In Neapel nennen sie ihn Kvaradona und das nicht umsonst. Mit seinen unergründlichen Dribblings und blitzartigen Bewegungen, seiner zärtlichen Ballbehandlung und umfassenden Übersicht erinnert Khvicha Kvaratskhelia tatsächlich an den legendären, mittlerweile verstorbenen Diego Armando Maradona. Wie einst die argentinische Ikone, verzaubert heute der 22-jährige Georgier die SSC Neapel. Vor allem dank Kvaradona steht Napoli kurz vor dem Gewinn des ersten Scudetto seit 33 Jahren, seit Maradona.
Beinahe wäre diese Geschichte aber gar nicht passiert und Kvaratskhelia wohl auch nicht zu diesem so wunderbaren Spitznamen gekommen. Dann nämlich, wenn ihn der FC Bayern München 2018 nach einem überzeugenden Probetraining am Campus tatsächlich verpflichtet hätte. Wer würde einen potenziellen Superstar des FC Bayern schon Kvaradona nennen? Vielleicht eher Kvarabauer oder Kvarascholl, aber das hört sich natürlich deutlich weniger schön an.
Nach Informationen von SPOX und GOAL absolvierte der damals 17-jährige Kvaratskhelia im April 2018 ein etwa einwöchiges Probetraining in München. Er begutachtete die Räumlichkeiten des ein Jahr zuvor eröffneten Campus und wurde zu einem Spiel der Profimannschaft in die Allianz Arena eingeladen.
Die Campus-Verantwortlichen waren sowohl sportlich, als auch menschlich von Kvaratskhelia überzeugt und auch der Spieler hatte generelles Interesse - zustande kam ein Wechsel letztlich aber nicht. Dem Vernehmen nach wurde die Thematik anschließend nicht konsequent genug weiterverfolgt.
Khvicha Kvaratskhelia: Sein Weg von Dinamo Tiflis zu Napoli
Kvaratskhelia galt schon damals als großes Talent. In 23 Spielen für die georgische U17-Nationalmannschaft gelangen dem Linksaußen 27 Scorerpunkte. 2017 gewann er in seiner Heimat den Aleksandre-Chivadze-Preis für den vielversprechendsten Spieler seiner Altersklasse. 2018 nahm ihn der englische Guardian in seine Liste der 60 größten Talente der Welt auf - und verglich ihn in einem begleitenden Artikel kurioserweise ausgerechnet mit drei deutschen Spielern: Julian Draxler, Julian Brandt und Leroy Sané.
Nach ersten Profieinsätzen für Dinamo Tiflis verließ Kvaratskhelia seinen Jugendklub im März 2018 wegen Vertragsstreitigkeiten und schloss sich vorübergehend dem kleinen Vorortklub FC Rustavi an. Weil ein Transfer zum FC Bayern scheiterte, wechselte Kvaratskhelia an seinem 18. Geburtstag zunächst per Leihe zu Lokomotive Moskau und im Sommer 2019 - mittlerweile als A-Nationalspieler - fest zu Rubin Kasan.
Während seiner drei Jahre in Kasan entwickelte sich Kvaratskhelia zu einem der besten Spieler der russischen Premier Liga und weckte 2021 abermals das Interesse des FC Bayern. "Ich bin überzeugt, dass er bei Real Madrid oder Bayern landen wird", sagte sein Berater Nobel Dzhugueli damals.
Erneut kam kein Transfer zustande und so verließ Kvaratskhelia Kasan erst nach Russlands Angriff auf die Ukraine im März 2022. Vorübergehend kam er anschließend beim georgischen Erstligisten Dinamo Batumi unter, war aber natürlich längst viel zu gut für die Liga seines kleinen Heimatlandes. Im vergangenen Sommer schlug Neapel für 11,5 Millionen Euro zu und der Rest ist Kvaradona.
FC Bayern: Auch Jude Bellingham schaute am Campus vorbei
In 34 Pflichtspielen dieser Saison gelangen Kvaratskhelia 30 Scorerpunkte. Für den Gewinn des Scudetto fehlen nur noch wenige Punkte. Am Dienstag kämpft Kvaratskhelia mit Napoli um den Einzug ins Champions-League-Halbfinale. Das Viertelfinal-Hinspiel gegen die AC Milan ging 0:1 verloren.
Kvaratskhelia ist übrigens nicht der einzige heutige Topstar, den der FC Bayern frühzeitig beobachtete, aber letztlich nicht verpflichtete. 2019 schaute auch der damals 15-jährige Jude Bellingham am Campus vorbei, entschied sich aber zunächst für einen Verbleib bei Birmingham City und ein Jahr später für einen Wechsel zu Borussia Dortmund.
Bei zwei anderen Talenten meldete der FC Bayern 2019 aber Vollzug: Jamal Musiala kam vom FC Chelsea und Alphonso Davies von den Vancouver Whitecaps. Beide Transfers sollten sich durchaus lohnen. Und auch das nächste vermeintliche georgische Top-Talent ließen sich die Münchner anders als einst Kvaratskhelia nicht entgehen.
Im vergangenen August verpflichtete der FC Bayern Luka Parkadze von Dinamo Tiflis. Der mittlerweile 18-jährige Offensivallrounder wird aber erst diesen Sommer nach München übersiedeln. In Georgien werden Parkadze übrigens bereits Ähnlichkeiten mit Kvaratskhelia nachgesagt.
Khvicha Kvaratskhelia: Seine Stationen im Profifußball
Zeitraum | Klub | Pflichtspiele | Tore | Assists |
2017 bis 2018 | Dinamo Tiflis (Georgien) | 5 | 1 | 1 |
2018 bis 2019 | FC Rustavi (Georgien) | 18 | 3 | 3 |
2019 | Lok Moskau (Russland) | 10 | 1 | - |
2019 bis 2022 | Rubin Kasan (Russland) | 73 | 9 | 18 |
2022 | Dinamo Batumi (Georgien) | 11 | 8 | 2 |
seit 2022 | SSC Neapel (Italien) | 34 | 14 | 16 |