Lucas Hernandez wechselt von Atletico Madrid zum FC Bayern München und wird mit einer Ablösesumme von 80 Millionen Euro der teuerste Neuzugang der Bundesligageschichte. Warum ist der Franzose dem FCB so viel wert? Was bedeutet sein Transfer für Jerome Boateng, Mats Hummels oder David Alaba? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen zum Hernandez-Wechsel.
80 Millionen - warum ist Hernandez den Bayern so viel wert?
In allererster Linie liegt das an der festgeschriebenen Ablösesumme, die Atletico in den Vertrag von Hernandez verankert hatte. Diese Klauseln sind in Spanien üblich und meist recht hoch angesetzt, um potentielle Interessenten fürs Erste abzuschrecken.
In Zeiten explodierender Ablösesummen ist die Zahl jedoch keinen besonders empörten Aufschrei mehr wert. Zumal wie immer der Markt den Preis bestimmt - und das Spielerprofil von Hernandez so exquisit ist, dass man für ihn schon eine solch hohe Summe hinlegen muss.
Der Franzose gehört zu den wenigen sehr starken Linksverteidigern auf diesem Planeten und ist auch wie häufiger bei Atletico zu sehen noch als sehr guter Innenverteidiger einsetzbar.
Was den 23-Jährigen zudem so begehrt macht: Er wurde in Madrid von Trainer Diego Simeone ausgebildet. Hernandez ist also durch eine Willensschulung gegangen, die im europäischen Fußball seinesgleichen sucht und mit einer der Gründe ist, weshalb Atleticos Defensive seit Jahren zu den besten der Welt gehört.
Hernandez ist somit taktisch auf höchstem Niveau geschult, unnachgiebig im Zweikampf, schnell und noch dazu für einen Abwehrspieler erstaunlich beweglich. Hinzu kommt der mit der Equipe Tricolore gewonnene Weltmeistertitel 2018 - und schon sind die 80 Millionen halbwegs erklärbar.
Das leuchtete wohl auch Bayern-Präsident Uli Hoeneß ein, der noch für rund zwei Jahren ausschloss, dass der FCB jemals 100 Millionen Euro für einen Spieler ausgeben wird. Hoeneß ist damit nicht widerlegt, für Hernandez scheint er seine einst so felsenfest vorgetragene Überzeugung jedoch deutlich gelockert zu haben.
Welche Position wird Hernandez beim FC Bayern bekleiden?
Hernandez ist nicht für nur eine spezielle Position geholt worden, sondern ist wie beschrieben vielseitig einsetzbar. In 110 Pflichtspielen für Atletico lief der Allrounder 56 Mal als Innen- und 52 Mal als Außenverteidiger auf.
"Innen ist er ein Monster," schwärmte Atletico-Coach Diego Simeone von ihm. Dieser stellte ihn in dieser Spielzeit zumeist als Partner von Diego Godin auf.
Als zentraler Verteidiger überzeugte er schon in den Jugendmannschaften der Colchoneros. Den endgültigen Durchbruch zum Stammspieler bei Atletico schaffte er jedoch als Linksverteidiger.
Aufgrund seiner Schnelligkeit ist die Außenposition für den Linksfuß aber kein Problem, weshalb er in der französischen Nationalelf bei seinen 15 Einsätzen ausschließlich dort zum Einsatz kam. Unter Trainer Didier Deschamps war er ein entscheidender Faktor der starken Defensive beim WM-Gewinn 2018.
Bei den Bayern ist er für beide Positionen eingeplant und verhilft Trainer Niko Kovac zu mehr Flexibilität in der Abwehr. Denkbar wäre zudem, dass die Bayern im Sommer an weiteren Spielsystemen arbeiten. So könnte Kovac eine Dreierkette, die er oftmals in Frankfurt spielen ließ, mit Hernandez als linkem Halbverteidiger einüben.
Oder der Coach lässt ihn gar im Mittelfeld auflaufen? Das soll laut Kovac auch eine Option sein: "Er kann alles spielen. Er ist variabel einsetzbar. Er ist meistens in der Innenverteidgung und als Außenverteidiger aufgelaufen. Zudem kann er auch im Mittelfeld spielen. Das ist gut so und deswegen freuen wir uns auf ihn."
