Als Held des Abends hätte Gareth Bale in diesem Moment auch andere Gedanken haben können. Sich bei denen bedanken, die immer an ihn geglaubt haben. Seinen eigenen Anteil kleinreden und stattdessen das Team in den Vordergrund rücken. Oder sich selbst eben für das vielleicht schönste Tor der Champions-League-Geschichte feiern. All das wäre menschlich verständlich gewesen.
Statt über seine Galavorstellung in Kiew gegen den FC Liverpool sprach allerdings Bale mit einer gehörigen Portion Verbitterung über seine Situation bei Real Madrid: "Ich muss Woche für Woche spielen und das ist in diesem Jahr nicht passiert. Ich war nur am Anfang der Saison fünf, sechs Wochen verletzt. Seitdem war ich immer fit, aber ich habe trotzdem wenig gespielt", sagte der Waliser zu BT Sport.
Bale nach Champions-League-Finale frustriert
Der Frust darüber, wie so oft in dieser Saison zu Beginn des Finals in der Königsklasse auf der Bank gesessen zu haben, überwog die Freude über seine spielentscheidende Performance nach der Einwechslung.
Entsprechend stellte er auch seine Zukunft bei Real in Frage: "Ich will mehr spielen und wenn ich die Minuten nicht bei Real bekomme, dann muss ich sie woanders suchen. Ich muss mit meinem Berater über meine Zukunft reden. Vielleicht bleibe ich, vielleicht aber auch nicht."
Gareth Bale: Leistungsdaten in der Saison 2017/2018 für Real Madrid
Wettbewerb | Einsätze | Tore | Assists |
Insgesamt | 39 | 21 | 8 |
LaLiga | 26 | 16 | 4 |
Champions League | 7 | 3 | 2 |
FIFA Klub-WM | 2 | 1 | 0 |
Copa del Rey | 2 | 1 | 1 |
UEFA Supercup | 1 | 0 | 1 |
Supercopa | 1 | 0 | 0 |
Gareth Bale zu Manchester United oder zum FC Bayern?
Diese Aussage saß. Sie war alles andere als ein Treueschwur und befeuerte stattdessen die seit Wochen und Monaten schwelenden Wechselgerüchte um den ehemals teuersten Fußballer der Welt umso mehr.
Am Montag kursierten in englischen Medien vor allem zwei potentielle Abnehmer für den 28-Jährigen. Der Telegraph berichtete, die wahrscheinlichsten Ziele für Bale seien Manchester United und der FC Bayern München.
Demnach sei ein Wechsel zurück in die Premier League alles andere als sicher. Stattdessen bezog sich der Telegraph auf spielernahe Quellen, laut denen der FC Bayern für Bale eine "reizvolle Möglichkeit" sei.
Bale: "FC Bayern hat eine fantastische Mannschaft"
Außerdem habe er einen möglichen Wechsel nach München bereits im April in einem "strategischen Interview" mit der Sport Bild vorbereitet. Damals sagte Bale: "Der FC Bayern hat eine fantastische Mannschaft und war auch in der Vergangenheit schon immer einer der erfolgreichsten Vereine Europas. Mit diesem Klub in Verbindung gebracht zu werden, ist für jeden eine Ehre. Stand jetzt bin ich aber Spieler von Real Madrid."
Aussagen mit dem Zusatz "Stand jetzt" hatten zuletzt Konjunktur im Bayern-Kosmos. Niko Kovac lässt grüßen.
Bale als Nachfolger für Robben und Ribery?
Eine Verpflichtung Bales würde aus Sicht des FC Bayern Sinn ergeben. Er wäre für die offensiven Flügelpositionen eine echte Verstärkung und könnte den Übergang von Arjen Robben und Franck Ribery in eine neue Zeitrechnung auf allerhöchstem Niveau garantieren.
Die beiden Vereinsikonen verlängerten ihre Verträge zwar kürzlich noch jeweils um ein Jahr. Mit 34 (Robben) und 35 Jahren ist ihre Ablösung als Vollzeit-Stammkräfte jedoch bald überfällig. Kingsley Coman deutete in dieser Saison an, dass er das Zeug für die Weltklasse hat. Über Rückkehrer Serge Gnabry steht aufgrund zahlreicher Verletzungen und bislang fehlenden Beweisen auf höchster internationaler Bühne dagegen ein Fragezeichen.
Eine Verpflichtung Bales dagegen hätte Signalwirkung. Es wäre ein Statement dahingehend, dass die Bayern nicht abreißen lassen, sondern in die Vollen gehen wollen.
Bale passt zum FC Bayern
Sportlich passt Bale genau in das Profil eines möglichen Robbery-Nachfolgers. Er ist offensiv flexibel einsetzbar, kann auf beiden Flügelpositionen und zentral stürmen. Den größten Mehrwert brächte seine Geschwindigkeit. Die Geschwindigkeit, die bei den Bayern zuletzt in Abwesenheit der verletzten Coman und Robben einzig noch Ribery auf den Platz brachte.
