Willi Lemke hanseatisch kühl, Uli Hoeneß aufgebracht mit rotem Kopf - was wäre die Fußball-Bundesliga in den 80er- und 90er-Jahren ohne die Dauerfehde zwischen den Managern von Werder Bremen und Bayern München gewesen.
Das erfolgreiche Aufbegehren der Grün-Weißen gegen den Branchenführer an der Seite von Trainer Otto Rehhagel ist das Vermächtnis von Wilfried "Willi" Lemke, der am Montag - eine Woche vor seinem 78. Geburtstag - in Folge einer Hirnblutung gestorben ist.
"Willi Lemke war ein Mann der Kontroverse: Jeder weiß, dass wir oft diskutiert und gestritten haben. Aber er war auch ein Mann des Dialogs, und letztlich haben wir zu einem guten Verhältnis gefunden", sagte sein einstiger Rivale Hoeneß auf SID-Anfrage: "Er hat die Bundesliga und den deutschen Fußball sehr bereichert. Mein aufrichtiges Beileid an seine Angehörigen und Freunde sowie an Werder Bremen - den Verein, der ohne Willi Lemke nicht der wäre, der er heute ist."
Lemkes langjähriger Schützling und Wegbegleiter Rudi Völler zeigte sich "tieftraurig". Bis zuletzt sei der Kontakt nicht abgebrochen. "Noch zum Auftakt unserer Heim-EM hat Willi sich mit guten Wünschen bei mir gemeldet", sagte der Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB): "Mit Willi Lemke geht nicht nur eine Werder-Legende, sondern eine großartige Persönlichkeit für den gesamten deutschen Sport."
Willi Lemke hinterlässt Ehefrau Heide und vier Kinder
Die Bremer sehen das genauso. "Willi Lemke gehört zu den größten Werderanern aller Zeiten", sagte Werders Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender Hubertus Hess-Grunewald: "Willi bleibt uns als innovative, kämpferische, leidenschaftliche, ehrgeizige und streitbare Persönlichkeit in Erinnerung. Dabei war er stets menschlich und immer auch versöhnlich. Nur wenige Menschen werden so sehr mit Werder in Verbindung gebracht wie Willi Lemke."
Lemke hinterlässt Ehefrau Heide und vier Kinder. "Sein Tod macht uns sehr traurig und fassungslos, aber wir hatten das große Glück, dass wir ihn in seinen letzten Lebensstunden gemeinsam begleiten konnten", teilte Lemkes Familie mit: "Nach seinem bewegenden beruflichen Leben als Werder-Manager, Senator und UN-Sonderbotschafter bleibt Willi uns vor allem als liebevoller, fürsorglicher Ehemann, Vater, Opa und Familienmensch in Erinnerung, der das Leben und die Freundschaften liebte und pflegte."
Filbry: Lemkes Tod lässt "Werder für eine Zeit stillstehen"
Klaus Filbry betrauerte den "viel zu frühen Tod" Lemkes, der "den SV Werder für eine Zeit stillstehen" lässt. "Willi Lemke gehört zweifellos zu den größten Persönlichkeiten in der Geschichte des deutschen Fußballs", sagte der Vorsitzender der Werder-Geschäftsführung: "Ohne seine langjährige Arbeit wäre der Klub nicht das, was er heute ist."
Das würdigten auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) und der DFB. "Willi Lemke war eine der prägenden Manager-Figuren der Bundesliga", ließ Aufsichtsratsboss Hans-Joachim Watzke wissen. Für DFB-Präsident Bernd Neuendorf war Lemke "nicht nur eine prägende Persönlichkeit, die in verschiedenen Rollen und Funktionen im Fußball tiefe Spuren hinterlassen hat", sondern auch "ein leidenschaftlicher Botschafter für die universellen Werte des Fußballs."
Lemke war von 1981 bis 1999 Manager beim SV Werder und hatte in der Zeit entscheidenden Anteil an den Meisterschaften 1988 und 1993 sowie dem Gewinn des Europapokals der Pokalsieger 1992. Lemke wechselte anschließend in den Aufsichtsrat des Klubs, er agierte zudem als Senator für Bildung und Wissenschaft sowie Inneres und Sport in Bremen. Im April 2008 betrat Lemke die internationale Bühne, bis 2016 war er UN-Sonderberater für Sport.
Selbst Willy Brandt war von Willi Lemke begeistert
Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Pönitz (Ostholstein) geboren und anschließend in Hamburg aufgewachsen, kam Lemke im Jahr 1971 nach Bremen. Nachdem er zuvor mehrere Jahre als Geschäftsführer des SPD-Landesverbands gearbeitet hatte, ging er zu Weder. Auf Menschen zugehen war die Stärke des studierten Lehrers. Und für Willy Brandt war Lemke "der lebende Beweis dafür, dass Sozialisten doch mit Geld umgehen können."
Dazu passende Anekdoten rund um den SV Werder gibt es zuhauf. So wurden schon mal Vertragsverlängerungen auf einem Bierdeckel schriftlich fixiert, am Rande eines Trainingslagers soll Lemke mehrere Profis nach dem Besuch eines dubiosen Etablissements ausgelöst haben. Und ganz Bremen klopfte sich auf die Schenkel, als er sich den Daumen bös quetschte - ausgerechnet am Panzerschrank in der Werder-Geschäftsstelle.