Niklas Dorsch führte die deutsche U21 im Sommer zum EM-Titel, ehe er zum FC Augsburg wechselte. Im Interview mit SPOX und Goal lässt der 23-jährige Mittelfeldspieler seine Zeit beim FC Bayern Revue passieren, erinnert sich an die Arbeit mit Guardiola und Ancelotti - und gibt seiner Oma ein Versprechen.
Herr Dorsch, Ihre Oma hat mit einer Videobotschaft vor dem U21-EM-Finale deutschlandweit Aufmerksamkeit bekommen. Wie hat sie auf Ihren Wechsel zum FC Augsburg reagiert?
Niklas Dorsch: In erster Linie hat sie sich darüber gefreut, dass ich wieder in Deutschland spiele und somit näher bei ihr bin. Als ich im Sommer in der Heimat war, habe ich in ihrem Gasthaus vorbeigeschaut und mich bekochen lassen.
Waren Sie als Kind oft zu Besuch?
Dorsch: Ja, ich habe meiner Oma regelmäßig geholfen. Damals hatte sie auch noch eine Brauerei, ich bin sozusagen in der Brauerei groß geworden. Vor einigen Jahren wurde die Brauerei aber nicht mehr weitergeführt, seitdem ist es nur mehr ein Gasthaus.
Wissen Sie, wie man Bier braut?
Dorsch: Nein. Ich bin aber auch kein großer Biertrinker.
Könnten Sie sich vorstellen, nach der Fußball-Karriere als Wirt zu arbeiten?
Dorsch: Wenn die Oma dann einen Wirt braucht, bin ich natürlich bereit. Ich könnte mir das schon vorstellen. Aber erstmal konzentriere ich mich auf den Fußball.
Aktuell beim FC Augsburg. Bei der U21-EM waren Sie einer der Führungsspieler, fühlen Sie sich bei Ihrem neuen Klub auch schon in der Rolle?
Dorsch: Zunächst war es mir wichtig, die Abläufe und Mitspieler kennenzulernen. Mir war klar, dass das nicht von heute auf morgen funktioniert. Die Führungsrolle kommt mit der Zeit automatisch immer mehr.
gettyKurz nach Ihnen wechselte auch Ihr U21-Kollege Arne Maier nach Augsburg. Haben Sie bei dem Wechsel eine Rolle gespielt?
Dorsch: Der Klub wollte ihn unabhängig von mir verpflichten. Als das Interesse konkret wurde, haben wir kurz telefoniert. Er hat mich gefragt, wie es läuft. Viel konnte ich aber nicht beitragen, weil ich selbst erst zwei Tage vorher in Augsburg angekommen war.
Ihr ehemaliger U21-Nationaltrainer Stefan Kuntz ist mittlerweile türkischer Nationaltrainer. Sie lobten Ihn mal für seine Ansprachen. Was zeichnet ihn diesbezüglich aus?
Dorsch: Er hebt sich mit seiner Emotionalität von anderen Trainern ab. Kurz vor dem Spiel ist es wichtig, nicht aufs Taktische, sondern aufs Emotionale zu gehen. Das kann er hervorragend. Er findet immer die richtigen Worte.
Niklas Dorsch über seine Zeit beim FC Bayern München
Ihr erster Profi-Trainer beim FC Bayern war Pep Guardiola, er ließ Sie 2015 als 17-Jähriger erstmals mittrainieren. Was sind Ihre Erinnerungen daran?
Dorsch: Ich war aufgeregt, aber zum Glück war Guardiola der Trainer. Er behandelt einen 16-Jährigen genauso wie einen 32-Jährigen. Er geht mit jedem gleich um und will jedem gleich helfen. Das fand ich erstaunlich. Wenn irgendwas nicht gut war, kam er sofort auf einen zu und hat das Einzelgespräch gesucht. Etwas unglücklich war, dass ich bei meinem ersten Training Sebastian Rode auf den Fuß gestiegen bin und er sich dabei die Bänder gerissen hat. Er ist dann einige Wochen lang ausgefallen.
Wie hat er darauf reagiert?
