Gegen Tottenham gab es nicht viel zu kritisieren am Spiel des FC Bayern, außer vielleicht das eine oder andere Antritts- und Geschwindigkeitsdefizit der beiden erfahrenen (oder alten, je nachdem) Innenverteidiger Jerome Boateng und Javi Martinez. Mal lief ihnen Ryan Sessegnon davon, mal Lucas Moura.
Nach dem Spiel darauf angesprochen, rechtfertigte sich Sportdirektor Hasan Salihamidzic: "Wir haben auch Geschwindigkeit, wenn Sie Alphonso Davies gesehen haben." Und tatsächlich: Oftmals war es der erst 19-jährige Linksverteidiger, der mit seinem Tempo Schlimmeres verhinderte.
Am augenscheinlichsten in der 72. Minute, als Christian Eriksen Mitte der gegnerischen Hälfte Heung-Min Son anspielte und dieser freie Bahn Richtung Tor hatte. Davies startete die Verfolgung rund zehn Meter hinter ihm im Mittelkreis, stellte Son kurz nach der Strafraumgrenze und verhinderte somit ein beinahe sicheres 2:3. "Man sieht, was er mit seiner Schnelligkeit und seiner Physis in der Defensive alles wettmachen kann", lobte Flick.
Davies verpasste unter Flick keine Sekunde
Seit Flicks Amtsübernahme verpasste Davies keine einzige Sekunde. Zunächst glänzte er vor allem mit defensiver Stabilität. Beim 4:0-Sieg gegen Borussia Dortmund etwa entnervte er seinen Gegenspieler Jadon Sancho so sehr, dass Trainer Lucien Favre diesen bereits nach 36 Minuten auswechselte.
"Das ist absolutes Top-Niveau. Er hat dank seiner Athletik und Schnelligkeit die körperlichen Voraussetzungen, um jeden Spieler einzuholen", lobte Joshua Kimmich schon damals.
Kimmich sagte aber auch: "Auf Dauer wird er sich sicherlich mehr trauen, auch in der Offensive Akzente zu setzen." Es war der Auftrag, der den gelernten Linksaußen Davies in den darauffolgenden Spielen verfolgte: Trau dich doch mehr! "Er kann künftig in der Offensive noch ein bisschen mehr Impulse setzen", erklärte auch Flick.
Vor dem Bundesligaspiel gegen Fortuna Düsseldorf sagte er dann: "In der Offensive gibt es noch einige Dinge, die er besser machen muss." Vor dem Champions-League-Spiel bei Roter Stern Belgrad: "Wenn er sich in der Offensive noch steigert, kann er uns sehr viel Freude bereiten."
Davies gegen Tottenham: Zwei Assists, überragende Werte
Und Davies traute sich tatsächlich immer mehr, bewies zunehmend Zug nach vorne. Gegen Tottenham zeigte er in dieser Hinsicht seine beste Vorstellung. Mit seinem Pfostenschuss bereitete er Thomas Müllers 2:1 vor, mit einem Pass am gegnerischen Strafraum Philippe Coutinhos 3:1. In der gegnerischen Hälfte spielte Davies die drittmeisten Pässe aller Spieler des FC Bayern (48) und damit knapp ein Drittel mehr als sein Pendant auf rechts, Benjamin Pavard. Seine Passquote von knapp 91 Prozent war Bestwert aller Startelf-Spieler des FC Bayern.
All der Offensivdrang ging jedoch nicht auf Kosten der Defensivarbeit. Davies verzeichnete die meisten Tackles, die zweitmeisten Ballgewinne, bestritt die zweitmeisten Zweikämpfe und gewann überragende knapp 89 Prozent davon. "Er ist eine absolute Maschine", lobte Leon Goretzka bereits vor Wochen. Diese Aussage traf nach dem Sieg gegen Tottenham mehr denn je zu.
Flick über Davies: "Was er im Moment spielt, ist einfach klasse"
In die Mannschaft gerutscht ist die Maschine Davies vor Wochen nur, weil einige andere Maschinen in die Reparaturwerkstatt mussten. Niklas Süle erlitt einen Kreuzbandriss, Lucas Hernandez einen Innenbandriss. Zwischenzeitlich fehlte auch Jerome Boateng wegen einer Rot-Sperre.
Der nominelle Linksverteidiger David Alaba rückte dafür in Innenverteidigung - also war links hinten Platz für Davies und die gab Flick seitdem keinen Grund, ihm diesen Platz wieder zu entziehen. Alaba freundete sich unterdessen mit seiner Rolle in der Mitte an und machte seine Sache bis zu seiner Verletzungspause so gut, dass er großes Lob von seinen Kollegen bekam. "Er gefällt mir auch überragend als Linksverteidiger, aber als Innenverteidiger ist er für mich wirklich mit einer der Besten der Welt", sagte Kimmich.
Sofern Flick das ähnlich sieht und auch nach der Rückkehr der verletzten Innenverteidiger ebendort auf Alaba setzt, hat Davies seinen Posten als Linksverteidiger sicher. Weitere Rivalen gibt es nämlich nicht. Nach dem Sieg gegen Tottenham lobte Flick: "Was er im Moment spielt, ist einfach klasse." Mittlerweile nicht nur im Defensiv-, sondern auch im Offensivspiel.