SPOX: Ein Thema, das zuletzt hitzig diskutiert wurde, waren die Undiszipliniertheiten von Franck Ribery. Wie sehen Sie die Situation?
Rafinha: Jeder kennt Franck Ribery. Er ist sehr emotional und immer mit vollem Herzen dabei. Aber er ist niemand, der seinen Gegenspieler vorsätzlich verletzen will.
SPOX: Sie selbst waren in Ihrer Schalker Zeit als Hitzkopf bekannt. Auch bei den Bayern sind Sie zweimal gegen Borussia Dortmund wegen Tätlichkeiten vom Platz geflogen. In den letzten beiden Jahren sind Sie jedoch ruhiger geworden, haben keinen Platzverweis kassiert. Haben Sie aktiv an Ihrem Temperament gearbeitet?
Rafinha: Das ist schwierig. Wenn wir auf dem Platz stehen, ist es meine Arbeit, diesen Verein zu verteidigen. Gerade die Spiele gegen Dortmund sind immer eng und emotional, beide Mannschaften wollen unbedingt gewinnen. Aus der Emotion heraus machst Du vielleicht manchmal Sachen, die Du hinterher bereust. Du schaust Dir das dann an und fragst dich: Warum hast Du das gemacht? Aber je mehr Erfahrung Du hast, desto mehr denkst Du über so etwas nach. Ich glaube schon, dass ich nicht mehr so heißblütig bin.
SPOX: Sportlich lief der Saisonstart einwandfrei. Zuletzt gab es jedoch die ersten Rückschläge. Wie bewerten Sie den Saisonstart?
Rafinha: Gegen Atletico haben wir nicht gut gespielt. Atletico ist eine Mannschaft, die sehr gut verteidigt. Da war es schwierig für uns. Gegen Köln haben wir ein gutes Spiel gemacht, aber wir haben unsere Chancen nicht genutzt. Das kann passieren. Wir sind nun mal keine Maschinen. Wir haben acht Spiele gewonnen. Irgendwann kommt eben mal ein Unentschieden oder eine Niederlage. Das ist völlig normal im Fußball. Jede Mannschaft auf dieser Welt verliert. Bei Bayern München ist es immer so: Wenn wir einmal Unentschieden spielen, reden viele schon von einer Krise. Wir haben in der Champions League noch alle Chancen, sind in der Bundesliga Tabellenführer mit drei Punkten Vorsprung, stehen im Pokal in der zweiten Runde - wo ist da die Krise? Ich hoffe, dass wir weiterhin so eine Krise haben. (lacht)
SPOX: Auch in dieser Saison steht das Ziel Champions League über allem. Ist es von Vorteil, dass Ancelotti diesen Wettbewerb schon dreimal als Trainer gewonnen hat?
Rafinha: Es ist auf jeden Fall gut, wenn der Trainer weiß, wie man den Titel gewinnt. Aber für uns muss alles passen, damit es klappt. Die Champions League hat bisher noch keine Mannschaft zweimal hintereinander gewonnen. Keine! Das zeigt, wie schwer der Wettbewerb zu gewinnen ist. Seitdem ich hier bin, haben wir jedes Jahr im Halbfinale gespielt. Das wollen wir wieder schaffen. Wir dürfen jetzt aber noch nicht zu weit nach vorne schauen. Der Weg ist noch zu weit. Wir müssen uns erst einmal auf das konzentrieren, was direkt vor uns liegt.
SPOX: Sie sind seit Dezember 2015 deutscher Staatsbürger und haben oft betont, wie wohl Ihre Familie und Sie sich hier fühlen. Was gefällt Ihnen besonders an der deutschen Kultur?
Rafinha: Deutschland ist meine zweite Heimat. Ich mag die Menschen, die Organisation, die Sicherheit. Die Kultur ist fantastisch. Meine Familie und ich lieben das Land und die Stadt München. Ich kenne mittlerweile viele Leute hier in der Bäckerei oder im Supermarkt. Ich habe ein super Umfeld. Der einzige Kritikpunkt für mich ist, dass es ein bisschen zu kalt ist im Vergleich zu Brasilien. (lacht)
SPOX: Sehen Sie sich auch langfristig im Deutschland?
Rafinha: Am liebsten hätte ich beides: ein bisschen Brasilien und ein bisschen Deutschland. Ich habe hier die meiste Zeit meiner Karriere verbracht, viel gelernt und mich menschlich weiterentwickelt. Deutschland hat einen wichtigen Platz in meinem Herzen. Deswegen habe ich mir auch die Umrisse von Brasilien und von Deutschland auf den Unterarm tätowieren lassen.
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SPOX: Ihr Vertrag läuft nach der Saison aus. Wie sehen Ihre Pläne ab Sommer aus?
Rafinha: Ich mache mir ganz ehrlich überhaupt keine Gedanken darüber. Ich habe einen Vertrag bis zum Ende der Saison und mein Berater kümmert sich um alles Weitere. Ich glaube, dass der Verein mit mir zufrieden ist, und ich fühle mich sehr wohl. Aber darüber, wie es nach der Saison weitergeht, denke ich nicht nach. Wir wollen in dieser Saison noch einmal Titel gewinnen, der Rest ergibt sich dann.
SPOX: Ihr ehemaliger Kollege Bastian Schweinsteiger wird derzeit mit einem Wechsel in die MLS in Verbindung gebracht. Ist die USA perspektivisch auch für Sie eine reizvolle Option?
Rafinha: Irgendwann kann das schon einmal interessant werden. Die Liga wächst. Sie haben einen guten Plan, sind gut organisiert und wollen weiter investieren. Aber derzeit ist das nicht mein Ziel, nein. Ich bin erst 31 Jahre alt, ich will noch weiter auf hohem Niveau in Europa spielen.
Rafinha im Steckbrief