Union Berlin und Isco - es sollte das Wintermärchen von Köpenick werden: Ein fünffacher Champions-League-Sieger und die große Bundesliga-Überraschung. Auf der Zielgeraden ist der Deal aber geplatzt. Darüber können die Eisernen aber froh sein, denn sie hätten womöglich einen großen Fehler begangen.
Woran der Deal letztendlich wirklich scheiterte, wird wohl das Geheimnis der beiden Parteien bleiben. Klar ist nur, dass beide Seiten zum gleichen Ergebnis eine völlig unterschiedliche Entstehungsgeschichte erzählen. Iscos Berateragentur hat behauptet, dass Union die vorher getroffenen Vereinbarungen nicht einhalten wollte. Der Klub wiederum spricht vom Gegenteil: Es sei die Spielerseite gewesen, die plötzlich den vereinbarten Rahmen gesprengt habe.
Ganz egal, woran ein Transfer nach Berlin-Köpenick nun gescheitert ist: Union entgeht so womöglich einem großen Fehler. Denn abseits seines Namens hat Isco dem Sensations-Zweitplatzierten der Bundesliga nicht viel zu bieten. Isco und Union Berlin hätte gut und gerne zu einem der größten Mismatches der letzten Jahre werden können.
Vorab: Die theoretischen Qualitäten des Spaniers sind unbestritten. Isco kann, wenn er im richtigen taktischen Umfeld eingesetzt wird und in Form ist, ein großartiger Spielmacher sein. Der 30-Jährige verfügt über enorme technische Qualitäten und kann Drucksituationen mit kurzen Dribblings oder klugen Pässen gekonnt auflösen. Es steht außer Frage, dass ein solcher Spieler Union in Ballbesitzphasen helfen könnte.
Union Berlin und Isco: Die perfekte Ergänzung oder ein drohendes Missverständnis?
Zumal die Eisernen nicht zu den spielstärksten Teams der Liga zählen, wenn es darauf ankommt, aus geordnetem Ballbesitz Gefahr zu erzeugen. Iscos Pässe und Sheraldo Beckers starke Laufwege - vielleicht wäre auf diese Art und Weise das eine oder andere schöne Tor entstanden.
Auf der anderen Seite lässt Isco aber Fähigkeiten vermissen, die unabdingbar für Trainer Urs Fischer und seine Vorstellung von Fußball sind. Das betrifft vor allem die Arbeit gegen den Ball. Zwar ist der Mittelfeldmann hier durchaus aktiv, aber nicht prädestiniert für das laufintensive und aggressive Spiel der Unioner.
Die Analyse der Datenspezialisten von Createfootball zeigt, dass sich der ehemalige Star von Real Madrid defensiv einbringt. Zumal der FC Sevilla im Vergleich zu Union deutlich mehr Ballbesitz hat: 57,1 % stehen den 43,1 % der Berliner gegenüber. Und doch ist Isco bei seinen bisherigen Stationen unter anderem daran gescheitert, dass es ihm schwerfällt, über die Grenze zu gehen.
Isco: Defensivvergleich mit Janik Haberer und András Schäfer (Union Berlin) - 2022/23
Statistik | Isco | Janik Haberer | András Schäfer |
Erfolgreiche Defensivaktionen | 4,5 | 6,9 | 8,0 |
Defensiv-Zweikämpfe | 4,7 | 5,8 | 7,2 |
Gewonnene Defensiv-Zweikämpfe | 54 % | 57 % | 56 % |
Abgefangene Bälle | 2,3 | 3,8 | 3,7 |
Union Berlin und Isco: Zu viele Defizite gegen den Ball
Deshalb fühlte er sich meist wohler, wenn Trainer auf viel Ballbesitz gesetzt haben. Da kann er seine Spielintelligenz und seinen Riecher für die richtigen Räume perfekt einbringen. Bei den Eisernen hätte Isco in zu vielen Spielphasen kaum etwas vom Ball gesehen. Es wäre deutlich schwerer für ihn gewesen, den richtigen Rhythmus zu finden.
Zwar wird Union mit steigendem Erfolg zukünftig häufiger dazu gezwungen werden, kreative Lösungen aus dem Ballbesitz heraus zu finden. "Es gibt Spiele, wo du mehr gestalten musst und mehr Ballbesitz hast", sagte Sportchef Oliver Ruhnert vor dem Pokal-Spiel gegen Wolfsburg bei Sky. Der Gedankengang dahinter ist richtig. Gerade weil Union in diesem Bereich seine größten Probleme hat. Doch Iscos Name verspricht dahingehend deutlich mehr Qualität, als Fischer und Co. letztendlich wohl bekommen hätten. Auch die Zahlen unterstreichen, dass der Rechtsfuß sich offensiv nicht deutlich genug von Spielern wie Janik Haberer oder András Schäfer abhebt.
Seit November hat der ehemalige spanische Nationalspieler kein Spiel mehr absolviert und seit 2018 traf er in der Liga nie häufiger als einmal. Bei Isco ist dementsprechend nicht nur von einer Formdelle auszugehen, sondern von einem tiefen Loch.
Isco: Offensivvergleich mit Janik Haberer und András Schäfer (Union Berlin) - 2022/23
Statistik | Isco | Janik Haberer | András Schäfer |
Erfolgreiche Offensiv-Aktionen | 2,7 | 1,8 | 2,8 |
Schüsse | 1,3 | 1,6 | 2,8 |
Dribblings | 3,2 | 1,3 | 3,9 |
Erfolgreiche Dribblings | 58 % | 58 % | 53 % |
Offensiv-Duelle | 13,1 | 4,5 | 7,8 |
Gewonnene Offensiv-Duelle | 44 % | 40 % | 43 % |
Pässe | 40 | 23 | 31 |
Passgenauigkeit | 88 % | 78 % | 79 % |
Pässe ins letzte Drittel | 5,3 | 3,1 | 3,5 |
Union Berlin und Isco: Das Risiko wäre zu groß gewesen
Gut möglich, dass Union ihm da geholfen hätte. Manchmal tun neue Ansätze gut. Doch Isco, das zeigen nicht zuletzt die geplatzten Verhandlungen, ist ein Spieler mit großen Ansprüchen und Forderungen. Das Risiko, dass es aufgrund der sportlichen Fragezeichen nicht funktioniert hätte, ist zu groß.
Gerade Union Berlin zeichnet sich durch mannschaftliche Geschlossenheit, Teamwork und besonderen Einsatz aus. Werte, die nicht immer oberste Priorität in Iscos Karriere hatten. Seine Trennung vom FC Sevilla nach nur vier Monaten unterstreicht das. Trainer Jorge Sampaoli soll auch deshalb nicht mehr mit ihm geplant haben, weil ihm der Einsatz und die Bereitschaft des Offensivspielers nicht gefiel. Im schlimmsten Fall hätte bei Union eine Situation entstehen können, in der plötzlich ein Starspieler weit über dem Rest steht - und dann nicht abliefert.
Iscos beste Tage sind längst gezählt. Der Transfer zu Union Berlin wäre sicher spektakulär gewesen und hätte vermutlich finanziell allein durch die Trikotverkäufe viel Sinn ergeben. Zumal keine Ablösesumme notwendig gewesen wäre. Sportlich aber gab es ein kaum abschätzbares Risiko, dass Isco nicht nur floppt, sondern einiges von dem einreißt, was sich Union in den letzten Jahren aufgebaut hat. Manchmal ist es sinnvoller, dem Reiz nach großen Namen und Spektakel nicht zu folgen.