Der Einstand von Julian Nagelsmann beim FC Bayern verlief ohne zwölf EM-Urlauber und mehrere verletzte Stammkräfte erwartungsgemäß holprig. Die 2:3-Testspielpleite gegen den 1. FC Köln hatte aber auch Positives zu bieten.
Was lief bei dem aus personeller Sicht schwierig zu bewertenden Auftritt gut, was lief weniger gut? Eine Einordnung.
FC Bayern: Das fiel beim Nagelsmann-Debüt positiv auf
- Drei junge Spieler überzeugen
Der deutsche Rekordmeister trat in Villingen im Grunde mit nur einem fest als Stammkraft eingeplanten Spieler - Dayot Upamecano - an, der Rest der Mannschaft bestand aus Backups, zurückgekehrten Leihspielern und Akteuren aus der U23.
Gerade einige Nachwuchsspieler machten ihre Sache gegen die mit deutlich mehr Bundesliga-Erfahrung bestückte Kölner Mannschaft gut. Der größte Lichtblick: Armindo Sieb (18). Der links wie rechts aufgebotene Außenstürmer erzielte nicht nur das 1:0, er forderte auch viele Bälle und zeigte seine Robustheit im Zweikampf.
Nagelsmann musste ihn zwar immer wieder taktisch leiten ("Einrücken, Armindo"/"Höher, Armindo"), war aber so angetan von der Offensivleistung des U18-Nationalspielers, dass er ihn durchspielen ließ. Zufrieden war der Trainer auch mit Torben Rhein (18) und Taylor Booth (20) im Mittelfeld, die vor allem im Spiel mit Ball zu gefallen wussten, weil sie sich sehr passsicher und pressingresistent erwiesen.
Alle drei werden auch in den kommenden Wochen die Möglichkeit bekommen, sich bei den Profis zu präsentieren. Die Verpflichtung eines vierten Flügelspielers hinter Leroy Sane, Kingsley Coman und Serge Gnabry ist aus finanziellen Gründen kein Thema, weshalb Sieb schon jetzt gute Chancen hat, zu einem Gewinner der Vorbereitung zu werden. Rhein und Booth könnten indes von dem personellen Engpass im Mittelfeld profitieren, zumal mit Marc Roca eine weitere Option für Nagelsmann mindestens für die kommenden sechs Wochen wegfällt. Booth klagte nach dem Köln-Spiel allerdings über muskuläre Probleme.
- Zirkzee holt sich Selbstvertrauen
Testspiele sind eine gute Gelegenheit, um Selbstvertrauen zu tanken. Joshua Zirkzee (20) hatte davon zuletzt nicht allzu viel. Nach einer Hinrunde ohne Chance unter Hansi Flick ließ er sich nach Parma verleihen, wo er jedoch ebenso wenig glücklich wurde. Umso wichtiger war für ihn sein Tor gegen Köln zum 2:2. "Heute war ein kleiner Schritt zurück zu dem, wo ich denke ich sein könnte und schon einmal war", schrieb er nach dem Spiel bei Twitter.
Ein halber Lichtblick sozusagen, denn klar ist auch: Zirkzee muss noch viele weitere Schritte in seiner Entwicklung nehmen. Der Niederländer - im Falle eines guten Angebots alles andere als unverkäuflich - war in mehreren Offensivaktionen nicht handlungsschnell genug, was Nagelsmann an der Seitenlinie sichtlich erzürnte. "Das ist doch Wahnsinn", sagte der Coach zum Beispiel nach einem misslungenen Konter zu seinen Assistenten, "wir sind 3 gegen 2 in der Box und der (Zirkzee; Anm. d. Red.) hinterläuft 80 Meter, dass wir ein 3 gegen 3 haben."
