Zum Abschied vom FC Bayern hat David Alaba in einem emotionalen Video ein paar Tränen gelassen und vor dem 5:2-Sieg gegen den FC Augsburg ein großes Wandbild bekommen, auf dem er mit all seinen gewonnenen Titeln zu sehen ist. Zwei Henkelpötten zum Beispiel und zehn Meisterschalen, mehr hat niemand sonst gewonnen. Alaba geht mit 28 Jahren als einer der erfolgreichsten Spieler, die der FC Bayern je hatte.
Gekommen ist der Österreicher 2008 im Alter von 16 Jahren aus dem Nachwuchs von Austria Wien. Nach eigener Auskunft als "kleiner Schlawiner" und vor allem mit einem noch breiteren Wiener Dialekt als er ihn heute spricht. Manche Sätze musste Alaba für seine neuen Mitspieler wiederholen, aber von einigen wurde er von Beginn an problemlos verstanden. Von Christoph Knasmüllner und Christian Derflinger beispielsweise, die gleichzeitig mit Alaba von Österreich nach München wechselten und gemeinsam ins klubeigene Internat einzogen.
Oder von Daniel Sikorski, der schon seit 2005 beim FC Bayern war und damals in Hermann Gerlands Reservemannschaft spielte. Sikorski kannte die Leute und die Abläufe bereits und nahm sich seiner jungen Landsmännern an, wie sich bei seiner eigenen Ankunft der 2,02 Meter große spätere Nationalspieler Stefan Maierhofer ihm angenommen hatte. Mit Maierhofer beginnt die Geschichte der kleinen und großen österreichischen Brüder in München.
Daniel Sikorski: David Alaba? "Waren uns gleich sympathisch"
Die beiden Stürmer Maierhofer und Sikorski wechselten 2005 zeitgleich zum FC Bayern, wo sie fortan gemeinsam für die Reservemannschaft spielten. Der eine schon durchaus erwachsene 22 Jahre alt, der andere erst frische 17. "Ganz am Anfang hat sich vor allem Stefan um mich gekümmert", erinnert sich Sikorski im Interview mit SPOX und Goal. "Er war wie ein großer Bruder für mich."
Nach nur eineinhalb Jahren verließ Maierhofer den Klub und begab sich auf eine Fußball-Reise quer durch Europa, mit Sikorski blieb er dabei stets in Kontakt. Einmal vermittelte er ihm sogar einen Transfer, 2013 war das zum FC St. Gallen. "Die waren eigentlich an mir interessiert, aber ich wollte noch andere Angebote abwarten", erzählt Maierhofer bei SPOX und Goal. "Weil St. Gallen sofort einen Stürmer gebraucht hat, habe ich ihnen Daniel empfohlen und sie haben ihn tatsächlich verpflichtet."
Seinen eigenen Durchbruch beim FC Bayern hatte Sikorski vor allem wegen seines Verletzungspechs verpasst. Immerhin vereinfachte er aber Alabas Durchbruch, indem er ihm in München ein Gefühl von Geborgenheit bot. "Wir waren uns gleich sympathisch und haben privat viel Zeit miteinander verbracht", erinnert sich Sikorski. "Genau wie ich hatte auch er am Anfang großes Heimweh und ist oft heim nach Österreich gefahren. So wie sich einst Stefan Maierhofer um mich gekümmert hat, habe ich versucht, mich um David zu kümmern."
FC Bayern: Dominik Burusic über seine Zeit mit David Alaba
Bei einem dieser Heimatbesuche begegnete Alaba erstmals Dominik Burusic. Der talentierte Mittelfeldspieler kickte damals noch in der Jugend von Admira Wacker Mödling, sollte im folgenden Sommer jedoch ebenfalls zum FC Bayern wechseln. "Kurz bevor ich nach München übersiedelt bin, habe ich David zufällig in Wien getroffen", erzählt Burusic bei SPOX und Goal. "Damals kannte ich ihn noch nicht persönlich. Er ist aber direkt auf mich zugekommen, hat mir seine Nummer gegeben und gesagt, dass ich mich melden soll, sobald ich in München bin. Das hat mir ein gutes Gefühl gegeben."
Als Burusic dann einige Wochen später tatsächlich im fremden München angekommen war, meldete er sich wie vereinbart direkt bei Alaba und das war eine ganz hervorragende Idee. "Für mich war es super wichtig, dass mich jemand an die Hand genommen und mir die Stadt gezeigt hat. Wenn ich Probleme oder Fragen hatte, konnte ich mich immer an David wenden", erinnert er sich. "Genau wie Daniel sein großer Bruder war, war David mein großer Bruder."
Bald waren Burusic und Alaba beste Freunde. Unzertrennbar. "In meiner Anfangszeit in München haben David und ich jede freie Minute miteinander verbracht. Alles, was wir gemacht haben, haben wir gemeinsam gemacht." Sie gingen in die Stadt zum Essen oder ins Kino. Sie übten zu zweit Freistöße, wenn gerade kein Training anstand aber die Lust auf Fußball noch zu groß war. Sie fuhren gemeinsam in den Urlaub nach Kroatien und sie trafen sich auch in Wien, wenn sie bei ihren Familien zu Besuch waren.
David Alabas Champions-League-Debüt im Gemeinschaftsraum
An der Säbener Straße 51 wohnten Alaba und Burusic Tür an Tür im Internat, das sich zunehmend zu einer kleinen österreichischen Exklave entwickelte. Von den 14 Bewohnern kamen zeitweise fünf aus Österreich: Neben Alaba, Burusic, Knasmüllner und Derflinger auch noch Alessandro Schöpf, der mittlerweile beim FC Schalke 04 und mit Alaba in der Nationalmannschaft spielt.
Es war in der Zeit vor der Eröffnung des Campus im Norden der Stadt, als die jungen Talente durch die Fenster ihrer Internatszimmer den Trainingsplatz der Profimannschaft sehen konnten. Mit Alaba war einer von ihnen dort bald Stammgast. Seine Entwicklung war atemberaubend schnell, überraschend aber kam sie nicht. "Dass er es schafft, war abzusehen: Er hatte sowohl das nötige fußballerische Talent als auch die richtige Mentalität", findet Burusic.
Keine zwei Jahre nach seiner Ankunft spielte Alaba bei einem DFB-Pokalspiel gegen Greuther Fürth im Frühling 2010 mit 17 Jahren erstmals für die Profis, kurz darauf folgte sein Startelfdebüt im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen den AC Florenz. "Das Spiel haben wir uns im Internat alle gemeinsam angeschaut. Der ganze Gemeinschaftsraum war voll", erinnert sich Burusic. Nicht nur alle Internatsbewohner waren da, sondern auch einige Spieler, die schon eigene Wohnungen hatten, wie etwa der ältere Sikorski.
Trotz einer Niederlage kam der FC Bayern gegen Florenz weiter und Alaba spielte als Linksverteidiger so überzeugend, dass er anschließend sogar ein Extra-Lob des Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge bekam: "Sehr gut!" Alaba war nun fester Bestandteil der Profimannschaft, während seine österreichischen Brüder weiter um die Erfüllung ihres Traums kämpften - oder ihn platzen lassen mussten.