Robert Lewandowskis Berater Pini Zahavi hat die Diskussion um einen Abgang des Angreifers vom FC Bayern München erneut befeuert und bestätigt, dass der Pole seinen Wechselwunsch bei den Vereinsverantwortlichen zum Ausdruck gebracht habe. Wie sollte sich der Rekordmeister in der Causa Lewandowski verhalten? Soll er an seinem Wechselveto festhalten oder dem Druck zum Wohle der Atmosphäre stattgeben? Die SPOX-Redakteure Oliver Mehring und Jochen Rabe diskutieren im Kopfballpendel.
Pro Verkauf: "Das kann sich der FC Bayern nicht gefallen lassen"
Von SPOX-Redakteur Oliver Mehring
Lewandowski gehört zweifelsohne zu den gefährlichsten Angreifern der Welt, ist auf der Höhe seines Schaffens und verkörpert zumindest spielerisch den Prototyp eines modernen Mittelstürmers.
Doch dann kommen die großen Fragezeichen. Will der FC Bayern einen solchen Stinkstiefel in den eigenen Reihen? Braucht es unbedingt einen Weltklasse-Mittelstürmer, wenn der letzte Champions-League-Sieg auch mit den Spielern Mandzukic und Gomez gelungen ist? Wäre nicht jetzt der perfekte Zeitpunkt, Lewandowski in diesen überhitzten Markt zu schmeißen und zu warten, bis Real, PSG oder ein verrückter Engländer um die Ecke kommen und eine dreistellige Millionensumme hinlegen?
FC Bayern war immer stolz auf sein Mia san mia
Der FC Bayern war immer stolz auf seine familiäre DNA, auf die Verschmelzung von über 20 Individualisten unter dem Banner Mia san mia. Diesem Credo will Lewandowski mit seinen Berater-Scharmützeln offenbar nicht folgen und untergräbt damit die Identität des Vereins. Wie giftig solch ein Verhalten für einen Verein sein kann, zeigen zahlreiche Beispiele der Vergangenheit.
Das kann sich der FC Bayern nicht gefallen lassen. Deswegen sollte er ihn abgeben.
Weltklasse-Mittelstürmer ist nicht mehr zwangsläufig nötig
Zumal die aktuellen Entwicklungen im Fußball zeigen, dass ein Weltklasse-Mittelstürmer nicht mehr zwangsläufig der Fixpunkt einer erfolgreichen Offensive sein muss. Seit 2012, als Chelsea mit Didier Drogba den Henkelpott holte, gewann kein Team mehr die Champions League, das den klassischen Torjäger als zentrale Figur seiner Angriffsreihe installiert hatte.
Vielmehr waren und sind es Flügelstürmer, hängende Spitzen, offensive Alleskönner, die seit Jahren die entscheidenden Bausteine für erfolgreiche Top-Mannschaften bilden.
Auch die letzten Welt- und Europameister feierten ohne die omnipräsente Neun ihre Titel.
Markt für Lewandowski ist da
Dennoch wird es einen Markt für Lewandowski geben, der sich aktuell im besten Fußballeralter befindet und deshalb sollte der FC Bayern durch den Verkauf von Lewandowski auch eine ordentliche Summe erhalten.
Dieses Geld könnte anschließend in den Kauf eines Ribery/Robben-Nachfolgers fließen und in einen Stürmer investiert werden, der mit hundertprozentiger Begeisterung für die Bayern auf Torejagd geht. Der in einem Champions-League-Halbfinale nicht nach ein bis zwei missglückten Aktionen sofort lustlos abwinkt. Der in den entscheidenden Situationen mit vollem Einsatz und absoluter Konzentration zu Werke geht.
Die Bundesliga-Torjägerkrone? Geschenkt! Ja, Karl-Heinz Rummenigge würde im ersten Moment vermeintlich an Glaubwürdigkeit verlieren, doch seine vormaligen Statements lassen sich leicht wegargumentieren: Wer sein Blatt am Tisch gut verkaufen will, muss bluffen - und das vor allem zum Wohle des Vereins.
Contra Verkauf: "Die Frage nach der Alternative beendet jede Diskussion"
Von SPOX-Redakteur Jochen Rabe
Der FC Bayern kann Lewandowski nicht abgeben. Und schon gar nicht unter diesen Umständen.
Lewandowski wäre der erste unersetzbare Stammspieler und Leistungsträger, den die Bayern gegen ihren Willen an einen Konkurrenten abgeben.
