Agil wie eh und je stapfte Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der immerhin schon 77 Jahre alte Mannschaftsarzt des FC Bayern, am Montagmittag den steilen und begrasten Hügel zum Teamhotel hinauf. Auf Hälfte der Strecke blieb er stehen, um auf Nachfrage der anwesenden Reporter wenigstens ein paar Worte über die Verletzung von Serge Gnabry zu verlieren.
Er wolle keine Diagnose abgeben, nicht versprechen, dass der deutsche Nationalspieler noch während des Trainingslagers in Doha wieder am Mannschaftstraining teilnehmen werde.
"Es geht langsam voran", sagte Müller-Wohlfahrt, ohne sonderlich optimistisch dabei zu klingen. Gnabry hatte während einer Laufeinheit am Sonntag über Beschwerden an der Achillessehne geklagt und im Anschluss mit bandagierter Wade nur individuell trainieren können.
Hansi Flick: "Man muss aufpassen und das sehr ernst nehmen"
"Wir hoffen, dass es schnell vorbeigeht und er wieder mittrainieren kann", erklärte Trainer Hansi Flick am Sonntag auf einer Pressekonferenz und schob nach: "Man muss aufpassen und das sehr ernst nehmen." Gnabry selbst hatte auf dem Rückweg in die luxuriöse Bayern-Unterkunft nur kurz aufgeklärt, dass es ihm gut gehe und er hoffe, bald wieder voll einsteigen zu können. Am Dienstag, an dem die Münchner unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainierten, war der Offensivmann jedenfalls noch nicht wieder dabei.
Vermutlich aus Vorsicht, immerhin startet die Bundesliga in weniger als zwei Wochen in die Rückrunde. Der FCB muss am übernächsten Sonntag in der Hauptstadt bei Hertha BSC ran. Mit Blick auf das Duell mit der Alten Dame dürfte der 24-Jährige wieder eine Option sein, anders als sein Flügel-Pendant Kingsley Coman, der nach einer Kapselverletzung, die er sich im Champions-League-Gruppenspiel gegen Tottenham Hotspur zugezogen hatte, nicht mit nach Katar reiste und stattdessen in der Heimat an seinem Comeback arbeitet.
Im Falle des Franzosen gab Flick eine deutlich pessimistischere Prognose ab: "Wir müssen davon ausgehen, dass es nicht klappt", sagte der Coach bezüglich einer möglichen Rückkehr Comans in Berlin. "Bei Kingsley ist es wichtig, dass er einen guten Aufbau hat. Ich werde keinen Spieler spielen lassen, der nicht zu hundert Prozent fit ist."
Gerade bei Coman eine verständliche Einstellung, hatte der Tempodribbler doch während seiner noch jungen Karriere schon häufig mit teils schwerwiegenden Verletzungen zu kämpfen, im Jahr 2018 gleich zweimal einen Syndesmosebandriss erlitten.
Manuel Neuer: Davies? "Hat nicht nur mich verblüfft"
Derzeit steht Flick als einziger "echter" Außenbahnspieler somit lediglich Ivan Perisic zur Verfügung, der nach seinem Wechsel im Sommer von Inter Mailand an die Isar allerdings noch nicht vollumfänglich zu überzeugen vermochte. Philippe Coutinho und Thomas Müller sind in der Lage, die Außen zu bekleiden, kommen im Zentrum aber beide deutlich besser zur Geltung.
Alphonso Davies, gelernter Linksaußen, der im Winter 2019 aus Vancouver kam, wurde mittlerweile eine Position nach hinten gezogen, gibt seit einigen Monaten aufgrund der prekären Personalsituation den Ersatz von David Alaba, der wiederum ins Abwehrzentrum rückte.
Beide wissen in ihrer neuen Rolle derart zu gefallen, dass im Moment nicht daran zu denken ist, etwas an der Konstellation zu ändern. Das sieht auch Kapitän Manuel Neuer so. Während sich der Keeper über die Leistungen Alabas in der Innenverteidigung wenig überrascht zeigte, schwärmte er vom jungen Kanadier umso mehr.
"Er hat schon in der Vorbereitung in den USA gute Spiele gemacht", sagte Neuer in einer kleinen Medienrunde. "Er hat die Rolle super angenommen und spielt als linker Außenverteidiger eine tolle Saison. Ich hoffe, dass es so weitergeht. Er hat wahrscheinlich nicht nur mich, sondern viele andere auch verblüfft."
FC Bayern: Personelle Situation in der Defensive angespannt
Doch nicht nur aufgrund der hervorragenden Leistungen des Duos würde sich eine Berufung Davies' in die Offensive schwierig gestalten. Im Zentrum stehen mit Lucas Hernandez (Aufbautraining in Doha) und Niklas Süle (Reha nach Kreuzbandriss) zwei potenzielle Stammspieler nicht zur Verfügung, auch Javi Martinez, ebenfalls eine Alternative für die Innenverteidigung, kuriert einen Muskelbündelriss aus.
Da die Bayern bislang den Flick'schen Wunsch nach einem Rechtsverteidiger noch nicht erfüllen konnten, kämen ohne Davies nur wenige Viererketten-Konstrukte infrage, die ohnehin allesamt nicht als Flicks Wunschlösung gelten. Wie der Bayern-Trainer einen möglichen Aderlass auf den Flügeln bis zum Berlin-Spiel kompensiert, bleibt abzuwarten. Ein vorzeitiger Wiedereinstieg Gnabrys würde jedenfalls vieles erleichtern.