David Niedermeier ist Leiter der Münchner Fußballschule. Der 39-Jährige spricht in einem Interview über die mangelnde Talentförderung beim FC Bayern München und glaubt, dass der Gewinn der Champions League für den Rekordmeister künftig utopisch sei.
Am Dienstag hat der FC Bayern seinen neuen Campus im Münchner Norden eröffnet. "In erster Linie kann man ein paar Talente mehr und früher holen. Die Infrastruktur war nicht Up to Date. Ich habe selbst mal die U11 bei Bayern trainiert - es war einfach alles zu eng an der Säbener Straße", sagt David Niedermeier zur tz.
Der Leiter der Münchner Fußballschule glaubt nicht, dass es den Bayern künftig gelingen werde, jedes Jahr ein Talent zu den Profis hoch zu ziehen: "Es muss ihnen eigentlich klar sein, dass sie das nicht hinkriegen. Die Bayern tun sich mit so etwas keinen Gefallen. Sie sollten sich an solchen Quoten gar nicht messen lassen. Sondern daran, wie viele Talente sie für den Profifußball ausbilden - die man per Leihvertrag auch wieder zurückholen kann."
Bayern bei Talentförderung im Liga-Vergleich hinten dran
Vereine wie Leipzig, Hoffenheim, Dortmund oder Schalke "hatten schon früher ein besseres Leistungszentrum und damit einen größeren Sogeffekt für Talente", argumentiert Niedermeier. "Sie haben schon früher mehr Geld in dem Sektor investiert. Und sie legen mehr Wert auf die Individualisierung."
Der FC dagegen mache "Suppentraining": "Da ist es bei wenigen Trainern für ein Team ja gar nicht drin, korrigierend individuell einzugreifen. So wird ein Bayern-Talent in seinem Bereich nicht zu dem Spezialisten wie zum Beispiel bei Hoffenheim. Da fehlt es den Bayern noch an Know-How - meiner Meinung nach übrigens bis hoch in die Spitze bei den verantwortlichen Personen."
Gaudino und Scholl als Sinnbilder für Mängel
Niedermeier veranschaulicht diese These am Beispiel der Talente Lukas Scholl und Gianluca Gaudino, die es nicht schafften, sich dauerhaft im Profiteam zu etablieren: "Es will ja keiner hören in dieser sensiblen Branche - aber ich traue mich zu sagen, dass bei Bayern Potenzial offen liegt."
Ein Talent sollte, erklärte Niedermeier weiter, "von Beginn an bestmöglich betreut werden, es sollte einen Karriereplan geben. Wenn ein Talent zum Beispiel beim Sprung in den Profibereich ein halbes Jahr auf der Bank sitzt, ist das tödlich. So ein Bruch wie bei Lukas Scholl oder Gianluca Gaudino, die irgendwo dazwischen mitgeschwommen sind, das zerstört ein Talent, seine Tiefenmuskulatur genauso wie seine Psyche."
Aufgrund der aktuellen Verschiebungen auf dem Transfermarkt glaubt Niedermeier, dass der Gewinn der Champions League für den FCB utopisch geworden ist: "Ich denke, das wird auf Jahre hinaus nicht mehr passieren. Bei normalem Verlauf. Die Bayern verfuhren immer super: Jedes Jahr zwei Top-Stars, dazu Spieler wie Süle und Sebastian Rudy, die sich hinten anstellen. Die Mischung stimmte. Nur bekommen sie die Stars in Zukunft nicht mehr. Wobei die Briten zum Beispiel noch wild einkaufen. [...] Sie machen bisher den Markt kaputt, sonst nichts. Aber ich denke, sie werden bald dazulernen."