Ein ungemütlicher, nieselregenreicher Samstagnachmittag im Münchner Norden. Viele Besucher mummelten sich in ihre noch einmal aus dem Schrank gekramten Winterjacken, während sie das Treiben auf dem Rasen beobachteten.
Sie sahen das, was in dieser Saison beinahe schon zur Tradition geworden ist: Der FC Bayern tut sich vor heimischer Kulisse gegen einen nominell völlig unterlegenen Gegner, diesmal Schlusslicht Hannover 96, schwer.
Obwohl die Niedersachsen eigentlich keine großen Anstalten machten, irgendetwas Zählbares aus der bayerischen Landeshauptstadt entführen zu wollen, obwohl Hannover zehn Minuten nach dem Seitenwechsel einen Mann weniger hatte.
Alles lief auf einen dieser typischen und viel zitierten Arbeitssiege hin, der spätestens mit Franck Riberys Tor zum 3:1 in Stein gemeißelt wurde. Noch einmal ein kurzes, kollektives Aufspringen im Rund. Für den französischen Altstar, gegen die Nässe in den Gliedern.
Robbens Einwechslung: Der Gänsehaut-Moment des Tages
Und dann kam er doch noch, der ganz große Moment der Emotionen. Kurz nachdem Ribery sich hatte feiern lassen, stand sein langjähriger Kollege und Freund Arjen Robben an der Seitenlinie.
Stehende Ovationen in der Allianz Arena, tosender Applaus, als Kingsley Coman ihm entgegenlief, um Platz für den Niederländer zu machen. Stadionsprecher Stephan Lehmann, hörbar euphorisiert, animierte das Publikum, Robben ein besonders herzliches Willkommen zu bescheren.
"Ladies and Gentlemen, unser Mr. Wembley is back", schallte es über die Lautsprecher ins Rund. "Hier ist - im Team des FC Bayern München - unsere Nummer zehn, Arjen Robben." Vier Minuten durfte er mitwirken. Vier Minuten, die die Südkurve dazu nutzte, das nach dem Champions-League-Finale 2013 etablierte Lied "der Arjen hats gemacht" auf die Melodie von Matthias Reims "ich hab geträumt von dir" in Dauerschleife zu singen.
Robben: "Dann fällt man plötzlich wieder runter"
Fünfeinhalb Monate mussten die FCB-Anhänger darauf warten, ihrem Helden endlich wieder zujubeln zu dürfen. Eine Zeit, die geprägt war von rätselhaften Verletzungen und immer wieder verschobenen Comebacks. Zwischenzeitlich wurde sogar darüber spekuliert, dass der 35-Jährige kein einziges Spiel mehr für den Rekordmeister machen würde.
Dementsprechend nachdenklich präsentierte sich Robben im Anschluss an die Partie in der Mixed Zone: "Ein paar Mal ging es bergauf, aber dann fällt man plötzlich wieder runter", erinnerte er sich zu Beginn des Gesprächs mit den anwesenden Reportern.
"Man muss sich dann auch immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass hier auch 70.000 Menschen im Stadion sind, die ebenfalls mit Problemen im Leben zu kämpfen haben. Aber, wenn du nicht das machen kannst, was du am liebsten tust, dann ist das sehr schwer."
Robben: "Ein sehr emotionaler, schöner Moment"
Umso mehr freute er sich, dass er seiner Leidenschaft zumindest einige Minuten wieder nachgehen konnte. "Das war ein sehr emotionaler, schöner Moment. Ich bin sehr, sehr dankbar, dass die Fans mich so empfangen haben", schwärmte er mit Hinblick auf den ekstatischen Empfang.
Er schob nach: "Das genießt man natürlich, von mir aus hätte das Spiel gerne noch eine halbe Stunde lang dauern können. Ich hätte gerne noch weitergespielt."
Auch Teamkollege Joshua Kimmich zeigte sich schwer beeindruckt vom Moment der Robben-Einwechslung.
"Das war ein Gänsehaut-Moment. Die Fans haben nur über Arjen gesungen", sagte der Rechtsverteidiger und ergänzte: "Was er und Franck (Ribery, Anm. d. Red.) für den Verein geleistet haben, wie viele wichtige Tore speziell Arjen gemacht hat, ist unglaublich. Er hat den Verein in den vergangenen Jahren geprägt und dafür gesorgt, dass er jetzt dort steht, wo er steht."
Robben über seine Zukunft: "Alles ist möglich"
Nach zehn Jahren ist am Ende der Saison Schluss für Robben. Zumindest als Spieler des FC Bayern, das steht bereits seit geraumer Zeit fest. Wie es dann weiter geht, weiß der Flügelflitzer selbst noch nicht.
"Ich habe noch keine Entscheidung getroffen", verriet er bezüglich seiner Zukunft. Er wolle gerne weiterspielen, aber definitiv nicht noch einmal eine derart schwierige Phase wie die vergangenen Monate durchleben.
Auch ein Sabbatjahr mit anschließender Funktion im operativen Geschäft bei den Münchnern komme infrage. "Alles ist möglich."
Robben träumt von Titel-Sause bei letztem Heimspiel
Allzu weit nach vorne richtete Robben seinen Blick ohnehin noch nicht. Immerhin stehen noch drei wichtige Partien an.
"Wir haben jetzt erst einmal das schwierige Spiel in Leipzig und dann kommt das Spiel, das für mich sicherlich am schönsten wird. Das letzte Heimspiel. Nach zehn Jahren hoffe ich, noch einmal in der Allianz Arena auflaufen zu dürfen und dass wir dann die Meisterschaft feiern. Das wäre ein Traum."
Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht, dass zumindest ein Teil seines Traumes, nämlich der Gewinn der Meisterschaft, nur wenige Stunden später in greifbare Nähe rücken sollte. Weil im Norden der Republik ein anderer legendärer Oldie, namentlich Claudio Pizarro, Bayerns Titelrivalen Borussia Dortmund einen folgenschweren Treffer einschenkte.
Niko Kovac: "Kann niemandem etwas garantieren"
Ein wenig gedämpft wurde die Robben'sche Comeback-Party und der Wunsch nach einem traumhaften Abschied letztlich nur von Trainer Niko Kovac. Der ließ sich nicht zu einem Versprechen bewegen, seinem Routinier in den ausstehenden Begegnungen definitiv Spielzeit zu gewähren.
"Wir werden versuchen, ihm seine Minuten zu geben. Aber ich kann niemandem etwas garantieren. Das ist spiel- und ergebnisabhängig", sagte Kovac auf der Pressekonferenz.
Eine Ansage, die er wahrscheinlich so machen muss, das gebietet die Professionalität im Kampf um Meisterschaft und DFB-Pokal. Denn, mal ehrlich: Es glaubt doch niemand, dass Kovac einem der verdientesten Bayern-Spieler der Klubgeschichte einen gescheiten Abschied verwehrt.
Dann würden die Zuschauer, die am Samstagnachmittag für ihren Wembley-Helden aufstanden, aus einem anderen Grund aus den Schalensitzen springen. Um ihrem Ärger Ausdruck zu verleihen, um auf die Barrikaden zu gehen.