Bei Michael Ballack lief seinerzeit der Vertrag aus, bei Toni Kroos legte sich der Verein nicht wirklich ins Zeug, um ihn vom Bleiben zu überzeugen. Dagegen blieb der deutsche Rekordmeister unter anderem bei Franck Ribery oder Philipp Lahm trotz Angeboten in schwindelerregender Höhe hart. Weil sie in den sportlichen Planungen eine wichtige Rolle spielten und sich der FC Bayern qua Definition nicht als Verkaufsverein einordnet.
Rummenigge und Hoeneß bekämen ein Glaubwürdigkeitsproblem
Alleine dadurch, dass sie mit diesem Credo brechen, würden die Bayern ihr Gesicht noch nicht verlieren. Allerdings haben sich sowohl Karl-Heinz Rummenigge ("Die Wette nehme ich gerne an, dass Robert in der nächsten Saison hundertprozentig bei Bayern München spielen wird.") und Uli Hoeneß ("Wir werden der Fußballwelt beweisen, dass der Verein noch immer der Stärkere ist.") in einer derart deutlichen Art und Weise positioniert, dass ein Einknicken einen spürbaren Glaubwürdigkeitsverlust bedeuten würde.
Zumal das ja keine singulären Aussagen waren. Die Gerüchte kochen seit Monaten beinahe im Wochenrhythmus hoch und die Bosse haben ihr Veto immer und immer wieder erneuert.
Lewandowski-Causa anders als Dembele und Aubameyang
Es besteht die Gefahr eines Präzedenzfalls. Bei den Beispielen Ousmane Dembele und Pierre-Emerick Aubameyang in Dortmund stellten sich die Bayern mit breiter Brust hin und verkündeten, so etwas werde in München niemals passieren.
Ja, die Causa Lewandowski ist eine grundlegend andere. Er versucht auf geschickterem Wege, seinen Wechsel zu forcieren. Er stellt sich nicht selbst ins Rampenlicht und stellt lautstark Forderungen. Stattdessen lässt er seine Körpersprache im Training und im Spiel sprechen. Stattdessen streuen seine Berater Gerüchte oder äußern sich vielsagend. Es ist eine Erpressung der anderen Art.
Wenn die Vereinsverantwortlichen sich darauf einlassen, zeigen sie, dass man es mit ihnen eben doch machen kann.
Alternativen? Cavani, Griezmann, Kane und Dybala nicht bezahlbar
Neben dem Argument des potentiellen Gesichtsverlusts muss der FC Bayern Lewandowski aber auch aus sportlichen Gründen halten.
Die Diskussion um die angeblich fehlende Topqualität Lewandowskis nach den Champions-League-Halbfinals ist populistisch und tut ihm Unrecht. Seine Zahlen sprechen für sich. Die 41 Pflichtspieltore in 2017/2018 garantiert den Bayern in einer Saison kaum ein anderer Stürmer weltweit.
Die Leistungsdaten von Robert Lewandowski beim FC Bayern
Saison | Einsätze | Tore | Vorlagen | Minuten |
17/18 | 48 | 41 | 5 | 3.757 |
16/17 | 47 | 43 | 10 | 4.021 |
15/16 | 51 | 42 | 7 | 4.236 |
14/15 | 49 | 25 | 13 | 4.003 |
Und genau das ist der Punkt: Die Frage nach der Alternative beendet sofort jede Diskussion. Angreifer auf absolutem Topniveau wie Edinson Cavani, Antoine Griezmann, Harry Kane oder Paulo Dybala sind für die Bayern nicht zu bezahlen. Bzw. wollen sie diese Gehälter nicht bezahlen. Alvaro Morata ist zumindest keine Tormaschine wie Lewandowski. Bei Mauro Icardi stellt sich die Frage nach der charakterlichen Eignung. Also genau die Frage, die angeblich gegen Lewandowski sprechen soll. Die nationale Lösung mit Timo Werner wäre ein Vorgriff für die Zukunft. Die konstanteste Saison hat dieser aber auch nicht hinter sich.
Unter dem Strich bleibt die Erkenntnis, dass ein Wechselveto für den FC Bayern alternativlos ist. Und allein wegen seines sportlichen Ehrgeizes wird Lewandowski vermutlich nicht bis zum Ende seiner Vertragslaufzeit 2021 bocken und seine Leistung verweigern.