Komplett verzockt! Der FC Bayern München ist der größte Verlierer des Deadline Days

Thomas Tuchel, FC Bayern München
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Die Verantwortlichen des FC Bayern München haben es in den vergangenen Tagen geschafft, ohne Not ihre eigene Mannschaft zu schwächen und die Konkurrenz aufzubauen. Mindestens bis zur Winterpause hat der FCB selbstverschuldet den dünnsten und unrundesten Kader der letzten Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte. Ein Kommentar.

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Ganz unaufgeregt und aus dem Blickwinkel eines Menschen betrachtet, der sich nicht ganz so sehr für Profifußball und seinen täglichen steigernden Wahn interessiert: Der FC Bayern München hat am letzten Tag der Sommertransferperiode, am so genannten Deadline Day, nicht 60 Millionen Euro Ablöse für einen defensiven Mittelfeldspieler ausgegeben, von dem hierzulande auch Fußballinteressierte noch nicht so rasend viel gehört hatten.

Auch sonst hat der deutsche Rekordmeister keinen weiteren Spieler verpflichtet am Freitag, stattdessen aber den unzufriedenen 21 Jahre alten Ryan Gravenberch nach nur einem Jahr für 40 Millionen Euro und damit mit sattem Gewinn von rund 20 Millionen Euro an den FC Liverpool verkauft und außerdem zwei Talente verliehen, um ihnen mehr Spielpraxis zu ermöglichen.

Das Problem an dieser Aufzählung nackter Fakten: Sie verschweigen, dass der FC Bayern sich gnadenlos verzockt hat und selbstverschuldet der größte Verlierer des Deadline Days ist.

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FC Bayern München: Eine Lücke geschlossen, drei aufgerissen

Die Münchner, die in diesem Sommer zuvor alle vor noch gar nicht allzu langer Zeit selbstgesetzten Grenzen mit der mehr als 100 Millionen Euro teuren Verpflichtung des 30-jährigen Stürmers Harry Kane gesprengt hatten, schafften es in den vergangenen Tagen, ihre eigene Mannschaft ohne Not zu schwächen und die Konkurrenz aufzubauen.

Sollte jemand ernsthaft geglaubt haben, die Münchner hätten nach der Verpflichtung Kanes einen Kader zusammen, der sie automatisch zu einem der Top-Favoriten auf den Gewinn der Champions League machen würde, der sollte seine Meinung spätestens nach diesem schwarzen Freitag revidieren.

Mindestens bis zur Winterpause hat der FCB den dünnsten und unrundesten Kader der letzten Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte. Gleichwertig doppelt besetzt sind die wenigsten Positionen, einige nicht mal doppelt - und das bei bis zu elf Englischen Wochen bis Weihnachten, Länderspiele noch nicht einmal berücksichtigt.

Einer großen Kaderlücke, die in diesem Sommer geschlossen wurde - die Mittelstürmerposition - stehen zwei selbst aufgerissene Klüfte in der Innenverteidigung und auf der Rechtsverteidigerposition entgegen. Eigentlich sind es sogar drei Klüfte: Trainer Thomas Tuchel wurde sein Wunsch verwehrt, den drei eher offensiv freigeistig orientierten zentralen Mittelfeldspielern Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Konrad Laimer einen defensiv orientierten Grätscher in den Rücken zu stellen. Eben jenen in Deutschland bisher eher mäßig bekannten, aber wirklich hervorragenden Grätscher Palhinha.

Uli Hoeneß, Thomas Tuchel
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FCB: Welches Mitglied des Transferausschusses stellt sich?

Das alles muss man erst mal schaffen. Es wird spannend zu sehen sein, welches prominentes Mitglied des an prominenten Mitgliedern wahrlich nicht armen Transferausschusses die Irrungen und Wirrungen der vergangenen Tage erklären wird und ob die gleichen Menschen, die die (Nicht-)Transfers des Sommers zu verantworten haben, auch im Winter noch im Amt sein werden. Oder ob sich einige von ihnen womöglich wieder in den Unruhestand verabschieden?

Erklärt sich womöglich Karl-Heinz Rummenigge, der frühere Vorstandschef und heutige Aufsichtsrat, der jüngst Luis Rubiales und seinen Jennifer Hermoso aufgedrängten Kuss verteidigte und außerdem anekdotenreich erzählte, wie er fleißig WhatsApp-Nachrichten mit Harry Kane hin- und herschrieb, um den Engländer nach München zu locken?

Oder Uli Hoeneß, Mutter, Vater und Erfinder des FC Bayern, der Kanes Transfer plaudernd aus Versehen womöglich ein bisschen teurer machte?