Lucas Hernandez: Statistiken in der LaLiga-Saison 2018/19
Einsätze | 14 |
Gespielte Minuten | 1.118 |
Zweikämpfe gewonnen | 67,8% |
Luftzweikämpfe gewonnen | 62,9% |
Erfolgreiche Tackles | 71% |
Klärende Aktionen | 47 |
Blocks | 9 |
Pässe | 509 |
Passquote | 81% |
Flankenquote | 30% |
Was bedeutet der Transfer für Hummels, Boateng und Alaba?
Eines dürfte klar sein: Für 80 Millionen Euro verpflichten die Bayern keinen Backup für die arrivierten David Alaba, Mats Hummels und Jerome Boateng. Hernandez wird, sobald genesen, auf eine hohe Anzahl an Einsatzzeiten kommen.
Der bislang recht konkurrenzlose Alaba bekommt einen vom Niveau her gleichwertigen Spieler auf seiner Position als Kontrahenten, dürfte von Hernandez' Wechsel jedoch nicht so sehr betroffen zu sein wie die ehemalige DFB-Weltmeister-Innenverteidigung. Hernandez könnte dem Österreicher vielmehr häufigere Pausen verschaffen oder eben als zentraler Defensivakteur mit ihm gemeinsam auflaufen.
Im Zentrum dagegen könnte der Transfer auf einen Abschied von Boateng hindeuten. Der 30-Jährige stand schon im vergangenen Sommer mit einem Bein vor dem Absprung ins, mittlerweile hat ihm auch Niklas Süle intern den Rang abgelaufen.
Süle und Hernandez sind als das Innenverteidigerpärchen der Zukunft geplant, was die Einsatzchancen von Boateng und wahrscheinlich auch von Hummels verringern dürfte. Einer der beiden, diese These ist nicht allzu gewagt, wird bald nicht mehr im Bayern-Trikot zu sehen sein.
Zumal zusätzlich mit Benjamin Pavard ein weiterer polyvalenter Weltmeister im Sommer zum Team stoßen wird. Auch Javi Martinez kann in der Defensivzentrale aushelfen - und mit sechs potenziellen Innenverteidigern wird der FCB garantiert nicht in die neue Saison gehen.
Was hat es mit Hernandez' Knieverletzung auf sich?
Wie sehr die Bayern von Hernandez überzeugt sein müssen, belegt allein die Tatsache, dass sie den Franzosen kaufen, obwohl bei der sportmedizinischen Untersuchung durch das Ärzteteam um Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wolfarth ein Innenband-Schaden im rechten Knie festgestellt wurde.
Hernandez wurde bereits am Mittwoch operiert. Nach Angaben der Münchner Tageszeitung tz soll es Atleticos Wunsch gewesen sein, die Blessur konservativ ohne OP zu behandeln. Das soll wiederum den Bayern nicht gepasst haben.
Die Prognose von Bayerns Chefarzt Müller-Wohlfahrt lautete: Hernandez wird "nach meiner Erfahrung" zum Bundesligastart 2019/20 wieder mit dabei sein.
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Teilnahme des Franzosen am 1. Spieltag der neuen Spielzeit keinesfalls sicher ist und er auch definitiv große Teile der Saisonvorbereitung verpassen wird. "Zum ersten Spieltag sollte er fit sein. Das heißt nicht zwangsläufig, dass er beim ersten Training aufschlagen wird", sagte Kovac.
Dies wiederum verringert das Risiko des Wechsels natürlich nicht, denn für Hernandez kommt somit nicht nur die größte Verletzung seiner Karriere auf ihn zu, sondern währenddessen auch noch der erste Wechsel ins Ausland und die nötige Anpassung an das neue, ungewohnte Umfeld.
Für Hernandez, der im Dezember einen Monat mit einer Knieblessur ausfiel und in seiner Zeit in Madrid auch schon mit drei Oberschenkelverletzungen zu kämpfen hatte, wird die "neue Herausforderung beim FC Bayern" also auch gleich vom Start weg die größte seiner bisherigen Laufbahn werden.