Man muss nur einen Monat zurückdenken, um sich an einen Abend zu erinnern, an dem beim FC Bayern einiges nicht so rund lief. Im Zentrum der Aufregung: Philipp Lahm.
Der Abend der Widersprüche und (Un-)Klarheiten hatte seinen Beginn in einer Meldung der Sport Bild, wonach Lahm seine Karriere am Saisonende beenden würde. Nach der Partie wusste niemand beim FCB so wirklich was davon, oder doch? Lahm jedenfalls stellte sich vor die Kameras und machte ganz deutlich klar: Im Sommer ist Schluss. Er widersprach dabei klar den Worten von Uli Hoeneß wenige Minuten zuvor.
Alle Beteiligten redeten sich um Kopf und Kragen, selbst am nächsten Tag noch. Die Art und Weise, wie Lahms Karriereende publik wurde, war eines Weltmeisters von 2014 und erst recht des mitgliederstärksten Fußballklubs der Welt schlichtweg unwürdig.
"Lived it. Loved it. Farewell beautiful game"
Xabi Alonso machte es ganz anders. Ein Schwarz-Weiß-Bild zierte am Donnerstagmorgen plötzlich seine Social-Media-Accounts. Darauf er selbst, der auf einem etwas rumpeligen Fußballplatz von der Kamera wegläuft, sich ein letztes Mal zu ihr umdreht und mit der linken Hand Lebewohl winkt. In der rechten: seine Fußballschuhe.
"Lived it. Loved it. Farewell beautiful game", steht jeweils unter den Bildern auf Facebook, Twitter und Instagram. Mehr braucht es gar nicht, um die Botschaft zu vermitteln. Die Melancholie des Bildes kommt perfekt zum Tragen. Besser hätte es kein Nostalgiker inszenieren können.
Xabi Alonso beendet nach fast 18 Jahren Profifußball im Sommer seine Karriere.
Vorbereitet. Durchsichtig. Würdig.
"Es war keine einfache Entscheidung, aber ich glaube, es ist der richtige Moment", erklärte Alonso, der 2014 von Real Madrid zu den Bayern kam, wenig später bei FC Bayern.tv. Nicht nur der Spieler, sondern auch der Klub hatten die Verkündung am Donnerstag viel besser vorbereitet und koordiniert als im Fall Lahm.
Auf den emotionalen Post des Spaniers - natürlich hat er es verdient, diese Bekanntmachung selbst zu machen - folgte das Interview mit dem Klubfernsehen, ehe vom FC Bayern auch die Einladung zur Pressekonferenz am Freitag um 12.30 Uhr versendet wurde. Neben Carlo Ancelotti wohnt der auch Alonso bei. Natürlich.
Alle Verantwortlichen zeigten ein Höchstmaß an Professionalität, die sie vor einem Monat noch hatten vermissen lassen. "Unvorbereitet. Undurchsichtig. Unwürdig", lautete damals die SPOX-Einordnung der Vorfälle. Diesmal konnte das Präfix getrost gestrichen werden.
"Es ist die richtige Zeit"
Alonso geht zum besten Zeitpunkt. Das sieht er selbst so. "Ich wollte immer lieber früher als zu spät aufhören. Ich fühle mich noch gut, aber ich glaube es ist die richtige Zeit", begründete er seinen Entschluss. In München hat er noch einen Vertrag bis Saisonende. Bereits im September hatte er erklärt, er könne sich nicht vorstellen, den Verein nochmal zu wechseln.
Dass ihm das hohe Level, auf dem er noch immer zu spielen vermag, deutlich mehr zu schaffen macht als noch vor ein paar Jahren, ist nicht wegzureden. Alonso ist sich dessen bewusst - genauso wie der Tatsache, dass er immer als ganz Großer in Erinnerung bleiben wird, wenn er jetzt abtritt, wo er noch im Stande ist, auch wirklich Großes zu leisten.
"Ich wollte meine Karriere auf dem höchsten Niveau beenden und Bayern ist das höchste Niveau", stellte er abschließend fest.
Alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt
Champions-League-Sieger 2005 und 2014, spanischer Meister 2012, Europameister 2008 und 2012, Weltmeister 2010 sowie zuletzt zweimal deutscher Meister und einmal DFB-Pokalsieger - es ist nur ein Auszug aus Alonsos beeindruckender Vita.
"Ich habe wirklich viel erlebt. Bei Real Sociedad, Liverpool, Real Madrid oder Bayern München. Das waren vier großartige Klubs. Dazu noch in der Nationalmannschaft. Ich hätte nie gedacht, so eine großartige Karriere zu haben, und ich hoffe, es kommt noch was dazu", äußerte sich Alonso am Donnerstag stolz.
Seine Karriere hat er mit den bedeutendsten Titeln längst gekrönt. Dennoch: Ein Triple hat er noch nie geholt. Es ist der letzte riesige Anreiz, den der 35-Jährige in dieser finalen Saison noch hat. Und es würde ihn neben dem FC Liverpool und Real Madrid, wo er längst ein Held der Vereinsgeschichten ist, auch in München in den Legendenstatus erheben.
Wer folgt im Mittelfeld nach Alonso?
Dort beginnt nun endgültig die heiße Planungsphase für die neue Saison. Zwar haben die Bayern mit Niklas Süle und Sebastian Rudy bereits zwei Neuverpflichtungen bekanntgegeben. Ob die Lücken, die Lahm und Alonso hinterlassen, allerdings wirklich mit dem vorhandenen Personal gefüllt werden sollen, ist zumindest fraglich.
In Renato Sanches oder Joshua Kimmich haben die Münchner einige potenzielle Kandidaten dafür schon in ihren Reihen. Ancelotti traut den Jungspunden aber womöglich noch nicht zu, die gestandenen Führungsspieler eins zu eins zu ersetzen. Gut möglich, dass noch eine große Lösung gefunden wird.
Klasse, Anstand, Stilsicherheit
"Der FC Bayern bedankt sich bei einem großartigen Spieler und Menschen, der den FC Bayern auf und neben dem Platz hervorragend vertreten hat", sagte Klub-Chef Karl-Heinz Rummenigge mit ehrlichen Worten. Es gilt als Gentlemen's Agreement im Business, dass man bei einer Trennung fair über die andere Partei spricht. Bei Alonso aber steckt viel mehr dahinter, nicht zuletzt sein tadelloser Charakter.
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Wie vor ihm schon Frank Lampard hat der Spanier zum Abtritt die elegante Variante gewählt. Die des Gentlemans. Der war Alonso in seiner Karriere nämlich immer. Ohne viel Geschwafel und Tamtam.
Der Mittelfeldmann zeichnete sich stets durch Klasse und Anstand aus. Auch jetzt, bei der Verkündung seines Karriereendes, ließ er nichts anbrennen. Philipp Lahm wird sich sicher noch einmal überlegen, ob er das nicht auch so schlicht und doch wirkungsvoll hätte haben können.
Alonso jedenfalls ist seinem Wesen treu geblieben. Von den ganz Großen im Weltfußball, zu denen er zweifellos gehört, ist er definitiv einer der stilsichersten. Und genau so vollendet er das, was später alle als sein Lebenswerk feiern werden.
Xabi Alonso im Steckbrief