamannschaft meistern musste, welcher Gegenspieler "zwei oder drei Herzen" hatte und wie er die EM-Chancen der Ukraine einschätzt.
Herr Voronin, Sie haben in Ihrer Karriere unter anderem für Bayer Leverkusen, den FC Liverpool und Hertha BSC gespielt und nahmen mit der ukrainischen Nationalmannschaft an WM und EM teil. Wann ergaben sich die ersten Berührungspunkte mit dem Fußball?
Andriy Voronin: Sobald ich laufen konnte, hat mir mein Vater einen Ball vor die Füße geworfen. Er wollte von Anfang an, dass ich Profi werde. Er war früher selbst aktiv und talentiert, allerdings wollte seine Mutter, dass er sich mehr auf die Schule konzentriert und hat es ihm verboten. Also hat er seinen Traum auf mich übertragen.
Haben Sie diesen Traum geteilt?
Voronin: Ich persönlich habe mir zunächst keine Gedanken darüber gemacht. Alle Jungs haben auf der Straße gespielt, das hat mir Spaß gemacht. Als ich älter wurde, habe ich alles dem Fußball untergeordnet. Ich war nicht gut in der Schule und habe an nichts anderes gedacht. Ich dachte mir, entweder werde ich Fußballer oder gar nichts mehr. Damals hätte sich allerdings keiner vorstellen können, dass es tatsächlich klappt.
Andriy Voronin: "Diego Maradona war einfach der Beste"
Wer war früher Ihr Vorbild?
Voronin: Das war und wird für immer Diego Maradona sein. Er war einfach der Beste.
Ihr Vater meldete Sie schließlich mit sechs Jahren in der Nachwuchsakademie von Chornomorets Odessa an, dem besten Klub Ihrer Heimatstadt. 1995 wechselten Sie mit 16 Jahren aus der Ukraine in die Jugend von Borussia Mönchengladbach. Wie kam der Kontakt nach Deutschland zustande?
Voronin: Ich hatte von Anfang an Talent und habe sowohl im Verein als auch in der Nationalmannschaft immer mit dem älteren Jahrgang trainiert und gespielt. Andrei Golovash, der später mein Berater wurde und heute noch ist, hat mich auf einem Turnier mit der Juniorennationalmannschaft entdeckt. Er hatte Beziehungen nach Gladbach und hat Kontakt zu meinen Eltern aufgenommen. Mein Vater war natürlich sofort begeistert.
Und Sie?
Voronin: Das war einzig die Entscheidung meines Vaters, ich wollte gar nicht so weit weg von meiner Familie sein. Ich konnte die Sprache nicht, hatte keine Freunde dort. Ich wollte mein damaliges Leben genießen und weiter in der Heimat Fußball spielen, anstatt alles aufzugeben. Das hat mir Angst gemacht, aber ich hatte keine andere Wahl. Anfangs habe ich das nur für meinen Vater getan.
Wie hat er auf Ihre fehlende Begeisterung reagiert?
Voronin: Als wir in Deutschland waren, hat er mich darauf angesprochen und gesagt: "Andriy, ich bitte dich, das Probetraining zu absolvieren. Ich möchte als Gewinner nach Hause kommen. Wenn es dir nicht gefällt, kommst du wieder zurück." Wir haben oft gestritten. Nach der Auflösung der Sowjetunion 1991 sind alle guten ukrainischen Spieler nach Russland gegangen. Mein Vater hat mir erklärt, dass ich in der Ukraine nicht weit kommen würde und der Fußball in Deutschland ein ganz anderes Niveau habe. In Odessa hatten wir keine richtigen Bälle oder Wasser, um nach dem Training zu duschen. Der Verein wurde nicht ausreichend finanziert.
Wie ging es weiter?
