Kommentar zum Wechsel von Leroy Sane zum FC Bayern: Ein Coup, aber kein Schnäppchen

Kehrt zurück in die Bundesliga: Leroy Sanes Wechsel von Manchester City zum FC Bayern steht unmittelbar bevor.
© imago images/ COLORSPORT/LYNNE CAMERON

Leroy Sanes Wechsel zum FC Bayern kann durchaus als Meisterstück des neuen Sportvorstands Hasan Salihamidzic interpretiert werden - den Transfer jedoch als günstig oder gar als Schnäppchen zu bezeichnen, wäre ebenso fatal wie falsch, meint SPOX-Redakteur Filippo Cataldo.

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Das Timing? Schlicht perfekt. Das Signal? Eindeutig. Kaum auch offiziell zum Sportvorstand berufen, hat Hasan Salihamidzic nicht nur seine Hausaufgaben gemacht, sondern steht auch kurz vor seinem Meisterstück.

Alexander Nübel, der Torwart, dem "irgendwann die Zukunft gehören" soll (Manuel Neuer), und Tanguy Kouassi, der Verteidiger für "eine große Karriere" (Salihamidzic) sind bereits fix. Leroy Sane, seit nunmehr einem Jahr erklärter Wunschspieler des Rekordmeisters, wird in den kommenden Tagen in München zur Vertragsunterschrift erwartet.

Und weil sich die von Manchester City geforderte Ablöse für den Nationalspieler in einem Jahr von bis zu 120 Millionen Euro auf nun kolportierte 49 Millionen Euro plus Boni praktisch halbiert hat, ist nun viel von einem Transfer zum "Schnäppchenpreis" die Rede.

Was ebenso fatal wie falsch ist.

Mit Sanes Wechsel hat FC Bayern Kaderplanung fast abgeschlossen

Sicher: Sollte Bayern in diesem sehr langem Transfersommer, der coronabedingt ja eigentlich ein Transferherbst sein wird (Transferschluss wird erst am 15. Oktober sein) nicht doch noch die zwei eminent wichtigen Säulen David Alaba und Thiago verlieren, hat der Rekordmeister seine Kaderplanung beeindruckend früh im Grunde abgeschlossen. Allenfalls ein Back-up für Rechtsverteidiger Benjamin Pavard könnte noch kommen. In einer generell von großer Unsicherheit geprägten Zeit stünde der FC Bayern somit für Verlässlichkeit, Planungssicherheit und Stabilität.

Weil er es sich leisten kann. Wo Borussia Dortmund in diesem Sommer am liebsten gar keine Ablösen zahlen möchte, Borussia Mönchengladbach als Champions-League-Teilnehmer über ein 13-Millionen-Euro-Loch klagt und der FC Schalke künftig keinem Profi mehr als 2,5 Millionen Euro Gehalt pro Jahr bezahlen möchte, machen die Bayern Sane mal eben zum zweitteuersten Spieler der Vereinsgeschichte: Was ist eigentlich der Superlativ von "die Vormachtstellung zementieren"?

Noch im Mai hatte Bayerns Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge erklärt, dass auch der FC Bayern durch Corona "den Gürtel enger schnallen" müsse und dass auch das vielzitierte Festgeldkonto "nicht unerschöpflich" sei. "Cash ist eine Position, die im Profifußball nicht mehr im großen Stil vorhanden ist. Vielleicht ist es gut, dass wir etwas rationaler und stabiler werden", hatte er ergänzt.

Sane zum FC Bayern: Absoluter Großverdiener

Wer nach Sätzen wie diesen tatsächlich gehofft hatte, dass durch Corona eine neue Bescheidenheit einkehren würde in den Weltfußball und dass die "Exzesse der vergangenen Jahre" (Rummenigge) durch die Pandemie korrigiert werden würden, ist schon nach den ersten Transfers der europäischen Großklubs in diesem Sommer aller Illusionen beraubt: Der Branche mag es schlechter gehen, Cash mag nicht mehr im Überfluss vorhanden sein, doch verstanden haben die Großklubs nichts.

Beim Tauschgeschäft von Arthur und Miralem Pjanic zwischen dem FC Barcelona und Juventus etwa erhöhten die Klubs schnell sogar noch die Ablöse Arthurs, damit Barca seine Einnahmenziele erreicht - zumindest virtuell. Eine dubiose Mauschelei und Preisabsprache, die in anderen Branchen vermutlich Wettbewerbshüter auf den Plan rufen würde. Der FC Bayern hat derlei dubiosen Praktiken nicht nötig. Ein Transfercoup zum Schnäppchenpreis ist Sanes Transfer aber eben auch nicht.

Unabhängig davon, ob Sane "deutlich unter 20 Millionen Euro pro Jahr", wie die Bild kolportiert, oder bis zu 22 Millionen Euro verdienen wird, wie Goal in England erfahren hat: Das Gehaltsniveau beim FC Bayern steigt weiter an. Der - vorbildiche - temporäre Gehaltsverzicht der Profis während Corona ändert daran nichts. Schon die Verträge von Thomas Müller und Manuel Neuer wurden zuletzt ja ohne "Corona-Discount" (Rummenigge) verlängert, auch bei Alaba und Thiago würde eine Einigung nicht am Geld scheitern.

Sane konnte nicht noch ein Jahr in Manchester bleiben

Auch bei der Ablöse ist das Narrativ des Schnäppchenpreises nicht zu halten: Die Coronakrise mag, wie auch bei Timo Werners Wechsel zum FC Chelsea, den Preis ein wenig gedrückt haben. Dass mindestens 53 Millionen Euro Ablöse für Werner ebenso wie mindestens 49 Millionen Euro für Sane nun sogar als günstig durchgehen, zeigt natürlich grundsätzlich, wie sehr die allgemeine Preisexplosion der letzten Jahre auch Beobachter verdorben hat.

Bei Sane hat die Halbierung der Summe aber in erster Linie mit seiner langen Verletzung und seiner Restvertragsdauer bei den Citizens zu tun: Manchester City konnte es sich wegen der Regularien des Financial Fairplays schlicht nicht leisten, den 24-Jährigen Dribbler 2021 ablösefrei gehen zu lassen. City kassiert nun für einen Spieler, der vor seinem Kreuzbandriss seine Klasse zwar immer wieder andeutete, aber unter Trainer Pep Guardiola nie der Hauptdarsteller war, der er gerne sein wollte, in etwa die gleiche Summe, die 2016 nach Schalke überwiesen wurde.

Die Bayern dagegen klopfen sich - zumindest virtuell - auf die Schultern für ihren Coup. Und lassen die Bundesliga-Konkurrenz, die diesen Namen eigentlich nicht mehr verdient, einmal mehr alt aussehen.

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