Vielleicht fing das alles schon in Budapest an. Genauer gesagt im Ferenc-Puskas-Stadion Ende Juni im EM-Achtelfinale zwischen der Niederlande und Tschechien. Der Favorit in Orange tut sich gegen den krassen Außenseiter schwer, als endlich Donyell Malen den Turbo zündet, die gegnerische Linie scheinbar mühelos durchbricht und nur noch Torhüter Tomas Vaclik überwinden muss.
Eigentlich eine Formsache für einen Spieler von Malens Format, doch er scheitert kläglich beim Versuch, Vaclik auszudribbeln. Quasi im Gegenzug sieht Matthijs de Ligt Rot, kurz danach trifft Tschechien und dann nochmal und am Ende ist Oranje raus aus dem Turnier.
Malen hatte die eine, große Chance, die Geschichte dieses Spiels und der Europameisterschaft für die Niederländer ganz anders zu schreiben. Er hat sie nicht genutzt. Rund drei Monate und acht Pflichtspiele für Borussia Dortmund später hängt der Angreifer immer noch fest.
Der teuerste klubinterne Einkauf des Sommers wartet weiter auf sein erstes Tor für den BVB. Aber warum zündet Malen trotz starker Ansätze und einer großen individuellen Qualität in den zählbaren Kategorien noch nicht so richtig bei der Borussia? Eine Einordnung.
BVB-Neuzugang Malen: Fitness und Sancho-Vergleiche
Malen stieß nach seinem Urlaub erst Ende Juli zu seinem neuen Klub, stieg dann im Trainingslager in Bad Ragaz sofort ins Training ein. Mit dem neuen Trainerteam um Marco Rose hielten auch neue Inhalte beim BVB Einzug. Da gab es einiges zu lernen für die Mannschaft und besonders auch die neuen Spieler, die sich an die andere Umgebung und andere Abläufe gewöhnen mussten.
Malen kam mit einigem körperlichem Rückstand an, wie Trainer Rose in den Wochen danach mehrmals bemerkte. "Donyell musste bei seinem Fitnesslevel noch etwas aufarbeiten", so Rose. Was dagegen vom ersten Tag an voll ausgeprägt war, war die Erwartungshaltung an den 22-Jährigen. Für die vom BVB bezahlte Ablösesumme von 30 Millionen Euro kann Malen ebenso wenig wie für die permanenten Vergleiche mit Jadon Sancho.
Diese kleineren und größeren Probleme erschwerten den Start beim neuen Klub und bringen Malen in jenes Dilemma, mit dem jeder Angreifer früher oder später zu kämpfen hat: Mit einem einzigen Tor dürfte sich der Knoten sofort lösen. Aber darauf - und auf eine erste Torvorlage - wartet er nun schon seit über 400 Spielminuten.
BVB-Trainer Rose und die Suche nach Malens Ideal-Position
Als Spielertyp und aufgrund seiner Fähigkeiten im offensiven Eins-gegen-eins auch unter Druck bringt Malen alles mit für einen klassischen Flügelangreifer. Zuletzt gegen Union Berlin durfte der Niederländer auch in einem 4-3-3 als solcher ran. "Wir müssen uns umschauen nach einem Flügelspieler mit Tempo, der Eins-gegen-eins gehen kann", sagte Rose noch wenige Tage vor Malens Verpflichtung in der Erwartung oder Gewissheit, dass der Spieler auch nach Dortmund wechseln würde.
Malen selbst sieht sich allerdings als zweite Spitze und findet damit auch bei Rose und dessen Spielsystem und -ausrichtung großen Anklang. Rose setzte bisher gerne auf ein 4-4-2 mit Raute, um unter anderem Marco Reus in der Position des Spielmachers hinter den Spitzen besser zu akzentuieren. Malen fand sich als Komplementär zu Erling Haaland wieder und sollte in dieser Rolle an sich bestens aufgehoben sein.