Oder der neue CEO Jan-Christian Dreesen, der erfolgreich die Kaufoption von Verteidiger Min-Jae Kim bei der SSC Neapel zog, Kanes Transfer endverhandelte und nach Informationen von Sport1 am Freitag maßgeblich den letztlich gescheiterten Last-Minute-Transfer von Verteidiger Armel Bella-Kotchap vom FC Southampton betrieb? Bella-Kotchap, 21, landete am buchstäblichen Ende des Tages bei PSV Eindhoven in den Niederlanden, Bayern und Southampton scheinen es zuvor schlicht nicht geschafft haben, bis zur Schließung des deutschen Transferfensters um 18 Uhr die nötigen Formalitäten für den Wechsel des DFB-Kickers zu erledigen.

Das war nur eine weitere Pointe dieses Freitags, die zu Unrecht ein wenig unterging. Zumal dem Vernehmen nach der FC Chelsea am Freitag plötzlich doch bereit schien, seinen äußerst vielseitigen Spieler Trevoh Chalobah (Innenverteidiger, Rechtsverteidiger und defensiver Mittelfeldspieler!) für ein Jahr nach München auszuleihen und nicht mehr auf eine sofortige feste Verpflichtung bestand.

Oder Trainer Thomas Tuchel? Der schon sehr früh klargemacht haben soll, dass die Verpflichtung einer "Holding Six" für ihn absolute Priorität habe. Sein absoluter Wunschtransfer des Sommers wäre noch vor Harry Kane Declan Rice gewesen. Der ging jedoch zum FC Arsenal und blieb so genauso in der Premier League wie Moises Caicedo oder nun Palhinha. Obwohl auch Aurelién Tchouaméni von Real Madrid gehandelt wurde: Richtige Priorität hatte die Position für die übrigen Mitglieder des Transferausschusses nicht.

Dass die Bayern nun mit Palhinha so in die Bredouille kamen, ist also auch mit den unterschiedlichen sportlichen Einschätzungen der machtvollen Männer zu erklären. Weniger peinlich wird die Transferposse deswegen nicht. Palhinhas Transfer war am Freitag ja eigentlich schon durch. Er war in München, er hatte den Medizincheck absolviert, er hatte ein Trikot bekommen und es waren sogar schon Fotos gemacht worden, alles dokumentiert von Kameras. Auch Bayern München und der FC Fulham waren sich einig. Rund 60 Millionen Euro Ablöse plus Boni sollte der 28-jährige Gardemaß-Grätscher kosten. Nur: Fulham fand schlicht keinen Ersatz mehr. Palhinha flog kurzerhand wieder nach London.

Oder schicken die Bayern doch Marco Neppe in den Wind? Der Technische Direktor sollte nach der plötzlichen Entlassung von Sportvorstand Hasan Salihamidzic eigentlich nur noch die bereits vorbereiteten Transfers zu Ende führen, hatte sich aber in den vergangenen Wochen dank seines Telefonbuchs und seiner Expertise den Respekt bei den übrigen Mitgliedern des Transferausschusses erarbeitet.

Stolz wie nach dem Kane-Coup dürfte mittlerweile niemand mehr sein - auch wenn die Transferbilanz zumindest finanziell ganz gut aussieht.

FC Bayern München: Alle Transfers des Sommers

Spieler verpflichtetAblöse bezahltSpieler verkauftAblöse erhalten
Harry Kane100 Millionen Euro plus BoniLucas Hernández45 Millionen Euro
Min-Jae Kim50 Millionen EuroRyan Gravenberch40 Millionen Euro
Daniel Peretz5 Millionen EuroSadio Mané30 Millionen Euro
Konrad LaimerablösefreiBenjamin Pavard30 Millionen Euro
Raphael GuerreiroablösefreiMarcel Sabitzer19 Millionen Euro
Yann Sommer6,75 Millionen Euro
Alexander Nübel1 Millionen Euro Leihgebühr
Malik Tilmann1 Million Euro Leihgebühr
Gabriel Vidovic500.000 Euro Leihgebühr
Bright Arrey-Mbiablösefrei
Daley Blindablösefrei
Josip Stanisicausgeliehen
Paul Wannerausgeliehen
Arijon Ibrahimovicausgeliehen
Johannes Schenkausgeliehen
GESAMT AUSGABEN/EINNAHMEN155 Millionen Euro 173,25 Millionen Euro

 

FC Bayern München, Hasan Salihamidzic
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FCB: Hat Hasan Salihamidzic leise in sich hineingelacht?

