Das wohl größte Versagen im Rahmen des Bundesligaspiels zwischen dem VfL Bochum und dem FC Bayern München lieferte das städtische Stromnetz. Kurz vor Anpfiff fiel es aus, weshalb im Stadion an der Castroper Straße die Imbissbuden zunächst geschlossen bleiben mussten. Nicht funktionstüchtig waren auch die Anzeigetafel und - wahrscheinlich am allerschlimmsten - die Lautsprecheranlage. Bei der großen Fan-Rückkehr konnte vor Anpfiff also nicht Herbert Grönemeyers Vereinshymne "Bochum" gespielt werden.
Direkt danach im Versagens-Ranking folgte aber schon die Abwehr des FC Bayern München, der sich dem Aufsteiger überraschend mit 2:4 geschlagen geben musste. Am 22. Spieltag war es bereits der 15. Auftritt mit mindestens einem Gegentor. Trainer Julian Nagelsmann nahm die Hauptschuld für die Niederlage zwar auf sich, kritisierte aber unter anderem auch explizit "viele leichte Ballverluste" und die "sehr langsame Spieleröffnung aus der Innenverteidigung".
Dann sagte er noch die schönen Sätze: "Natürlich ist Holtmann ein schneller Spieler. Aber man muss schon versuchen, ihn ein bissl zu verteidigen. Das haben wir selten gemacht." Gerrit Holtmann ist 26 Jahre alt, stand schon mal im Kader der philippinischen Nationalmannschaft und kommt in seiner bisherigen Karriere auf sieben Bundesligatore. Eines davon schoss er am Samstag gegen den FC Bayern, nachdem er den über 40 Millionen Euro teuren Dayot Upamecano einmal mehr schwindelig gespielt hatte, das 1:1 bereitete er vor.
Nagelsmann selbst wollte danach nicht "über Einzelne" reden. Tatsächlich gibt es aber einiges an Gesprächsbedarf, aktuell haben fast alle Verteidiger des FC Bayern mit kleinen Sörgchen oder ausgewachsenen Sorgen zu kämpfen. Ein Überblick vor dem Beginn der heißen Phase in der Champions League. Am Mittwoch geht es beim Achtelfinal-Hinspiel gegen RB Salzburg mit seinen Premium-Holtmanns Karim Adeyemi oder Noah Okafor.
Dayot Upamecano
Vergangenen Sommer von RB Leipzig verpflichtet, erwies sich Dayot Upamecano bisher noch nicht als die gewünschte Verstärkung. Kein Verteidiger des FC Bayern leistete sich in dieser Saison schon so viele individuelle Fehler wie er.
Bei den ersten Rückrundenspielen saß er zunächst nur auf der Bank. Als er beim 4:1-Sieg gegen Hertha BSC eingewechselt wurde, verschuldete er mit einem einfachen Fehlpass das Gegentor. "Warum spielt man den Ball direkt? Wenn ich jetzt 95 Kilo habe und sehr schnell bin, nehme ich den Ball am Fuß, dribble noch ein, zwei Meter und gucke, was passiert", kritisierte Nagelsmann damals.
In Bochum schuf der Trainer mit seiner fragwürdigen Systemumstellung samt Rückkehr zur Viererkette erstmals in diesem Kalenderjahr in der Startelf Platz für Upamecano. Empfehlung für weitere Startelfeinsätze gab er aber keine ab, ganz im Gegenteil. Vor dem 1:1 ließ er sich überlaufen, er verschuldete den Elfmeter zum 1:2, leistete sich vor dem 1:3 einen Ballverlust und verteidigte vor dem 1:4 zu lasch. Zur Pause wechselte ihn Nagelsmann aus. Die Gründe für Upamecanos regelmäßige Aussetzer bleiben ein Rätsel.
Am Rande eines Pressetermins von Wettanbieter "Interwetten" kritisierte auch Lothar Matthäus Upamecano und nannte den fehleranfälligen Franzosen einen "Fremdkörper".
Niklas Süle
In der Innenverteidigung neben Upamecano spielte in Bochum Niklas Süle, der in der Woche davor zur allseitigen Verwunderung beim großen Rivalen mit kleineren Titelchancen Borussia Dortmund unterschrieben hatte. Im Sommer wechselt er ablösefrei die Seiten, aktuell wird deshalb munter über sein Gewicht und Karl-Heinz Rummenigges Rauch-Verhalten debattiert. Das imaginäre Fußball-Business-Handbuch verlangt für eine solche Situation unbedingt die Fragen: Lenkt ihn das ab? Haut er sich für seinen bald alten Arbeitgeber noch komplett rein?
Nagelsmann wischte vor dem Bochum-Spiel etwaige Bedenken weg. "Ich vertraue ihm und sehe keinen Grund, einen Spieler zu degradieren, nur weil er einen Verein verlässt", sagte er. "Ich erwarte, dass er charakterlich die Pflicht erfüllt, bis zum letzten Tag alles reinzuwerfen und für den Verein Vollgas zu geben." Nach zuletzt weitestgehend stabilen Auftritten mit nur kleinen Wacklern wie gegen Leipzig wirkte Süle gegen Bochum fahrig, vor allem beim ersten Gegentor.
Benjamin Pavard
Abgesehen vom aus der Startelf gestrichenen Corentin Tolisso litt wohl kein Spieler des FC Bayern so sehr unter Nagelsmanns Systemumstellung vom 3-2-4-1 auf 4-1-4-1 wie Benjamin Pavard. Er musste deshalb nämlich wieder als Rechtsverteidiger auflaufen, obwohl er sich selbst doch bekanntlich als Innenverteidiger sieht. Dort spielte er zuletzt in der Dreierkette: nicht überragend, aber solide.
"Meine beste Position ist in der Innenverteidigung, das war schon immer so", sagte Pavard vor Weihnachten dem kicker. "Es gefällt mir sehr, als Innenverteidiger zu spielen." Pavard spekuliert darauf, im Zuge der sommerlichen Abwehr-Neuordnung einen festen Platz im Zentrum ergattern zu können - und will sich dafür am liebsten auch jetzt schon ebendort präsentieren. Das Werben des FC Bayern um Innenverteidiger Andreas Christensen vom FC Chelsea dürfte ihm eher nicht gefallen.
Lucas Hernandez
Auch Lucas Hernandez ist gelernter Innenverteidiger, auch er musste in Bochum auf der Seite aushelfen - anders als Pavard aber erst zum zweiten Mal in dieser Saison. Im Zentrum war Hernandez in den vergangenen Wochen wohl der stabilste weil am meisten fehlerlose Vertreter. Kapitale Aussetzer wie von Upamecano oder Süle sind von ihm kaum in Erinnerung.
Im Herbst ließ sich Hernandez nicht einmal von einem drohenden Wechsel ins Gefängnis wegen eines Verstoßes gegen ein Annäherungs- und Kontaktverbot gegenüber seiner heutigen Ehefrau ablenken. Die auch für diese Situation angemessene Frage aus dem imaginären Fußball-Business-Handbuch (Lenkt ihn das ab?) durfte damals verneint werden.