Zwar schlug Bale die Kritik in den vergangenen Jahren konstant ins Gesicht. Dennoch können sich seine Zahlen bei Real sehen lassen: In 126 LaLiga-Spielen erzielte er 70 Tore.
Bale ist ein Spieler für die besonderen Momente
Zudem bewies er, dass er einen Impact auf entscheidende Spiele haben kann. In fünf Jahren bei Real gewann er viermal die Champions League, dabei entschied er zwei Finals durch das goldene Tor (2014 gegen Atletico, 2018 gegen Liverpool) und war zudem in einem Finale mit einem Assist und einem Treffer im Elfmeterschießen (2016 gegen Atletico) maßgeblich beteiligt. Unvergessen bleibt zudem sein Treffer zum Copa-del-Rey-Sieg 2014 gegen Barcelona nach überragendem Sololauf.
Bale ist ein Spieler für die großen Momente. Einen solchen hatten die Bayern zuletzt vermisst, als sich in den entscheidenden Partien der Saison die individuellen Fehler häuften.
Auch für die internationale Strahlkraft wäre eine Verpflichtung Bales von Vorteil. Ein Argument, das mindestens auf Karl-Heinz Rummenigges Pro-Contra-Liste stehen wird. Bale wäre auf dem englischsprachigen Markt, besonders in den USA, ein attraktiver Selling Point für die Bayern.
Dennoch sind Zweifel daran berechtigt, dass ein Bale-Transfer nach München tatsächlich realistisch ist.
Bale keine potentielle Identifikationsfigur für den FC Bayern
Eine Verpflichtung des Walisers wäre ein Zeichen gegen das Mia san Mia, das seit der Wieder-Inthronisierung von Uli Hoeneß allgegenwärtig ist. Bale ist kein Gefühlsmensch, den sie in München zum Publikumsliebling und zur Identifikationsfigur aufbauen können, wie es derzeit Ribery oder Robben sind.
In fünf Jahren Real hat Bale noch nicht Spanisch gelernt, ist in der Mannschaft häufig sozial isoliert. Weil er sich zudem nie demonstrativ mit dem Verein identifizierte, wurden auch die Fans nie richtig warm mit ihm.
Darüber hinaus machten die Bayern außer mit Owen Hargreaves, der das Trikot von 2000 bis 2007 trug und beim Champions-League-Sieg 2001 im Finale gegen Valencia 120 Minuten durchspielte, nur wenige Erfahrungen mit britischen oder englischsprachigen Spielern. Das Experiment mit Landon Donovan ging schief, wenngleich auf einem grundsätzlich anderen Level.
Bale könnte die finanziellen Sphären der Bundesliga sprengen
Außerdem dürfte ein Bale-Transfer alle finanziellen Sphären der Bundesliga aufsprengen. Die festgelegte Ablöse liegt bei einer Milliarde Euro. Diese müssten die Münchner zwar sicherlich nicht berappen, deutlich unter den 100 Millionen, die Real vor fünf Jahren für Bale investierte, läge die Summe aber nicht.
Obendrauf käme das Jahresgehalt, bei dem Bale unter den bestverdienenden Spielern der Welt liegt. Angeblich streicht er aktuell über 35 Millionen Euro pro Jahr ein. Für Reis und Bohnen würde er in München gewiss nicht spielen.
Die Gerüchte stellen den zuletzt öffentlich ausgetragenen Dissens der Bayern-Bosse über die künftige Ausrichtung auf die Probe. Während Rummenigge ankündigte, der Verein werde "irgendwann springen müssen, wenn wir einen Spieler unbedingt haben wollen und dieser 80 oder 90 Millionen Euro kostet", schob Hoeneß Megatransfers einen Riegel vor: "Wir werden nichts mehr investieren, sondern unsere Spieler dazu bringen, besser zu spielen." Statt weitere Neuzugänge zu verpflichten, wolle man den Kader eher ausdünnen.
Sollten die Bayern am Ende tatsächlich die Bombe einer Bale-Verpflichtung platzen lassen, wäre dies nach den jüngsten Aussagen als klarer Punktsieg Rummenigges im Machtkampf gegen Hoeneß zu verstehen.
Bislang ist die Diskussion eine abstrakte. Bales Aussagen am Samstagabend in Kiew jedoch könnten eine neue Dynamik hineinbringen. Denn in diesem Moment eröffnete der Waliser das Wettrennen der wilden Spekulationen. Wirklich um einen Wechsel zu erzwingen? Oder einfach um seine Position bei Real zu stärken?
Fakt ist: Bales Vertrag bei den Königlichen läuft noch bis 2022 und er ist auch in der nächsten Saison Real-Spieler. Stand jetzt ...