- Nagelsmanns Energie
Radio Müller bekommt Konkurrenz. Nagelsmann war - wie zu erwarten - schon bei seinem Debüt von der ersten bis zur letzten Minute energisch bei der Sache, gab für die direkt hinter der Trainerbank arbeitenden Journalisten unüberhörbare Kommandos und lobte seine Spieler nach praktisch jeder gelungenen Aktion mit einem "Super", "Richtig" oder "Das isses".
Am meisten wirkte er auf die weniger erfahrenen Spieler ein, nahm sich den einen oder anderen auch noch einmal in der Halbzeit zur Seite, um ihm Verbesserungsvorschläge zu geben - in der Regel auf Deutsch. Nur mit Chris und Omar Richards, Booth und dem zur zweiten Hälfte eingewechselten Bouna Sarr sprach er Englisch. Auffällig: Auch Nagelsmanns Assistenten Xaver Zembrod und Benjamin Glück gaben immer wieder Anweisungen. Sicher ist schon nach einem Spiel: Auf die Mannschaft kommt eine andere Art des Coachings zu als unter Flick.
FC Bayern: Das fiel beim Nagelsmann-Debüt weniger positiv auf
- Sorgenkind Abwehr
Nagelsmann wollte seinen dezimierten Kader im ersten Spiel nicht mit zu vielen taktischen Neuerungen überfrachten. Er setzte auf das Bayern-typische 4-2-3-1. Die defensive Anfälligkeit blieb im Vergleich zur Vorsaison aber unverändert groß, die Kölner kamen gerade in Durchgang eins mit schnellem Umschalten nach Ballgewinn in der eigenen Hälfte problemlos zu gefährlichen Torraumszenen.
Brenzlig wurde es besonders über die Flügel. Nagelsmann musste den noch etwas überfordert wirkenden Neuzugang Omar Richards auf der linken Abwehrseite immer wieder führen, aber auch Josip Stanisic in der ersten und Sarr in der zweiten Hälfte wirkten hinten rechts alles andere als gefestigt.
Für die drei Gegentore machte Nagelsmann aber nicht nur seine Außenverteidiger verantwortlich. "Die Gegentore haben wir fast auf die identische Art und Weise bekommen: Wir haben auf Abseits gespielt, ohne Druck auf den Ball, und die gegnerischen Flanken nicht gut verteidigt. Das war ein bisschen simpel", erklärte der 33-Jährige im Mixed-Zone-Interview.
- Kaum Power zum Pressen
Nach nicht einmal zwei Wochen Vorbereitung ist den Münchner anzumerken, dass sie in puncto Ausdauer noch viel Aufholarbeit vor sich haben, um auch nur ansatzweise Nagelsmanns Vorstellungen gerecht zu werden. Beim Testspiel im Schwarzwald fehlte die Luft zum Angriffspressing, die Kölner konnten meist relativ entspannt hinten rausspielen und bekamen erst kurz vor der Mittellinie ernsthaften Gegnerdruck.
Dem 2:2 durch Zirkzee ging zwar ein Ballgewinn im letzten Drittel voraus, doch Nagelsmann wollte diese Situation auf Nachfrage von SPOX und Goal nicht als gelungene Pressingaktion verstanden wissen. "Wenn ich ehrlich bin, war das eine Einladung des Gegners", sagte er.
Auch mit Ball fehlte oft die Bereitschaft, nach vorne zu gehen, die Außenverteidiger hinterliefen die Außenstürmer nur selten. Die Gesamteinschätzung des Trainers: "In Anbetracht des Kaders war es heute in Ordnung. Dass wir aber Luft nach oben haben, ist auch klar."
gettyFC Bayern München: Die restlichen Testspiele
Datum | Uhrzeit | Gegner |
Samstag, 24. Juli | 16.30 Uhr | Ajax Amsterdam (Allianz Arena) |
Mittwoch, 28. Juli | 18 Uhr | Borussia Mönchengladbach (Allianz Arena) |
Samstag, 31. Juli | 16.30 Uhr | SSC Neapel (Allianz Arena) |