Wolfgang Holzhäuser im Interview: So könnte die Bundesliga wieder attraktiver werden

Stanislav Schupp
20. September 202118:07
Wolfgang Holzhäuser war von 2004 bis 2013 Geschäftsführer von Bayer Leverkusen.getty
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Neunmal in Folge wurde der FC Bayern München zuletzt Deutscher Meister. Für Ex-Leverkusen-Boss Wolfgang Holzhäuser stellen sich diverse Möglichkeiten dar, die Bundesliga spannender und ausgeglichener zu gestalten.

"Und schon wieder Deutscher Meister FCB": Eine Zeile, die die Anhänger des FC Bayern München in den vergangenen neun Jahren stets anstimmen durften. Seit 2010 wurde die Dominanz des Rekordmeisters lediglich durch zwei BVB-Titel (2011, 2012) unterbrochen.

Auch nach fünf Spieltagen der neuen Saison steht Bayern auf Rang eins - wenn auch punktgleich mit dem VfL Wolfsburg und nur einen Zähler vor den Dortmundern. Doch wie kann man der Vorherrschaft der Münchener in der Bundesliga vorbeugen? Wolfgang Holzhäuser, ehemaliger Geschäftsführer bei Bayer Leverkusen und Präsident der DFL, plädierte vor einiger Zeit für die Einführung von Playoffs in Deutschlands Beletage.

Im exklusiven Interview mit SPOX und Goal erklärt der 71-Jährige, wie genau ein solcher Modus seiner Ansicht nach aussehen sollte, wie das Ganze mit Blick auf den vollen Terminkalender und die Belastung der Profis zu sehen ist und welche Hindernisse sich ergeben könnten.

Außerdem schlägt Holzhäuser ein neues System für die Förderung von Jugendspielern vor und nennt dabei eine häufig in der Kritik stehende Methode als Vorbild.

Herr Holzhäuser, Sie haben sich vor einiger Zeit für eine Einführung von Playoffs in der Bundesliga ausgesprochen, um den Wettbewerb wieder spannender zu gestalten. Wie soll dieser Modus konkret aussehen?

Wolfgang Holzhäuser: Ich würde das eher K.o.-Runde nennen. Die ersten vier Teams der Tabelle würden im Anschluss an die reguläre Bundesligasaison noch ein Halbfinale gegeneinander ausspielen: Der Erste spielt gegen den Vierten und der Zweite gegen den Dritten. Anschließend bestreiten die jeweiligen Sieger ein Finale, während die Verlierer den dritten beziehungsweise vierten Platz ausspielen. Gerade auch vor dem Hintergrund der Champions-League-Plätze wäre so ein Format für die Fans ein absolutes Highlight. Wenn man dafür sorgen will, dass bei den Spielen um die Meisterschaft und die Königsklassen-Ränge noch mehr Spannung entsteht, dann ergibt dieser Modus Sinn. Es kann nicht im Sinn der Anhänger sein, dass der Meister bereits im Oktober feststeht. Das Problem kann man zwar nicht finanziell lösen, dafür aber sportlich. Dennoch hätte es einen finanziellen Vorteil.

Erklären Sie!

Holzhäuser: Dadurch würden sich größere Vermarktungschancen ergeben, deren Erlöse man an die Teams verteilen könnte, die an diesen K.o.-Spielen nicht teilnehmen. Somit haben alle etwas davon. Nur losgelöst zu sagen, man spielt die Meisterschaft neu aus, ist zu wenig. Es geht darum, dass man ein weiteres Top-Event in Deutschland hat, das man vermarkten kann.

Haben Sie nicht die Befürchtung, dass sich die Top-4-Vereine dagegen weigern könnten, diese neu generierten Einnahmen mit den anderen Teams zu teilen?

Holzhäuser: Natürlich würden sich die Top-Vereine querstellen, es wird immer Diskussionspotenzial herrschen. Die Vereine diskutieren nicht zu Unrecht, dass sich die Einnahmen immer mehr auf die drei, vier großen Teams konzentrieren. Wenn man über Geldverteilung spricht, kann man nicht bereits bestehendes Geld weiter verteilen, sondern muss neues generieren. Bei neu generierten Einnahmen geht es um Medienerlöse, nicht die Spieleinnahmen beispielsweise. Es geht nicht darum, dem FC Bayern beispielsweise etwas wegzunehmen, damit die anderen mehr bekommen. Man muss neue Erlöse erzielen und diese neu verteilen. Eine degressive Zahlungsweise wäre auch denkbar, sodass der Letzte am meisten bekommt und der Fünfte am wenigsten.

