Und rund um Ihren Schlaganfall?
Heidel: Bis dahin hatte ich mein Leben lang keinen Gedanken daran verschwendet. Als ich dann in der Türkei in eine Röhre hineingeschoben wurde und da eine Stunde mit meinen Gedanken alleine gelassen - puh. Da habe ich über das Leben nachgedacht und mich damit beschäftigt, dass es sein kann, gleich herausgefahren zu werden und etwas gesagt zu bekommen, was gleichbedeutend damit ist, dass es nicht mehr so lange dauert. Ich hatte Gedanken an den Tod, aber keine Angst.
Was kam beim Nachdenken in der Röhre heraus?
Heidel: Ich war sehr sachlich und kühl. Gefühlt lag ich ewig da drin, mir sind sehr viele Dinge durch den Kopf gegangen. Als ich wieder herauskam, sagte ich zu meiner Frau: Ruf' den Notar an, ich will mein Testament machen! Mir fiel ein, dass ich ja gar keins hatte und dass ich noch ziemlich viel regeln muss. Ich hatte zu dem Zeitpunkt auch noch keine Diagnose, keinerlei Schmerzen und wusste überhaupt nicht, was mit mir passiert ist. Nachdem ich aufgeklärt wurde, hatte ich das Gefühl: Du hast noch einmal Glück gehabt! Es gibt schlechtere Momente im Leben.
Haben Sie denn wahrgenommen, dass Sie in all den Jahren im Fußballgeschäft immer an der Grenze waren oder an die Grenze gegangen sind?
Heidel: Ja. Ich war des Öfteren K.o. am Abend. Wir arbeiten ja in dem Sinne nicht körperlich, bei uns ist es vielmehr der Druck im Kopf: Wie geht es weiter, was musst du machen, was steht morgen in der Zeitung, wie regelst du dieses und jenes Problem? Da ist es nicht um 19 Uhr vorbei, sondern es geht teils bis tief in die Nacht. Der Job ist täglich 24 Stunden präsent. Früher dachte ich immer, Erfindungen wie SMS und WhatsApp wären eine gute Sache. Mittlerweile rattert der Kasten aber von morgens bis abends, weil sich die Leute das Telefonieren abgewöhnt haben.
Wie schwer ist es, von dieser dauerhaften Hektik abzuschalten?
Heidel: Einfach ist es nicht. Ich habe mich daher sehr oft wie ein kleines Kind auf die Sommerpause gefreut. Eine Pause ist das in dem Sinne aber natürlich auch nicht, es geht ja ständig weiter. Ich bin dann aber einige Male mit Absicht in die USA geflogen - aufgrund der Zeitverschiebung. Dort stand ich morgens immer früher auf, wickelte meinen Kram ab und hatte dann ab 15 Uhr meist Ruhe, weil in Deutschland Nacht war.
Können Sie sich künftig eine Auszeit a la Max Eberl vorstellen?
Heidel: Den Gedanken an sich finde ich sehr gut. Gerade, wenn du einen Beruf hast, der fast ausschließlich öffentlich und mit viel Druck verbunden ist. Ich ziehe den Hut vor Max, dass er diesen Schritt trotz Öffentlichkeit gegangen ist. Ich selbst habe aber im Moment noch nicht das Gefühl, dass ich diese Pause brauche.
Glauben Sie, dass Sie irgendwann wie einst erneut den Gedanken haben werden, sich noch einmal woanders auszuprobieren?
Heidel: Man soll zwar niemals nie sagen, aber das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Bei mir ist klar verankert: Wenn das Kapitel Mainz irgendwann beendet ist, möchte ich mich um mein privates Leben kümmern und eine schöne Zeit haben. Ich werde dann nicht mehr täglich beruflich aktiv sein.
Nach Klopp zum Start nun Thomas Tuchel zum Schluss - ein weiterer Mainzer Ex-Trainer, der nun die Champions League gewonnen hat. Hatten Sie nach dem Triumph schon Kontakt zu ihm?
Heidel: Klar. Es hat mich riesig für ihn gefreut, aber ich habe das immer prophezeit und gesagt, dass Thomas einer der besten Trainer der Welt ist. Es war für mich keine große Überraschung, dass er dort angekommen ist, wo er hingehört.
Sie haben Klopp und Tuchel zum Profitrainer gemacht, nun haben beide die CL gewonnen - stolz?
Heidel: Nein. Ich bin stolz auf Jürgen und Thomas, nicht auf mich. Ich freue mich einfach, welchen Weg sie gegangen sind und dass er jeweils in Mainz begonnen hat. Ich glaube schon, dass Mainz einen großen Anteil an ihrer Entwicklung hat. Wir haben sie Klopp und Tuchel werden lassen, das ist das Geheimnis ihres Erfolgs. Ich habe sehr schnell gespürt, dass das zwei außergewöhnliche Typen sind, die einmal außergewöhnliche Trainer werden. Es half ihnen sehr, dass wir ihnen den Rücken frei gehalten und zugestanden haben, auch Fehler zu machen und Misserfolge zu erleiden.
Tuchel spielte in der Vorsaison innerhalb von sechs Wochen dreimal gegen Pep Guardiolas Manchester City und gewann alle drei Partien. Ist er also der größere Taktikfuchs als sein Vorbild Guardiola?
Heidel: Für diese Frage würde er auf Sie losgehen! (lacht)
Darum stelle ich sie ja Ihnen!
Heidel: Ich gehe schwer davon aus, dass er keinerlei Genugtuung oder Triumphgefühl verspürt, wenn er gegen Pep gewinnt. Das tut ihm bei aller Freude über seinen eigenen Erfolg vermutlich eher fast weh, weil er ihn so sehr schätzt. Pep war seine Grundlage, er hat damals alles komplett aufgesogen und vieles von ihm in seine Arbeit aufgenommen. Daher bin ich mir sehr sicher, dass er ihn weiterhin für den Besten auf dem Planeten hält und ihm unendlich dankbar ist, weil er so viel von ihm gelernt hat.