"Bitte Limonade", waren die ersten beiden Worte, die Hasan Salihamidzic der Legende nach auf deutschem Boden sprach und gleichzeitig die einzigen beiden deutschen Worte, die er damals überhaupt konnte. Gesprochen haben soll er sie im Alter von 15 Jahren im November 1992 in einem kleinen Cafe am Hamburger Hauptbahnhof, gerade eben war er allein vor dem Bosnienkrieg nach Deutschland geflüchtet. Salihamidzic also bestellte eine Limonade und dann machte er sich auf, Profifußballer zu werden.
Begonnen hatte seine Reise einst in Jablanica, einer Kleinstadt in der damaligen jugoslawischen Teilrepublik Bosnien und Herzegowina, umgeben von einer malerischen Landschaft am Fluss Neretva. 1977 kam Salihamidzic hier zur Welt, der langjährige Machthaber Tito lebte noch und mit ihm die Vision von friedlich koexistierenden ethnischen Gruppen im Vielvölkerstaat Jugoslawien.
Mit zehn Jahren trat Salihamidzic, den alle nur "Brazzo" - zu Deutsch "Bürschchen" - nannten, dem FK Turbina Jablanica bei. Mit 14 war er zu gut für den lokalen Klub und wechselte zum viel bedeutenderen FK Velez Mostar rund 50 Kilometer flussabwärts. Ein technisch starker rechter Außenbahnspieler mit Zug zum Tor und unfassbarem Ehrgeiz. Das Gesamtpaket ließ eine spätere Fußballerkarriere schon damals unausweichlich erscheinen, doch dann kam der Krieg.
Im Jahr 1991 hatten Slowenien und Kroatien ihre Unabhängigkeit erklärt, am 1. März 1992 zog Bosnien und Herzegowina nach. Es sollte aber nicht das Ende des Konflikts sein, sondern der Beginn eines jahrelangen Kriegs.
Ein Länderspiel und zehn Wochen Training in Belgrad
Im Fußball wurde zunächst jedoch weiterhin eine nicht existierende Einheit vorgegaukelt und so stand Salihamidzic im Kader der immer noch bestehenden jugoslawische U16-Nationalmannschaft, die am 1. Mai in Belgrad auf die Nachfolgemannschaft der Sowjetunion GUS traf.
Am Tag vor dem Spiel flog Salihamidzic von der bosnischen Hauptstadt Sarajevo in die serbische Belgrad, es sollte der letzte reguläre Linienflug zwischen den beiden Städten für vier Jahre gewesen sein. Am Tag danach begann die offizielle Belagerung von Sarajevo und für Salihamidzic gab es deshalb kein direktes Zurück in die Heimat. Gemeinsam mit seinem ebenfalls nominierten Velez-Kollegen Vedran Pelic blieb er in Belgrad und trainierte dort zehn Wochen lang mit der Nachwuchsmannschaft von Roter Stern.
Da kein Ende der Belagerung absehbar war, machten sich Pelic und Salihamidzic schließlich über Ungarn, Slowenien und Kroatien auf den beschwerlichen Umweg zurück nach Jablanica.
Salihamidzics Flucht nach Deutschland
An einen normalen Fußballbetrieb war dort längst nicht mehr zu denken, die Frontlinie verlief wenige Kilometer von Jablanica entfernt. Salihamidzic arbeitete als Barkeeper und trainierte individuell, einige seiner Freunde wurden eingezogen und mussten kämpften. Ein Schicksal, dass ihm sein Vater Ahmed unbedingt ersparen wollte. "Er wollte mich nicht mit dem Gewehr in der Hand mein Talent vergeuden sehen", erzählte Salihamidzic mal der SportBild. Und so begann der Vater nach einem Ausweg für seinen fußballerisch so talentierten Sohn zu suchen.
Er fand ihn beim Hamburger SV und zwar dank Ahmed Halilhodzic, dem Cousin des erfolgreichen Trainers Vahid Halilhodzic. Ebenfalls in Jablanica geboren, war Halilhodzic einst nach Hamburg ausgewandert und unterhielt Kontakte zum HSV. Er organisierte Salihamidzic ein Probetraining beim HSV und versprach ihm ein Bett in seiner Wohnung. Nach drei Monaten waren alle Bürokratien geklärt, im Dezember 1992 begann die Flucht.
"Mein Vater musste mich erst mit dem Auto nach Kroatien bringen. Von dort aus fuhren Busse nach Deutschland, ich saß in einem Bus in Richtung Dortmund. An der Grenze musste man immer Zittern, wir hatten Glück und kamen durch", erzählte Salihamidzic. "Irgendwann kam ich in Dortmund an und von dort aus ging es mit dem Zug weiter nach Hamburg. Ich hatte nur eine Tasche dabei und etwas Geld. Ich wusste nicht, was mich erwartet."