Während der FC Bayern München für die durchaus beachtlichen Verpflichtungen von Sadio Mane und Matthijs de Ligt gefeiert wird, mausert sich ein anderer Neuzugang zunehmend zum Gewinner der Vorbereitung: Ryan Gravenberch. Das liegt einerseits an den aktuellen Umständen, andererseits an ihm selbst.
Der 20-jährige Niederländer kam für 18,5 Millionen Euro von Ajax Amsterdam, eingeplant war er zunächst eigentlich als Ersatzmann für Achter-Platzhirsch Leon Goretzka. Dessen schon seit längerem schwelende Knieprobleme zwangen ihn nun aber zu einer Operation. Goretzka wird wochenlang fehlen, Gravenberch deshalb unverhoffte Chancen auf Spielanteile bekommen.
"Klar wäre es mir lieber, wenn Leon dabei wäre", sagte Trainer Julian Nagelsmann während der Vorbereitungsreise durch die USA. "Aber so hat Ryan die Möglichkeit, seinen Stempel schon ein bisschen eher aufzudrücken."
FC Bayern: Kollegen schwärmen von Ryan Gravenberch
Schon bei seinen ersten Trainingseinheiten in München machte Gravenberch einen guten Eindruck. Kapitän Manuel Neuer ist "positiv überrascht" von seinem neuen Kollegen: "Er ist sehr präsent, will immer den Ball haben, ist technisch gut, bringt eine gewisse Aggressivität mit rein." Sportvorstand Hasan Salihamidzic nannte Gravenberch "eine Augenweide" und auch Joshua Kimmich schwärmte: "Er ist sehr ballsicher, körperlich gut. Beeindruckend, dass er in seinem Alter schon auf einem so hohen Niveau ist."
Gravenberch ist ein klassischer Box-to-Box-Player, Nagelsmann sieht in ihm "ein Bindeglied zwischen Offensive und Defensive". Seine außergewöhnlichen Fähigkeiten in alle Richtungen präsentierte Gravenberch direkt beim ersten Testspiel gegen DC United vor dem Tor zum abschließenden 6:2. Balleroberung am eigenen Strafraum, Dribbling durch zwei Gegenspieler, Schnittstellenpass auf den Torschützen Thomas Müller.
Es war eine Szene, mit der man Julian Nagelsmanns Lobhudeleien wunderbar bebildern könnte: "Ryan ist ein sehr, sehr feiner Fußballer mit kreativen Ideen, einem guten Raumgefühl und einer guten Spieleröffnung. Er verfügt über eine unglaubliche Koordination, seine Gräte und den Ball immer unter Kontrolle zu kriegen."
Ryan Gravenberch und die Vergleiche mit Paul Pogba
Tatsächlich bewegt sich Gravenberch für seine Körpergröße von 1,90 Metern erstaunlich grazil über den Platz. Vergleiche mit dem ähnlich gebauten Paul Pogba liegen nahe. Schon seit Jugendtagen bei Ajax Amsterdam verfolgen sie ihn, erzählte Gravenberch dem kicker: "Wie er sich auf dem Platz bewegt, sein Körper, er ist auch groß und hat lange Beine, dann seine Technik - wir haben vielleicht ein paar Ähnlichkeiten."
Pogba kehrte diesen Sommer von Manchester United zu Juventus Turin zurück. Als Nachfolger wollte Uniteds neuer Trainer Erik ten Hag angeblich unbedingt Gravenberch, dem er bei Ajax zum Durchbruch verholfen hatte. Doch dessen Entscheidung stand da längst fest, seit vergangenen Herbst gab es Gespräche zwischen Gravenberchs Berateragentur des mittlerweile verstorbenen Mino Raiola und dem FC Bayern.
FC Bayern München: Auch Marcel Sabitzer bietet sich an
In München soll Gravenberch das werden, was Corentin Tolisso und Marcel Sabitzer (noch) nicht wurden: eine hochwertige, verlässliche Alternative zu Goretzka. Der ehemalige Rekordeinkauf Tolisso hatte während seiner fünf Jahre in München immer wieder mit Verletzungsproblemen zu kämpfen, weshalb sein Vertrag in diesem Sommer nicht verlängert wurde. Er kehrte ablösefrei zu seinem Jugendklub Olympique Lyon zurück.
Sabitzer folgte vergangenen Sommer Nagelsmann von RB Leipzig nach München, als erklärter Wunschspieler erlebte er aber eine äußerst enttäuschende Premierensaison. Bei einem entsprechenden Angebot dürfte er den FC Bayern wohl verlassen, doch er kämpft um eine zweite Chance - und beeindruckt damit Nagelsmann.
"Im Moment ist Marcel einer der besten Spieler der Vorbereitung", lobte der Trainer nach dem Sieg gegen DC United, bei dem Sabitzer ein Tor gelang. Für Nagelsmann ergibt das eine durchaus komfortable Situation: Während Stammspieler Goretzka ausfällt, bieten sich gleich beide verfügbaren Alternativen Gravenberch und Sabitzer an.