Im Interview mit SPOX und GOAL spricht Svensson über seine harte Anfangszeit als Spieler in Deutschland und die Erfahrung unter Thomas Tuchel in Mainz.
Der 42-Jährige erzählt zudem von seinem Literaturstudium und erklärt, wie er anders als gedacht doch Trainer wurde.
Herr Svensson, nach drei gewonnenen Meisterschaften und einem Pokalsieg mit dem FC Kopenhagen wechselten Sie mit 26 erstmals ins Ausland und gingen im Januar 2006 zu Borussia Mönchengladbach. Warum?
Bo Svensson: Mein Vertrag lief aus und ich wollte ihn nicht verlängern, weil ich mit Mitte 20 und nach sieben Jahren im Verein der Meinung war, dass dies nun der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel ins Ausland ist. Es wäre wohl auch schwer für mich geworden, in eine große Liga zu wechseln, ohne ablösefrei zu sein. Es gab mehrere Angebote aus Deutschland - unter anderem von Borussia Mönchengladbach. Gladbach ist ein großer Verein und ich hatte ein gutes Gefühl nach den Gesprächen mit den Verantwortlichen.
Wie war's denn anfangs mit der Sprache?
Svensson: Ich hatte in der Schule zwar Deutschunterricht, aber das hieß nicht, dass ich es gut sprechen konnte. In Gladbach hatten wir eine eher internationale Truppe, in der wir uns vor allem auf Englisch verständigt haben. Deutsch habe ich erst später in Mainz gelernt.
Die Zeit bei den Fohlen stand unter keinem guten Stern, der Verein kam nicht zur Ruhe. Sie spielten damals auch einige Zeit unter Jupp Heynckes. Wie erinnern Sie sich an ihn?
Svensson: Als er kam, gab es schon einige Probleme innerhalb des Klubs. Es lief einfach nicht rund. Ich erinnere mich an Jupp Heynckes als einen sehr guten Menschen, der aber nicht das Spielermaterial zur Verfügung hatte, um seine Idee von Fußball umsetzen zu können. Schließlich hat er den Verein unter unglücklichen Umständen verlassen.
Gladbach stieg dann unter dem vorherigen Co-Trainer Jos Luhukay 2007 ab. Genauso wie Mainz 05, Ihr nächster Klub. Wann genau stand der Wechsel fest?
Svensson: Erst nach dem Abstieg mit Gladbach. Ich habe zunächst überlegt, wieder zurück nach Dänemark zu gehen. Ich war Vater von zwei kleinen Kindern und mein Eindruck von Deutschland war nicht gerade rosig. Mir lagen auch Angebote aus der Heimat vor, aber eben auch eines aus Mainz. Ich habe dann lange mit Jürgen Klopp telefoniert und bin in meinem Urlaub nach Mainz gefahren. Nach dem persönlichen Gespräch mit ihm war ich mir sicher, dass ich es hier versuchen möchte.
Welchen Eindruck machten Christian Heidel und Klopp anfangs auf Sie?
Svensson: Jeweils einen sehr positiven. Mit Christian Heidel ging es eher um vertragliche Themen. Jürgen Klopp hatte eine klare Idee und ich das Gefühl, dass das auch von der Persönlichkeit gut zu mir passt. Das war der Grund, warum ich hier nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie eine Zukunft gesehen habe.
Wegen Problemen mit der Achillessehne standen Sie in Ihrer ersten Saison nur sechsmal in der Startelf. Mainz verpasste zum zweiten Mal tragisch als Vierter den Wiederaufstieg. Wie bewerteten Sie das Jahr für sich?
Svensson: Es war nicht einfach. Ich hatte permanent mit meiner Achillessehne zu kämpfen, ohne dass es eine richtige Diagnose gab und habe nicht viel gespielt. Wir haben lange versucht, die Probleme mit anderen Mitteln als mit einer Operation zu bekämpfen. Das hat aber nicht funktioniert. Ich habe sehr viel Zeit verloren, bis dann ein Arzt festgestellt hat, dass ich einen Teilriss der Achillessehne habe. Da hilft eine Behandlung mit Spritzen eher weniger.