Wolfgang Holzhäuser war von 2004 bis 2013 Geschäftsführer von Bayer Leverkusen.getty

Nach Ihrem Vorschlag wurden Stimmen laut, die einen Traditionsbruch befürchteten und meinten, der FC Bayern sei auch ohne eine Modusänderung vom Thron zu stoßen. Welche weiteren Hindernisse gehen mit der Idee der Playoffs einher?

Holzhäuser: Der Fußball, aber auch seine Anhänger vertreten grundsätzlich eine konservative Haltung und sind gegenüber neuen Dingen eher weniger aufgeschlossen. Deshalb muss man, wenn man solche Änderungen anstrebt, darauf achten, dass es auf das absolut notwendige Maß zurückgeführt wird. Man darf die Liga dann nicht, wie es beispielsweise die Österreicher machen, in zwei Gruppen mit Meister- und Abstiegsrunde unterteilen. Als Gegenargument kann man natürlich sagen, dass die Mannschaft, die nach 34 Spieltagen an der Spitze steht, verdient Deutscher Meister ist.

Und was ist, wenn der FC Bayern weitere zehn Jahre am 34. Spieltag an der Spitze steht?

Holzhäuser: Natürlich wird es mal ein Jahr geben, in dem die Bayern schwächeln oder Verletzungspech haben. Da kann mal mit Glück ein anderes Team davon profitieren, wie dieses Jahr vielleicht Borussia Dortmund. Ich traue dem BVB aktuell mehr zu als letztes Jahr. Auf Dauer ist dies aber keine Lösung.

Sie haben die Tabellenplatzierung angesprochen. Wäre es dann letztlich nicht egal, ob eine Mannschaft am Ende Erster oder Vierter wird, wenn sowieso eine K.o.-Phase gespielt wird? Droht somit eine Wettbewerbsverzerrung?

Holzhäuser: Ein Team, das für die ersten Vier qualifiziert ist, könnte die letzten Spiele natürlich vielleicht nicht mehr ganz so ernst nehmen und stattdessen einfach auf die K.o.-Phase warten. Das wäre ein Gegenargument. Man muss sich aber gleichzeitig überlegen, gegen wen man spielen möchte. Die Teams werden versuchen, auf Platz drei zu landen, damit sie im Halbfinale nicht direkt gegen Bayern ran müssen. Aber das ist im DFB-Pokal ebenfalls gegeben. Dort würden die Teams, die im Finale stehen, in der Bundesliga wohl mit einer anderen Elf antreten, weil sie alles auf das Pokalfinale setzen.

Mit Blick auf die Länderspiele und die nationalen sowie internationalen Wettbewerbe ist der Terminkalender der Profis bereits vollgepackt. Auch Belastungssteuerung ist immer wieder ein Thema. Sehen Sie da überhaupt noch Spielraum für einen zusätzlichen Modus?

Holzhäuser: Die ganzen großen und starken Vereine müssen mittlerweile einen Spielerkader unterhalten, der gewährleistet, dass jede Position zweimal gleichwertig besetzt ist und eine moderate Belastungssteuerung ermöglicht. Terminlich wäre es auf jeden Fall machbar, auch das Problem der Belastungssteuerung wäre zu lösen. Das Problem sind die ganzen neu eingeführten internationalen Wettbewerbe, nicht die Bundesliga.

Inwiefern?

Holzhäuser: Ist es sinnvoll, eine WM alle zwei Jahre durchzuführen oder einen weiteren Wettbewerb, wie zum Beispiel die Nations League, einzuführen? Es sind meist genau die führenden Klubs, die Spieler für die Nationalteams abstellen müssen. Bei allem Verständnis für die Finanzierung der Verbände, vergessen diese, vor allem die FIFA und die UEFA, dass die Spieler immer noch vom Verein bezahlt werden. Die Spieler laufen kostenlos für die Nationalmannschaft auf, kommen eventuell verletzt zurück und müssen dann weiter von den Vereinen bezahlt werden. Letztlich wollen diese Verbände damit nur Geld verdienen.

Neben neuen Wettbewerben und der hohen Belastung werden aktuell auch das Financial Fairplay sowie die Gehaltsobergrenze, die sogenannte Salary Cap, heiß diskutiert. Wie stehen Sie diesen Themen gegenüber?

