Mit vielen Vorschusslorbeeren aus Barcelona gekommen, vermag Philippe Coutinho bislang noch für keine magischen Momente beim FC Bayern zu sorgen. Der Brasilianer gibt sich selbstkritisch.
Beim FC Bayern können sie sich dieser Tage glücklich schätzen, eine Art magisches Duo in ihren Reihen zu haben. Ein Duo, auf das immer Verlass ist. Denn auch beim mühsamen 2:1-Arbeitssieg gegen Aufsteiger Union Berlin waren die Hände von Manuel Neuer und die Füße von Robert Lewandowski unerlässlich.
Wenn man neben Passmaschine Thiago den zuletzt immer wieder angeschlagenen oder geschonten Serge Gnabry sowie den langzeitverletzten Niklas Süle ausklammert, sind es diese beiden Akteure, die den spielkriselnden Rekordmeister nach neun Spieltagen an der Tabellenführung der Bundesliga schnuppern lassen.
Einer, der sich gerne zu dem Kreis der absoluten Leistungsträger zählen würde, ist Philippe Coutinho. Die Leihgabe des FC Barcelona kommt in München aber noch nicht so recht in Tritt. Dabei sind die Statistiken, die der Brasilianer nach elf Pflichtspielen für seinen neuen Arbeitgeber aufweist, durchaus ordentlich: sechs Torbeteiligungen (zwei Treffer, vier Assists), eine Passquote von über 80 Prozent, eine Zweikampfquote von rund 60 Prozent und eine durchschnittliche Laufleistung von 11,6 Kilometern pro Liga-Spiel.
Trotz ordentlicher Zahlen: Coutinho übt Selbstkritik
Als Magier betitelte Ballvirtuosen wie er leben aber nicht von den nackten Zahlen, sondern von der Show. Von Traumtoren, von Zuckerpässen, von Geniestreichen. Also von all dem, das ihn beim FC Liverpool zu einem der begehrtesten Mittelfeldspieler der Welt machte. Trainer Niko Kovac stellte ihn als Spieler vor, der "den Unterschied ausmacht". Ein solcher Spieler ist Coutinho noch nicht. Und das weiß er auch selbst. Umso kritischer bewertete er nach dem Duell mit den Berlinern seine bisherigen Darbietungen im Bayern-Dress.
"Ich fühle mich wohl, das Zusammenspiel mit meinen Mitspielern klappt von Tag zu Tag besser. Aber es ist klar, dass ich meine Topform noch nicht erreicht habe und besser werden muss", sagte der 27-Jährige im Gespräch mit SPOX und Goal. Zurückhaltend, fast schüchtern wirkte Coutinho, während er redete. Fehlendes Selbstvertrauen oder Probleme mit der Integration in Deutschland wollte er sich aber nicht nachsagen lassen: "Jeder im Verein hat mir vom ersten Tag an geholfen."
Allen voran Kovac. Der Bayern-Trainer suchte kurz nach dem Wechsel des Sommers den Kontakt zu Coutinho und wurde nicht müde, in Interviews von dem Neuzugang zu schwärmen und klarzustellen, ihm eine Wohlfühloase bieten zu wollen. Auch in seinem System. Coutinho werde vorwiegend auf der von ihm favorisierten Position, der Zehn, spielen.
Das tat er anfangs auch. In den vergangenen Partien aber probierte Kovac seinen Star plötzlich auch auf anderen Positionen aus.
Kovac experimentiert mit Coutinho
Gegen Olympiakos Piräus begann Coutinho etwa im 4-2-3-1 auf der Zehn, tauschte mit Thomas Müller aber nach einer halben Stunde die Position und agierte fortan überwiegend auf dem linken Flügel. Gegen Union bildete er dann im offensiven 4-3-3 mit Müller die Doppel-Acht. In dieser Rolle setzte er kaum Akzente nach vorne, baute ähnlich wie sein Nebenmann im Laufe der zweiten Halbzeit stetig ab. "Der Trainer hat mir gesagt, dass ich meine Position halten und mehr zurückarbeiten soll, weil wir sehr offensiv ausgerichtet waren", erklärte Coutinho seine Hauptaufgabe gegen die Berliner.
Neben dem zuletzt noch zu seinem Konkurrenten um die Zehner-Position auserkorenen Müller zu spielen, dürfte trotz des Lobes von Kovac ("Sie haben das beide gut gemacht") keine Dauerlösung sein - zumindest nicht gegen offensivstärkere Gegner. Gleichwohl gab Coutinho zu verstehen, wie stark Müller doch sei und wie sehr er den jüngeren Spielern mit seiner Erfahrung helfe. "Ich mag es, neben Thomas zu spielen", beschwichtigte er.
Es ist jedoch kein Geheimnis, dass der Neuzugang seine Qualitäten im Abschluss und im Passspiel nur dann vollumfänglich zur Geltung bringen kann, wenn er von Defensivaufgaben befreit ist und alle Freiheiten im letzten Drittel besitzt. Seine ernüchternde Zeit bei Barca hat offenbart: Coutinho ist weder für die Acht noch für die Außen geschaffen, er ist ein Zehner.
Coutinho stellt keine Ansprüche
So wie James Rodriguez, für den Kovac in seinem System bekanntlich nachhaltig keinen Platz fand. Die Defensive hat für den Bayern-Trainer höchste Priorität, das 4-2-3-1 war ihm zumindest mit James auf Dauer nicht ausbalanciert genug. Er setzte meist auf Müller, dem zumindest nachgesagt wurde, energischer mit nach hinten zu arbeiten als der Kolumbianer. Droht dieses Schicksal auch Coutinho zu ereilen, wenn er die ganz großen Glanzmomente in den kommenden Wochen weiterhin vermissen lässt?
"Der Trainer sucht nach Lösungen. Am Ende muss er entscheiden, was das Beste für die Mannschaft ist - und nicht für einen oder zwei Spieler", gab sich Coutinho nach dem Union-Spiel anspruchslos und fügte an, dass sich jeder steigern müsse. "Wir haben verdient gewonnen, aber trotzdem kein gutes Spiel gemacht. Wir können es besser." Auch er selbst. Ungeachtet seiner ordentlichen Statistiken.
Coutinho im Steckbrief
geboren | 12. Juni 1992 in Rio de Janeiro |
Größe | 1,72 m |
Gewicht | 72 kg |
Position | Offensives Mittelfeld |
starker Fuß | rechts |
Stationen | CR Vasco da Gama, Inter Mailand, Espanyol Barcelona, FC Liverpool, FC Barcelona, FC Bayern |