Es folgte die OP und eine lange Pause. Wie nah waren Sie zwischenzeitlich an einem vorzeitigen Karriereende?
Svensson: Es ist normal, dass man ins Grübeln kommt, wenn man lange nicht weiß, woher die Schmerzen kommen. Dazu kam noch der sehr lange Rehaprozess, in dem es immer mal wieder auf und ab ging - klar, dass man da auch mal zweifelt. Es hat etwa zehn Monate gedauert, bis ich wieder spielfähig war, aber das grundsätzliche Gefühl, dass es nicht mehr geht, hatte ich eigentlich nie. Ich konnte dann zum Saisonende 2009 noch bei ein paar wichtigen Spielen auf dem Platz stehen, wie beim Auswärtssieg in Fürth oder dem Heimsieg gegen Oberhausen, der dann den Aufstieg bedeutete.
So kamen Sie in Ihrer zweiten Mainzer Saison immerhin noch auf zwölf Pflichtspiele. Nach einer Pokalpleite in Lübeck trennte sich der Verein dann überraschend von Jörn Andersen und es übernahm mit Thomas Tuchel der bisherige A-Jugend-Coach. Wie skeptisch waren Sie?
Svensson: Es war schon ungewöhnlich, den Aufstiegstrainer so kurz vor Saisonstart zu entlassen. Wenn es überhaupt Skepsis gab, war diese innerhalb weniger Tage verflogen, da jeder von uns sehr schnell merkte, dass Thomas Tuchel ein absoluter Fachmann und eine echte Führungsperson ist. Es war schnell klar, dass er in allen Bereichen einen komplett anderen Ansatz verfolgt: beim Training, der Taktik, der Menschenführung. Das kannte ich so noch nicht. Es war sehr interessant und das ist es auch die nächsten fünf Jahre geblieben.
Tuchel fordert sehr viel und kann sehr hart und direkt zu seinen Spielern sein. Das ist nicht jedermanns Sache. Wie war's bei Ihnen?
Svensson: Natürlich gibt es auch mal Konflikte, wenn man so lange miteinander arbeitet. Er hat mich auch mal auf die Bank gesetzt oder mir auch mal einen richtigen Einlauf verpasst und dann hatte man eben kurz mal eine Auseinandersetzung, aber das war nicht schlimm. Mir hat das als Person und Fußballer sehr viel gegeben und gutgetan. Ich habe mich unter ihm in allen Bereichen verbessert und vor allem das Spiel besser verstanden. Ich konnte es viel schneller lesen und die Dinge auf dem Platz besser antizipieren. Trotz meiner nicht gerade hohen Geschwindigkeit habe ich zum Beispiel gelernt, hoch zu stehen und mutig nach vorne zu verteidigen.
Unter Tuchel avancierten Sie zur Stammkraft, mussten zwischenzeitlich wegen eines Kreuzbandrisses pausieren und kamen bis zu Ihrem Karriereende 2014 auf 122 Pflichtspiele für Mainz. Wenn Ihnen damals jemand gesagt hätte, dass Sie direkt im Anschluss und bis heute als Trainer arbeiten werden, was hätten Sie entgegnet?
Svensson: Das hätte ich wahrscheinlich nicht geglaubt. Während meiner gesamten Spielerkarriere habe ich nie gedacht, dass ich in der Fußballbranche bleibe. Gerade gegen Ende der aktiven Zeit hat mir der ganze Profi-Alltag nicht mehr so viel Freude bereitet: das Schnelllebige, das Leben im Hamsterrad, Woche für Woche die gleichen Abläufe zu haben, man hat kein Wochenende, muss immer zur Verfügung stehen, alles wird nur danach bewertet, was in den letzten 90 Minuten passiert ist. Das hat mir einfach nicht mehr so viel Spaß gemacht. Daher dachte ich, ich werde anschließend etwas komplett anderes machen, um mal wieder etwas Neues zu erleben.
Und was sagen Sie heute?
Svensson: Alles sehr ähnlich zu damals. (lacht)