Voronin: Nach zwei Trainingseinheiten im Winter bei Gladbach haben wir einen Vertrag unterschrieben, allerdings konnte ich erst sechs Monate später anfangen, da ich zu jung für die A-Jugend war und bis zum Start der neuen Saison warten musste. Als ich merkte, dass ich noch lange Zeit hatte, sagte ich zu. In der Zwischenzeit hätte sich ohnehin alles ändern können. Sechs Monate später bin ich dann tatsächlich wieder nach Gladbach gekommen und damit begann die schwierigste Zeit für mich.
Andriy Voronin im Steckbrief
geboren | 21. Juli 1979 in Odessa |
Größe | 1,79 m |
Position | Stürmer, hängende Spitze |
starker Fuß | rechts |
Stationen | Odessa, Gladbach, Mainz, Köln, Leverkusen, Liverpool, Hertha, Dynamo Moskau, Düsseldorf, Dynamo Moskau |
Länderspiele/Tore | 74/8 |
Bundesligaspiele/-tore | 155/48 |
Voronin über Fluchtversuche aus Gladbach
Wie haben Sie die Anfangszeit in Deutschland in Erinnerung?
Voronin: Die ersten anderthalb Jahre waren sehr schwer. Ich wollte zweimal abhauen. Als ich meinen Eltern erstmals mitgeteilt hatte, dass ich zurück möchte, bekam mein Vater Herzprobleme und musste ins Krankenhaus. Also habe ich mich entschieden, für ihn zu bleiben. Ich wollte ihn nicht enttäuschen. Rückblickend hätte ich die Entscheidung nicht noch einmal so gefällt. Nach zwei Jahren kam ein ehemaliger Mitspieler, mit dem ich zehn Jahre in Odessa gespielt hatte, ebenfalls nach Gladbach. Das hat die Eingewöhnung erleichtert.
1997 feierten Sie mit 18 Jahren Ihr Profidebüt für Gladbach unter Norbert Meier, der Sie bereits in der A-Jugend und in der zweiten Mannschaft trainiert hatte - ausgerechnet in München gegen den FC Bayern, als Sie beim 2:3 in der 52. Minute eingewechselt wurden. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie von der Kader-Nominierung erfuhren?
Voronin: Ich war zunächst schockiert. Ich erhielt einen Anruf von der Geschäftsstelle, dass ich zur Anprobe des Anzuges kommen solle. Ich wusste nicht einmal, worum es ging. Zwei Tage später saß ich im Flieger Richtung München. Als es 0:3 stand, sagte der Co-Trainer, ich solle mich warmmachen. Zwei Minuten später kam er erneut und sagte, ich solle mich umziehen. Das ging alles sehr schnell. Gegen eine Mannschaft mit Spielern wie Lothar Matthäus aufzulaufen, war ein Traum. Ich weiß gar nicht, ob mein Vater einen Sender fand, der das Spiel übertragen hat. (lacht) Am Ende war ich ihm sehr dankbar für seine Hartnäckigkeit.
In den folgenden drei Jahren kamen lediglich acht weitere Profi-Einsätze dazu. Woran lag das?
Voronin: Ich habe mir das hintere Kreuzband gerissen. In meinem zweiten Profijahr sind wir abgestiegen, es kamen neue Spieler und es gab viele Trainerwechsel. Als junger Spieler war es damals schwer, wieder reinzukommen. Man musste wesentlich länger auf seine Chance warten. Ich habe das Gespräch mit den Trainern gesucht und um Spielzeit gebeten, um in den Rhythmus zu kommen. Als mir klar wurde, dass ich sie nicht bekommen würde, habe ich meinen Berater kontaktiert.
Dann kam die Anfrage aus Mainz, wo Sie im Sommer 2000 unterschrieben.
Voronin: Mainz war gefühlt meine letzte Adresse. Ich habe mir während der Zeit, in der ich in Gladbach nicht gespielt habe, sehr viel Druck gemacht, mir ging es sehr schlecht. Anfangs wusste ich nicht einmal, wo Mainz war. Der Verein hat in der zweiten Liga meist um den Klassenerhalt gespielt. In der Ukraine wurde Mainz erst bekannt, als ich dort gespielt habe.