Zum einen kennt Malen eine ähnliche Anordnung aus seiner Zeit unter Roger Schmidt bei PSV, das in der Regel in Schmidts 4-2-2-2 mit gleich zwei recht zentralen Zehnern hinter den Spitzen angreifen lässt und der Flügelfokus auch von den Angreifern zu unterstützen ist. So wie es nun offenbar auch Rose wünscht, zumindest ist Malens Ausweichen aus der Halbspur bis raus auf den Flügeln in allen Partien bisher sehr markant.
Malen wie gemalt für BVB-System unter Rose
Dieses situative Überladen auf dem Flügel ist ein wichtiges Instrument im eher zentrale angelegten Angriffsspiel des BVB: Zwar nicht dauerhaft genutzt, aber gerade gegen tief stehende Abwehrriegel ein probates Mittel, um entweder über die Ballseite mit kleinen Kombinationen oder einem Dribbling den Durchbruch zu schaffen, oder aber den Gegner auf der ballnahen Seite festzuspielen und dann schnell zu verlagern.
Dafür ist ein Spieler wie Malen, der mit dem ersten Kontakt schon Dynamik erzeugt wie nur wenige andere Spieler und im Dribbling kaum zu stoppen ist, wie gemalt. Und als Satellit um den Keilstürmer Haaland, der selbst immer wieder die Tiefe anläuft und so Raum für Steil-Klatsch vor der Abwehr schafft oder selbst Bälle in die Tiefe legt, sollte Malen doch auch eine perfekte Ergänzung sein.
Tatsächlich funktionieren viele Abläufe auch schon gut und über Malens Dribbelstärke - gegen Besiktas zum Champions-League-Auftakt zog er sieben Dribblings an und beendete sieben erfolgreich - gibt es auch keine Zweifel. Es fehlt aber eben noch etwas ganz entscheidendes.
BVB-Neuzugang Malen: Selbst Akanji hatte mehr Abschlüsse
In acht Pflichtspielen stand Malen auf dem Platz, mal als Einwechselspieler, mal in der Startelf. In die Statistiken hat er es bisher aber noch nicht geschafft. Was neben den null Toren und null Assists einigermaßen verblüfft, ist die überschaubare Zahl an Torschussversuchen.
Ganze fünf Mal kam oder spielte sich Malen in der Liga in eine Abschlussposition und rangiert damit sogar im teaminternen Ranking unter ferner liefen. Selbst Abwehrspieler Manuel Akanji und Raphael Guerreiro schießen häufiger aufs gegnerische Tor, von Sturmpartner Haaland ganz zu schweigen: Der liegt mit 26 Torschüssen an der Spitze der gesamten Liga.
Die Diskrepanz zwischen Haaland und Malen in diesem Segment mag aus diversen Gründen erklärbar sein - sie ist aber auch als Aufforderung für Malen zu verstehen: Ein Angreifer darf gerne öfter als lediglich alle 55 Minuten auf das gegnerische Tor zielen. Zumal: Auch in der Vorbereitung (klarer) Torchancen ist noch gehörig Luft nach oben. Bisher waren es in der Bundesliga auch nur deren vier.
Der Niederländer muss definitiv torgefährlicher werden. Das funktioniert aber nur, wenn sich der Spieler auch eine ganze Spur mehr zutraut als bisher. Mit mehr Abschlussroutine erhöht sich automatisch auch die Wahrscheinlichkeit auf einen Treffer. Und nur ein Erfolgserlebnis durchbricht den Bann. Denn klar ist auch: Der BVB benötigt einen zuverlässigen Scorer neben Erling Haaland.
Jadon Sancho mag nicht in jeder Beziehung vergleichbar sein mit Donyell Malen, aber seine Statistik ist unbestechlich: Auf 21 Scorerpunkte alleine in der Bundesliga kann selbst Borussia Dortmund nur schwer verzichten. Für Oranje hat Malen neulich übrigens schon wieder getroffen. Jetzt wäre dann auch der BVB mal dran.