Dorsch: Ich habe mich sofort bei ihm entschuldigt. Er hat es gelassen hingenommen und mir keinen Vorwurf gemacht. Er wusste, wie engagiert man als junger Spieler beim ersten Training bei den Profis ist.
Haben Sie sich selbst Vorwürfe gemacht?
Dorsch: Nein. Wenn ich so denke würde, wäre ich im Fußball falsch. Ich hatte kein schlechtes Gewissen.
Welche Bayern-Spieler haben sich damals Talenten wie Ihnen angenommen?
Dorsch: Meine ersten Ansprechpartner waren jüngere Spieler wie Joshua Kimmich. Aber auch Mats Hummels und Thomas Müller haben sich gekümmert.
Guardiola verließ den Klub 2016, sein Nachfolger wurde Carlo Ancelotti. Wie haben Sie ihn im Vergleich erlebt?
Dorsch: Ancelotti hat taktisch eher weniger gemacht. Im Zweifel setzt er auf Erfahrung statt auf junge Spieler. Seine Amtszeit war die Phase, während der ich am wenigsten bei den Profis trainiert und kaum eine Rolle gespielt habe. Ich hatte mit Ancelotti weniger Austausch als mit Guardiola.
Niklas Dorsch: Seine Profistationen im Überblick
Zeitraum | Klub | Pflichtspiele | Tore |
bis 2018 | FC Bayern München | 1 | 1 |
2018 bis 2020 | 1. FC Heidenheim | 69 | 3 |
2020 bis 2021 | KAA Gent | 43 | 4 |
seit 2021 | FC Augsburg | 7 | - |
2018 wechselten Sie im Alter von 20 Jahren vom FC Bayern zum 1. FC Heidenheim.
Dorsch: Mein Vertrag ist ausgelaufen und ich habe mich frühzeitig für einen Wechsel entschieden. Damals habe ich unter Jupp Heynckes zwar oben trainiert, aber nur bei der Reserve in der Regionalliga gespielt. Ich wollte mich in einer höheren Liga messen.
Sind Sie nach Ihrem ersten Pflichtspieleinsatz samt Premierentreffer im April ins Grübeln gekommen?
Dorsch: Nein, ich habe nicht gegrübelt, sondern meinen langfristigen Plan verfolgt. Der Klub hat damals nochmal das Gespräch gesucht. Ich habe aber alles abgeblockt und signalisiert, dass ich nicht verlängern möchte. Dann war das Thema relativ schnell abgehakt.
Wie haben Sie Sportdirektor Hasan Salihamidzic bei diesen Gesprächen erlebt?
Dorsch: Ich hatte kein Gespräch mit ihm, das hat alles mein Berater gemacht. Ich wollte nur Fußball spielen und mich um nichts anderes kümmern. In dem Alter war ich noch nicht in der Lage, so eine Entscheidung selber zu kommunizieren. Da ist es hilfreich, einen Berater zu haben.
imago imagesNiklas Dorsch über das Playoff-System in Belgien
Sie haben mal erzählt, dass Ihnen Jerome Boateng 2020 zu Ihrem Wechsel von Heidenheim zu KAA Gent geraten habe. Stehen Sie noch mit vielen ehemaligen Bayern-Kollegen in Kontakt?
Dorsch: Nein, kaum noch. Eigentlich nur, wenn man sich bei Spielen trifft. Zu der Geschichte mit Boateng ist es damals gekommen, weil wir einen gemeinsamen Freundeskreis haben.
In Belgien wird die Meisterschaft mit einem Playoff-System ausgespielt. Wie fanden Sie das?
Dorsch: So wie es in Deutschland ist, ist es besser. Hier spielt jeder gegen jeden zweimal und am Ende ist die beste Mannschaft Erster und die schlechteste Letzter. In Belgien kannst du das ganze Jahr über die beste Mannschaft sein und am Ende Vierter werden. Da braucht man davor eigentlich gar nicht zu spielen.
In Deutschland wird ein solches Modell diskutiert, um die vermeintliche Eintönigkeit mit dem Dauermeister FC Bayern zu beenden. Finden Sie die Bundesliga langweilig?
Dorsch: Ich spiele zum ersten Mal in der Bundesliga. Für mich ist es alles andere als langweilig, sondern das spannendste Jahr meiner bisherigen Karriere.