Wieder so ein 16. September

Hermann Gerland ist wieder erster Co-Trainer des FC Bayern
© getty

Carlo Ancelottis Co-Trainer Paul Clement verlässt den FC Bayern in Richtung Swansea City. Hauptamtlicher Assistent des Trainers wird Ikone Hermann Gerland. Es ist eine logische Wahl, für den Betroffenen aber wie immer eine besondere.

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Der 16. September 1972 war und ist für Hermann Gerland noch immer ein besonderer Tag. Womöglich der bedeutendste seiner mittlerweile 45-jährigen Fußball-Karriere. Beim 2:0-Sieg seines VfL Bochum in Braunschweig wurde der damals 18-Jährige erstmals in der Bundesliga eingewechselt.

Nach dem Spiel kam Trainer Heinz Höher zu ihm, nicht gerade verheißungsvoll: "Du, hör mal, Hermann, du musst deine Prämie teilen. Der Günther Etterich ist Vater geworden, und der ist nicht eingewechselt worden", sagte der VfL-Coach.

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Gerlands Reaktion war ungewöhnlich. "Ich habe zu Höher gesagt: 'Geld interessiert mich nicht. Ich habe in der Bundesliga gespielt, wissen Sie, was das für mich heißt? Das ist das Höchste, was mir je passieren konnte, da ist mir das doch piepegal, ob ich 400 oder 200 Mark bekomme'", erinnerte sich Gerland mal gegenüber 11Freunde.

Eine Einstellung, die er im gesamten Verlauf seiner Karriere nie aufgab.

Gerland tritt an Clements Stelle

Ähnlich wird Gerland also auch am Dienstag gedacht und gefühlt haben, als Cheftrainer Carlo Ancelotti und der Bayern-Vorstand gemeinsam entschieden, dass der 62-Jährige zum ersten Co-Trainer aufsteigt. Gerland tritt ab sofort an die Stelle des nach Swansea abgewanderten Paul Clement.

Schon im Sommer hatte der FCB Abwerbeversuchen gegenüber gestanden. Die FA wollte Clement als Assistenten für den damals neuen Nationalcoach Sam Allardyce, doch die Bayern untersagten die Doppeltätigkeit. Diesmal gaben sie dem Wunsch des 44-Jährigen nach.

Damit steht auch fest, dass Ancelottis Sohn Davide nicht zum ersten Assistenten seines Vaters aufsteigt. Auch der 27-Jährige galt als Kandidat auf Clements Nachfolge, bleibt aber zweiter Assistent.

Ancelotti: Zurück in eine überholte Zeit

Der öffentliche Aufruhr um die Personal-Rochade in Ancelottis Umfeld hielt sich allerdings in Grenzen. Dabei sind die Aufgaben eines Co-Trainers längst sehr umfangreich, gerade bei einem Weltklub wie dem FC Bayern, der jährlich gut 50 Pflichtspiele absolviert und fast immer englische Wochen hat.

Die Besetzung der Assistenten-Rolle ist deshalb alles andere als unwesentlich. Gerade dann, wenn es sich beim Mia-san-Mia-Klub FC Bayern um Hermann Gerland handelt - und für Ancelotti auch deshalb, weil er nun in eine längst überholte Zeit zurückgeworfen wird: die ohne Paul Clement.

Seit seinem Engagement beim FC Chelsea war Clement immer an Ancelottis Seite, bei PSG, bei Real und jetzt beim FC Bayern. Der Engländer baute stets eine besondere Beziehung zu den Spielern auf. Clement war der Kumpel der Stars, der auch die "Unbelehrbaren" wie Zlatan Ibrahimovic und Cristiano Ronaldo anzuspornen wusste. Außerdem steuerte der Brite stets die verschiedenen Strömungen innerhalb des Trainerteams und organisierte eine optimale Arbeitsaufteilung.

Ancelotti schätzte das an Clement mindestens genauso wie dessen Spielverständnis. "Er sagte, dass er an dem Tag, an dem ich nicht mehr als Assistent an seiner Seite stehe, zurücktreten und in Rente gehen müsse", erinnerte sich Clement vor nicht allzu langer Zeit an persönliche Worte des Misters. Ancelotti wird in dieser Woche weniger über seinen einstigen Scherz lachen können. "Das ist sicherlich nicht so angenehm für den Cheftrainer", befand der langjährige Münchner und heutige Ingolstädter Co-Trainer Michael Henke am Dienstag gegenüber Sky Sport News HD.

"Gerland ist prädestiniert"

Dass die Wahl des neuen ersten Co-Trainers nun wieder auf Vereins-Ikone Hermann Gerland fällt, ist da mehr als nachvollziehbar. Denn der "Tiger" stand ebenfalls schon immer für diese menschliche Komponente. "Viele Spieler haben Probleme, direkt zum Cheftrainer zu gehen, wenn sie irgendein Problem haben. Und da steht der Co-Trainer, der frühzeitig vermitteln kann, damit es gar nicht erst zu Konflikten kommen kann. Das ist sehr wichtig, und für diese Aufgabe ist Hermann Gerland prädestiniert", findet Henke.

Zudem verbrachte Gerland von seinen letzten 27 Karriere-Jahren etwa 21 beim FCB. Er gehört dem Trainerstab der Bayern-Profis bereits seit 2009 an und war unter Jupp Heynckes schon einmal in dieser Position. Seinen Vertrag verlängerte er beim Rekordmeister Jahr für Jahr per Handschlag.

Gerland verinnerlichte in den vergangenen Jahren verschiedene Systeme und Philosophien, wenngleich er unter Louis van Gaal, Pep Guardiola und Ancelotti zwar weiter als Assistent arbeitete, aber nicht mehr als hauptamtlicher Co-Trainer.

"Ein Vorteil von Gerland ist, dass er den Verein in und auswendig und auch die Mannschaft im Detail kennt. Gepaart mit seiner großen Erfahrung, sehe ich da nicht so große Probleme", schätzt Henke die Situation ein: "Er beherrscht das Handwerkszeug, das man als Trainer oder Co-Trainer haben muss. Egal, welches System das ist."

Für Spieler und Fans der beste Mann

Der Übergang wird für die Öffentlichkeit also kaum wahrnehmbar sein. Das wäre anders gewesen, wenn Ancelotti-Sohn Davide den Posten übernommen hätte. Der Einschnitt wäre größer, weil unerfahrener und riskanter, weil familienintern gewesen.

So aber ändert sich für die Spieler nur wenig: Eher werden sie die Bevollmächtigung des Ziehvaters Gerland als zusätzliche Sicherheit verstehen. Denn durch Gerlands Schule sind viele der späteren Stars aus der Bayern-Jugend gegangen. Müller, Badstuber, Lahm und Co. haben bei ihm gelernt. "Tiger ist für mich natürlich einer meiner wichtigsten Wegbegleiter und Förderer. Er hat mich damals immer schon gepusht, und klar, er hat mich auch gefordert ohne Ende", sagte Mats Hummels im Winter der tz.

Den größten Gefallen jedoch tut man mit der Personalentscheidung Gerland selbst. Der Mann, für den der Profifußball überhaupt ein riesiges Geschenk ist. Der sich 2010 einen seiner größten Träume erfüllen konnte, als er endlich auf dem Münchner Rathausbalkon mit der Meisterschale stehen durfte und Spieler und Fans ihm gesanglich versicherten, dass er der beste Mann sei.

Für Gerland ist diese Entscheidung von ganz oben wieder so ein Vertrauensverweis. Vielleicht sogar fast so ein großer wie damals, am 16. September 1972.

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