Angefangen hat alles mit ganz unschuldiger Liebe. Der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, Karl-Heinz Rummenigge, wurde damals im tiefsten Winter auf einen gewissen Callum Hudson-Odoi angesprochen. Rummenigge also lächelte milde und verkündete, sein Sportdirektor Hasan Salihamidzic hätte sich in den 18-jährigen englischen Flügelspieler "verliebt".
Draußen stürmte und schneite es - und Salihamidzic war auf dem Transfermarkt laut Rummenigge "on fire". On fire beim Bau eines neuen, jüngeren, umgebrochenen Kaders. Es waren Aussagen, die im Umfeld des FC Bayern ein herzerwärmend, ja erwartungsfrohes Raunen auslösten. Multipliziert hat sich das Raunen dann, als Präsident Uli Hoeneß ein paar Wochen später verkündete: "Wenn Sie wüssten, was wir alles schon sicher haben für die kommende Saison ..."
Der FC Bayern schürte ohne Not Erwartungen
Mit diesen Aussagen schürten die Vereinsverantwortlichen ganz ohne Not Erwartungen und setzten vor allem Salihamidzic unnötiger Weise öffentlich unter gewaltigen Druck. Er war es jetzt, der liefern musste. Abgesehen von der bereits zuvor kolportierten Verpflichtung von Lucas Hernandez wurde seitdem aber weiterhin lieber gesprochen, als geliefert. Statt im Hintergrund still an Transfers zu arbeiten, kommentieren die Vereinsverantwortlichen das Geschehen ohne Vollzugsmeldungen öffentlich vor sich hin. Und als ob das an sich nicht schon schädlich genug wäre, noch dazu mit widersprüchlichen Thesen.
Da sagte Hoeneß nach dem letzten Bundesligaspieltag, dass die in Hernandez investierten 80 Millionen Euro bei weiteren Transfers nicht überschritten werden sollten - und nahm selbige Aussage wenig später zurück. Trotz der Ankündigung des "größten Investitionsprogramms, das der FC Bayern je hatte", sagte Hoeneß später: "Es geht mir auf die Nerven, dass man sich nur noch über Käufe definiert." Übrigens kurz nachdem Salihamidzic gemeint hatte, auf dem Transfermarkt "noch einiges" tun zu wollen. Immer so, wie es gerade passt.
Abgesehen von den generellen Aussagen zu den Transferbemühungen proklamieren die Vereinsverantwortlichen aber auch permanent öffentlich Interesse an konkreten Spielern - und schädigen damit ihre Verhandlungsposition. Am bisher offensichtlichsten neben Hudson-Odoi bei Leroy Sane; aber auch zu Kai Havertz und Timo Werner wurde sich schon munter geäußert.
Der FC Bayern hat sich die Diskussionen selbst zuzuschreiben
Es ist das eine, wenn vermeintliche Wunschspieler nicht kommen. Spieler, an denen der FC Bayern "angeblich", "wohl" oder womöglich auch nur "offenbar" interessiert sein soll. Es ist aber das andere, wenn Spieler reihenweise nicht kommen, an denen der Klub zuvor öffentlich Interesse bekundet hat. Das sollte zu denken geben.
Dabei spielt es gar keine Rolle, ob der FC Bayern diese Spieler unbedingt braucht oder nicht. Obwohl der aktuelle Kader große Lücken aufweist, ist er auch ohne weitere Neuzugänge womöglich der beste der Bundesliga. Auch ohne weitere Neuzugänge wäre der FC Bayern zumindest der Favorit auf die nationalen Titel. Und vielleicht am wichtigsten: Es bleibt ja noch weit über einen Monat Zeit, um weitere Transfers zu tätigen.
Dass die bisher vergeblichen Transferbemühungen des Klubs in der Öffentlichkeit trotzdem so argwöhnisch verfolgt werden, hat sich der FC Bayern selbst zuzuschreiben: der Klub trug diese Debatte mit großen Ankündigungen nämlich erst in die Öffentlichkeit. Wer permanent über generelle Pläne sowie konkrete Spieler redet und sogenannte Wasserstandsmeldungen abgibt, muss damit rechnen, dass auch permanent über ihn geredet und nachgefragt wird.
Wer große Erwartungen schürt, muss bei Nichterfüllung oder der Aussicht auf Nichterfüllung mit exakt genauso großer Enttäuschung und Kritik rechnen. Das ist wie bei der Liebe.