Holzhäuser: Über Financial Fairplay kann man sich streiten, das ist eine stumpfe Waffe. Man sollte über eine wie auch immer geartete Salary Cap nachdenken. Immer, wenn die Diskussion aufkam, sagten alle, es sei rechtlich nicht machbar, ohne ernsthaft mögliche Wege zu definieren. Mittlerweile gibt es offenbar auch von der Politik Druck, dieses Thema anzugehen. Zudem wäre ein neues System zur Entwicklung von Talenten nötig. Sie sollten nicht nur bei großen Vereinen platziert werden, sondern bei anderen Vereinen Spielpraxis sammeln können.

An welche Lösungsansätze denken Sie hierbei?

Holzhäuser: Kooperationen zwischen Vereinen. Ich verstehe bis heute nicht, warum es negativ beäugt wird, wenn sich Vereine zusammenschließen, um den Nachwuchs besser zu fördern und ihnen mehr Spielpraxis zu ermöglichen. Die Methodik, die Red Bull Salzburg mit den Schwesternklubs anwendet, halte ich für die perfekte Lösung. Ich habe in Leverkusen das Thema diskutiert und wollte so etwas mit dem FC Winterthur und Alemannia Aachen eingehen, da wurde ich als Revolutionär bezeichnet. Es geht darum, dass man den Youngstern in der U17 oder U19 eine Perspektive schafft. Wenn diese nur daraus besteht, dass sie in der Zweitvertretung eines Profivereins in der 3. Liga spielen, dann ist das keine Zukunft. Wenn ich ihnen stattdessen eine Perspektive bieten kann, dass sie in einem Klub spielen, bei dem vielleicht auch der Trainer von einem Profiklub finanziert wird und die Spieler auf ihren idealen Positionen einsetzt, dann ist das wesentlich hilfreicher. Ein Ansatz wäre beispielsweise die Einführung eines Doppelspielrechts, wie im Handball.

Wie genau sollte das umgesetzt werden?

Holzhäuser: Hochtalentierte Spieler dürfen im eigenen Verein trainieren, aber in anderen Klubs Spielpraxis sammeln. In der U19 eines Profiklubs gibt es den ein oder anderen hochtalentierten Spieler, der für die Profis geeignet wäre. Diese Spieler werden aber kaum eingesetzt. Das ist vielmehr glücklichen Umständen geschuldet, wenn sie mal doch Spielpraxis sammeln. Nehmen wir zum Beispiel den zweiten oder dritten Torwart. Der spielt nie, benötigt aber dennoch Spielpraxis. Was würde dagegen sprechen, wenn er am Samstag auf der Bank eines Bundesligisten sitzt und am Sonntag bei Alemannia Aachen spielt? Das geht allerdings nur, wenn ich zwischen Vereinen richtige Kooperationsvereinbarungen treffe - nach dem Vorbild von Red Bull. Sie bilden auch ihre Trainer selbst aus. Hochqualifizierte, junge Trainer werden in einen anderen Verein delegiert, um dort Erfahrung zu sammeln. Das muss allerdings gemeinsam mit der UEFA europaweit geregelt werden. Damit könnte man vermeiden, dass junge Spieler in der zweiten Mannschaft nicht die richtige Ausbildung genießen. Ich habe auch kein Verständnis dafür, warum eine zweite Mannschaft nicht in die zweite Liga aufsteigen darf. Solange sie nicht mit der ersten Mannschaft in einer Liga spielt, ist das egal. Teilweise wollen die Klubs gar nicht, dass die zweiten Mannschaften aufsteigen. Das halte ich für unsinnig.

Auch in weiteren Aspekten könnten andere Sportarten eine Vorbildfunktion für den Fußball haben. In der NFL gibt es zum Beispiel das sogenannte Draft-System, bei dem das schlechteste Team der Vorsaison als Erstes einen neuen Spieler ziehen darf. Wäre dies auch in der Bundesliga umsetzbar?

Holzhäuser: Ein geniales Modell. Allerdings schwierig umzusetzen, da die arbeitsrechtliche Situation in Europa ganz anders ist als in den USA. Deswegen muss man spezielle Lösungen suchen, die zur arbeitsrechtlichen Stellung der Spieler in Europa passen. Diese Lösung gibt es aber bereits: Doppelspielrecht und Farm-Klubs.