Vorrunden-Debakel 2014, Achtelfinal-Aus 2018: Die "Seleccion", so nennen sie in Spanien ihre Nationalmannschaft, hatte nach ihrer "Prime Time" mit dem Höhepunkt WM-Titel in Südafrika nicht unbedingt ihre besten Zeiten. Da wirkte der Triumph der "kleinen" U21 bei der Europameisterschaft in Italien und San Marino vor drei Wochen fast schon wie Balsam auf die spanische Seele.
Vor allem auch, weil die Mannschaft von Trainer Luis de la Fuente mit ihrer Spielsicherheit den Eindruck hinterließ, eine neue Goldene Generation einläuten zu können. Besonders wenig Sorgen müssen sich die Iberer um die Suche nach einem Spieler machen, der eines Tages mal in die Fußstapfen von Sergio Busquets, dem mittlerweile 30 Jahre alten Bilderbuch-Sechser des FC Barcelona, tritt.
Da haben sie ja schon Rodrigo Hernandez, einen 23-Jährigen, der auf Geheiß von Busquets-Mentor Pep Guardiola gerade für 70 Millionen Euro von Atletico Madrid zu Manchester City gewechselt ist. Oder Marcos Llorente, einen 24-Jährigen, der seine Vergangenheit bei Real Madrid hinter sich gelassen und gerade für 30 Millionen Euro Rodrigos Nachfolge bei den "Rojiblancos" angetreten hat.
Und sie haben ja auch noch Marc Roca. Einen weiteren hochbegabten Staubsauger mit Tiki-Taka-DNA, der mit einer bemerkenswerten Laufbereitschaft und einer harmonischen Mischung aus Spielintelligenz und Aggressivität aufwartet.
Roca: Salihamidzic geht offenbar in die Vollen
Im Gegensatz zu Rodrigo und Llorente war der 22 Jahre alte Profi von Espanyol Barcelona bei der U21-EM mit von der Partie. Er hielt den offensiveren Ballvirtuosen Dani Ceballos und Fabian Ruiz den Rücken frei, dirigierte und organisierte, bestach durch Ruhe und Übersicht.
Den Verantwortlichen des FC Bayern entgingen die starken Auftritte von Roca, der auch beim 2:1-Sieg im Endspiel gegen Deutschland durchspielte, nicht. Sie hatten ihn ohnehin schon länger - auch schon vor der Absage von Wunschspieler Rodrigo Mitte Juni - in ihrem Blickfeld gehabt, aufgrund des deutlich größeren Bedarfs auf den offensiven Außenpositionen aber nicht als absolute Priorität angesehen.
Glaubt man den Madrider Sportfachzeitungen Marca und AS, dann revidierte der Münchner Sportdirektor Hasan Salihamidzic diese Meinung in den vergangenen Tagen und ging bei Roca in die Vollen.
Ersteres Blatt will gar von einer Einigung zwischen dem Rekordmeister und dem Spieler wissen. Nur bei der Ablösesumme, heißt es in dem Bericht, herrsche noch Klärungsbedarf. Roca hat in seinem bis 2022 datierten Vertrag bei Espanyol eine Ausstiegsklausel in Höhe von 40 Millionen Euro stehen. Offenbar zu viel für die Bayern, die noch Geld für den einen oder anderen Hochkaräter für ihre unterbesetzten Flügel benötigen.
Roca vor einem Jahr bei Espanyol noch auf dem Abstellgleis
Allerdings scheint Espanyol aktuell nicht bereit zu sein, sich mit den Münchnern an einen Tisch zu setzen und sein Eigengewächs für eine geringere Summe ziehen zu lassen.
Eigentlich kurios, wenn man bedenkt, dass sich Roca vor etwas mehr als einem Jahr noch auf dem Abstellgleis bei den "Wellensittichen" befand. Ein Wechsel auf Leihbasis innerhalb der spanischen Liga stand im Raum, weil der damalige Trainer Quique Sanchez Flores kaum auf den Linksfuß setzte.
Erst unter Rubi, dem im April 2018 verpflichteten Nachfolger von Sanchez Flores, gewann Roca Schritt für Schritt an Einsatzzeiten, bis er sich in der neuen Saison endgültig im Espanyol-Mittelfeld festspielte (40 Partine) und an der Seite von Sergi Darder und Esteban Granero brillierte.
"Er ist eine konstante Hilfe, sicher und stark", lobte Ex-Real-Spieler Granero, während Rubi häufiger betonte, wie weit der junge Katalane doch schon für sein Alter sei.
Roca könnte der Erbe von Martinez werden
Roca, der das Fußballspielen einst bei Espanyols Stadtrivale FC Barcelona begonnen hatte, beendete die meisten seiner Liga-Einsätze in der abgelaufenen Spielzeit mit einer Passquote von über 90 Prozent. Wenn er Verbesserungsbedarf hinterließ, dann in Sachen Geschwindigkeit auf den ersten Metern. Allerdings gilt auch Sergio Busquets nicht unbedingt als Sprintexperte.
Und Javi Martnez übrigens auch nicht. Falls sich die Bayern mit Espanyol einigen und Roca holen, dann in erster Linie, um ihn sukzessive als Erben von Martinez auf der Sechs zu etablieren. Corentin Tolisso dürfte dann eher als Box-to-Box-Achter eingeplant werden, während einem Abschied von Renato Sanches nichts mehr im Wege stünde.
FC Bayern würde zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen
Die Bayern würden im Defensivbereich gar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, weil sich mit Roca im Kader die Möglichkeit böte, den inzwischen 30 Jahre alten Martinez wie zu Guardiola-Zeiten problemlos als Innenverteidiger einzusetzen.
Aufgrund des Abgangs von Mats Hummels und der Ungewissheit über die Zukunft von Jerome Boateng wäre Niko Kovac sicherlich froh, wenn er mit Martinez auf eine erfahrene Option zurückgreifen könnte, ohne dabei an Qualität im defensiven Mittelfeld einzubüßen.
Blöd aus der Wäsche schauen würde im Falle eines Roca-Transfers wohl nur Joshua Kimmich, der sich nach eigenen Angaben Hoffnungen macht, wie in der Nationalmannschaft auch auf Vereinsebene als Sechser statt als Rechtsverteidiger zu agieren.