Apropos Salihamidzic: Ob er am Freitag zumindest kurz leise in sich hineingelächelt hat? Dem vor dem letzten Spieltag der vergangenen Saison geschassten Ex-Sportvorstand kann man sicher vorwerfen, nicht immer ein glückliches Händchen gehabt zu haben im Sommerschlussverkauf und womöglich sogar für den größten Transferflop in der Geschichte des deutschen Rekordmeisters gesorgt zu haben an jenem halb legendären 5. Oktober 2021, als auf einen Schlag fünf neue Spieler kamen. Keinen Spieler zu verpflichten, das hat Salihamidzic nie geschafft.

Und es sind ja nicht nur die Spieler, die nicht gekommen sind. Sondern auch die Spieler, die gingen. Wieso wurde Benjamin Pavard nicht gezwungen, seinen Vertrag zu erfüllen? Noch am vergangenen Sonntag wirkte Trainer Thomas Tuchel bei der Frage sehr hart.

Und wenn das aus Rücksicht auf das seelische Wohlergehen Pavards wirklich nicht ging, wieso wurde er erst in der letzten Woche der Transferperiode verkauft? Wohlgemerkt: Der Spieler soll bereits im Mai mitgeteilt haben, dass er eine Luftveränderung bräuchte. Nicht kurzfristig, wie Trainer Tuchel letzte Woche erklärte, nicht mitten in der Vorbereitung, nicht vor dem Urlaub. Sondern während der vergangenen Saison. Das Interesse von Inter Mailand soll schon deutlich länger als wenige Tage konkret gewesen sein.

Vor allem: Wieso wurde zuvor schon der loyale Josip Stanisic auch zu seiner Überraschung an Leverkusen ausgeliehen? Tuchel gab am Freitag ja schon zu, dass "die Situation für uns nicht ganz glücklich" aussehe. Amateurhaft trifft es wohl eher. Zumal Max Bielefeld von Pavards Beratungsagentur am Freitag bei Sky erklärte: "Als Stanisic verliehen wurde, gab es schon Kontakt zu Inter Mailand. Es ist nicht richtig, als man mit Stanisic die Entscheidung traf, dass man überhaupt nicht wusste, wie es um Benji steht". Tuchel hatte zuvor das Gegenteil behauptet.

Dazu kommt: Armel Bella-Kotchap mag deutscher Nationalspieler und ein Talent sein, aber so gut wie Pavard ist er sicher noch nicht. Im Gegensatz zu Stanisic hat er noch nicht mal seine erweiterte internationale Klasse nachgewiesen.

Bouna Sarr
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FCB: Schlägt jetzt die Stunde von Bouna Sarr?

Wie auch immer: Einziger Rechtsverteidiger im Kader ist nun Noussair Mazraoui, der auch nicht wirklich unumstritten ist. Oder schlägt jetzt plötzlich doch die große Stunde von Bouna Sarr, besagtem vielleicht schlechtesten Einkauf der Vereinsgeschichte?

Oder schlagen die Münchner auf dem nicht gerade üppig besetzten Markt vertragloser Spieler zu? Da findet sich als Spieler mit dem höchsten Marktwert laut transfermarkt.de (4 Millionen Euro) derzeit etwa ein gewisser Reggie Canon. Der US-Amerikaner stand zuletzt in Portugal bei Boavista Porto unter Vertrag. Auch vertreten: Freiburg-Legende Jonathan Schmid, zwar schon 33, aber immerhin ein Rekordmann: Nicht mal Franck Ribéry absolvierte so viele Bundesligaspiele wie er. Allerdings leidet Schmid an den Folgen einer Corona-Infektion, ansonsten wäre er wohl immer noch in Freiburg.

Sicher: Joshua Kimmich kann auch sehr gut rechts hinten spielen, auch Konrad Laimer hat Tuchel da zuletzt ausprobiert. Aber: Auf deren Stammpositionen ist die Not im Kader ja genauso groß. Nachdem am Freitag zu später Stunde der Transfer des etwas offensiver orientierten zentralen Mittelfeldspielers Ryan Gravenberch zum FC Liverpool finalisiert wurde - noch so eine Pointe -, stehen jetzt also drei zentrale Mittelfeldspieler für zwei Planstellen im Kader.

Tuchel hat bereits vergangenen Sonntag nach dem 3:1 gegen den FC Augsburg erklärt, dass sich dann eben der junge Mittelfeldspieler Aleksandar Pavlovic von der Zweitvertretung bei den Profis versuchen dürfte. Der stand am Freitag beim 4:3 gegen den FC Memmingen schon nicht mehr im Kader der Regionalligamannschaft. Sein Mannschaftskamerad Tarek Buchmann, in der Innenverteidigung der Profis derzeit wohl auf Position vier von vier, wurde mit einer Oberschenkelverletzung ausgewechselt und fällt voraussichtlich bis Ende des Monats aus.