Wie wichtig ist es bei der Verpflichtung solcher Top-Stars, eine realistische Chance auf den Champions-League-Titel zu bieten?
Rummenigge: Wir brauchen nicht groß drumherum reden: Das ist die Königsklasse, der wichtigste Titel, der im Klubfußball zu vergeben ist. Der FC Bayern ist ohne Champions League nicht mehr darstellbar: Image, Finanzen, Sponsoren - davon hängt alles ab. Und wenn du da erfolgreich bist, hast du die Aufmerksamkeit der gesamten Welt.
Und wenn nicht?
Rummenigge: Wenn du - wie wir letztes Jahr - im Achtelfinale ausscheidest, fehlt dir Präsenz. Wir müssen deshalb schauen, dass wir länger dabei sind. Das wird nicht einfacher, weil der Wettbewerb immer härter wird, aber es ist noch immer möglich.
Falls es nicht klappt: Flammt dann die Trainerdiskussion wieder auf?
Rummenigge: Wir haben gerade das Double gewonnen und eine erfolgreiche Saison gespielt. Ich gehe auch in die neue Saison jetzt mit einem guten Gefühl. Die deutsche Meisterschaft geht auch dieses Jahr nur über den FC Bayern. Und was den Trainer betrifft, sind wir alle an Kontinuität interessiert.
Trotzdem: Ist das Halbfinale der Champions League für einen Klub wie den FC Bayern nicht Pflicht?
Rummenigge: Ich will jetzt nicht den Trainer unter Druck setzen, der hat genug Druck in der Öffentlichkeit. Aber die Formel ist einfach: Je weiter du kommst, desto größer ist die Aufmerksamkeit. Das Finale der Champions League hat ein Milliardenpublikum, das ist durch nichts zu ersetzen.
Wann ist die neue Saison dann eine erfolgreiche?
Rummenigge: Wenn es uns gelingt, einen guten Transfermarkt zu machen - dann müssen wir aber noch das ein oder andere bewerkstelligen -, dann bin ich überzeugt, dass wir zum achten Mal in Folge deutscher Meister werden. Das ist das Brot- und Buttergeschäft. Aber ich gebe offen zu: Es ist nicht der wertvollste Titel. Das ist die Champions League. In der Bundesliga sind wir nach wie vor die Benchmark, in Europa wäre es gut, weiter zu kommen als in der letzten Saison.
Gibt es angesichts des Transferwahnsinns überhaupt Instrumente, um Chancengleichheit herzustellen?
Rummenigge: Financial Fairplay müsste modifiziert und stringent eingefordert werden. Seit dem Bosman-Urteil 1995 kennt die Spirale nur eine Richtung: nach oben. Ich weiß nicht, wo es noch hinführen soll. Es wird oft gesagt, die Abschaffung der 50+1-Regel wäre die Lösung - das würde gar nichts bringen. 50+1 behindert keinen deutschen Klub bei der Entwicklung. Selbst ein Milliardär darf pro Jahr nur zehn Millionen als Equity injection reingeben. Das waren früher tolle Summen, heute kannst du keine Mannschaft mehr damit verstärken.
Muss sich die Bundesliga nicht trotzdem dauerhaft mit einer Nebenrolle in Europa begnügen?
Rummenigge: Ich glaube, dass die Bundesliga immer ihre nationale Strahlkraft behalten wird. Aber international: Wir haben einfach nicht mehr diese Topstars hier, die es schon einmal in größerer Anzahl gegeben hat. Die gibt es in England, das uns schon davongaloppiert ist, und in Spanien. Wenn wir in Europa die Nummer drei bleiben, können wir schon zufrieden sein.
Kann der TV-Rechtemarkt helfen?
Rummenigge: National kommen wir an die Decke, das wird sich erst ändern, wenn die großen Amerikaner wie Netflix, Amazon, Google, Yahoo oder Apple auf den Markt kommen. Und das wird passieren - nur wann ist die Frage. Sicher ist nur, dass der FC Bayern dabei weiter solidarisch zur Zentralvermarktung steht, weil sie gewährleistet, dass alle Klubs gesund wirtschaften können.
Was entgegnen Sie Mahnern, die vor einer Übersättigung warnen?
Rummenigge: Franz Beckenbauer hat mal gesagt: 'Der Fußball ist unkaputtbar.' Er hat recht. Trotzdem sehe ich eine Übersättigung - bei Länderspielen. Da gibt es eine Inflation. Wenn ich Spiele habe gegen San Marino oder Zypern, würde ich mich als Fußballfan weder ins Stadion noch vor den Fernseher setzen. Das ist mir zu langweilig. Ich verstehe, dass kleinere Verbände Solidarität einfordern. Aber im Vereinsfußball gibt es sowohl in der Champions als auch in der Europa League Qualifikationsrunden. Warum nicht auch bei Nationalmannschaften?
Die angedachten Reformen bei der Champions League scheinen Sie dagegen nicht mehr zu unterstützen. Warum?
Rummenigge: Ich halte die Champions League für das Nonplusultra im Klubfußball - und zwar weltweit. Das ist der beste Fußball, den es gibt. Topklasse. Die Einnahmen werden immer höher. Es gibt keinen Grund zu klagen. Warum sollte man da etwas ändern?
Beim FC Bayern stehen nach der Mannschaft nun der Chefetage Änderungen bevor. Wie gelassen verfolgen Sie diesen Umbruch?
Rummenigge: Ich habe kein Problem damit, meinen Platz nach Ablauf meines Vertrages zu räumen. Es ist wichtig zu erkennen, wann man eine Aufgabe in jüngere Hände geben muss. Ich halte meinen Nachfolger Oliver Kahn für fähig. Ich habe mir Gedanken gemacht, wie das sogenannte 'Onboarding' ablaufen könnte. Das werde ich mit ihm abstimmen und ihn ab Januar dabei unterstützen.
Steht Kahn nicht vor sehr großen Herausforderungen?
Rummenigge: Der FC Bayern ist sehr gut aufgestellt, sportlich wie finanziell. Doch die Herausforderungen in den nächsten Jahren werden nicht geringer. Er muss ins kalte Wasser springen. Wichtig ist ein funktionierendes Netzwerk, das muss er sich in kürzester Zeit verschaffen. Aber ich traue ihm das zu. Er ist ausgeschlafen - und er ist viel entspannter als früher.
Schafft auch Uli Hoeneß den Absprung?
Rummenigge: Uli muss diese Entscheidung für sich selbst finden. Und damit wird er sicher verantwortungsvoll umgehen.