Es war ein Moment der Leere, der absoluten Niedergeschlagenheit. Wer die Spieler von Hertha BSC am Samstagnachmittag um kurz vor 17.30 Uhr sah, könnte meinen, dass der Hauptstadtklub nach dem 1:2 bei Borussia Dortmund bereits in die 2. Bundesliga abgestiegen ist.
Spieler wie Vladimir Darida, Lucas Tousart oder Dedryck Boyata weinten bittere Tränen. Trainer Felix Magath verschwand sofort in den Katakomben des Signal-Iduna-Parks. Szenen der endlosen Enttäuschung, und auch in der Kabine sah es nicht anders aus. "Als sie in die Kabine gekommen sind, haben sie den Kopf hängen lassen", erzählte Magath.
Aber der zunächst enttäuschte Cheftrainer wusste auch, dass es noch nicht das Ende für die "Alte Dame" ist. Hertha BSC hat zwei Endspiele bekommen, um den gefühlten Abstieg noch zu verhindern. In der Relegation am 19. und 23. Mai gegen den Dritten der 2. Bundesliga. Aktuell der Hamburger SV, Magaths Stammklub.
Felix Magath: "Geschafft, von Platz 17 auf Platz 16 vorzudringen"
"Ich habe gleich Worte an die Mannschaft gerichtet. Es ist nicht der Worst Case eingetreten", betonte Magath: "Wir haben es geschafft, von Platz 17 auf Platz 16 vorzudringen. Wir konnten den direkten Abstieg verhindern. Wir haben die Gelegenheit, zu zeigen, dass wir ein Erstligist sind."
Es wird seine Aufgabe sein, in den nächsten Tagen die Mannschaft aus der Gefühlslage der Enttäuschung zu befreien und sie vor allem seelisch auf die letzte Ausfahrt vorzubereiten.
Und auch Hertha-Vorstandsboss Fredi Bobic wollte nach dem Spiel keine Aussichtslosigkeit zulassen: "Wir haben zwei Spiele, in diesen zwei Spielen müssen wir es richten. Die Jungs müssen den Glauben haben, dass wir es reißen. Es ist unsere Aufgabe, sie wieder aufzubauen und da hinzubekommen, dass sie erneut leidenschaftlich arbeiten und den Gegner - egal, wer da kommt - niederringen."
Ausgerechnet die Niederlage in Dortmund könnte als Hoffnungsträger dienen: Es war vielleicht keine Glanzleistung, die die Berliner gegen anfangs einfallslose Gastgeber darboten, aber die Grundtugenden, die gerade der Trainer immer wieder predigt, stimmten absolut. Hertha stemmte sich gegen die Relegation, die Spieler kämpften und hielten lange stand.
Magaths Vorahnung mit der Relegation tritt ein
"Wir haben nicht nur leidenschaftlich verteidigt, das 1:0 hat uns geholfen, um weiter gut zu stehen. Das haben die Jungs überragend gemacht - bis dann der Elfmeter zum 1:1 aus dem Nichts gekommen ist. Danach war Dortmund angefixt", sagte Bobic.
In der Tat traf dann der eingewechselte Youssoufa Moukoko in der 84. Minute zum 2:1 des BVB. Rund 450 Kilometer entfernt sorgte Wataru Endo mit dem 2:1 für den VfB Stuttgart für den Rest. Stuttgart bleibt drin, Hertha muss nachsitzen.
Drei Matchbälle hatte Hertha in den letzten Wochen, um den Klassenerhalt zu sichern. Jedes Mal versagte man. Trainer Magath musste sogar den FC Bayern an der Ehre packen, damit der das Heimspiel gegen den VfB Stuttgart in der letzten Woche nicht abschenkt. Das 2:2 erfüllte dann die Vorahnung des 68-Jährigen, der schon nach seiner Ankunft die Relegation als wahrscheinliches Szenario erwartet hatte.
Dass der erfahrene Coach nun nicht draufhaut, sondern als Motivator agiert, ist alternativlos. Allein der spielerischen Fähigkeit zu vertrauen, könnte zu wenig sein. Hertha hat in dieser Saison spielerisch und taktisch über weite Strecken der Saison die Erstligatauglichkeit vermissen lassen. Sollte kein Wunder geschehen, werden die Berliner auch in der Relegation kein Feuerwerk abbrennen, sondern das abrufen, was im Tank ist.
Herthas Stevan Jovetic: "Die Emotionen bei Seite lassen"
Und eines davon ist tatsächlich die Fähigkeit einer Mannschaft, trotz vieler schwieriger Umstände in einer Saison mit zwei Trainerwechseln, einem fortwährenden Chaos im Verein und dem Bruch mit den Fans bis zum Schluss nicht aufgegeben zu haben. "Wir dürfen uns nicht beschweren, sondern müssen die Köpfe hochbekommen", sagt auch Routinier Stevan Jovetic: "Der Schlüssel ist es nun, die Emotionen beiseitezulassen und es in der Relegation zu schaffen."
Die Aufarbeitung dessen, was alles schiefgelaufen ist, dass man trotz hoher Ansprüche, abermals gegen den Abstieg kämpft, folgt erst danach. Wahrscheinlich wird in Berlin am Ende der Saison auf allen Ebenen aufgeräumt und abgerechnet. Gelingt der Klassenerhalt, wird sich der Schaden in Grenzen halten. Tritt der "Worst Case" mit dem Gang in die 2. Liga ein, kann man die Folgen kaum absehen. "Ein Abstieg wäre eine Katastrophe", sagt auch Magath.
Doch darüber will man bei der Hertha bis zum 23. Mai nicht reden. Selbstvertrauen ist angebracht. Und da kommt wieder der Motivator Magath, der an den Klassenerhalt glaubt: "Ich denke, wir haben gute Aussichten, es zu schaffen." Glauben auch seine Spieler dran, gibt es am Ende vielleicht auch Tränen der Freude.