FC Bayern München historisch schlecht? Vor 2013 war das ganz normal

Jamal Musiala, Leroy Sané
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Der FC Bayern München ist aktuell ziemlich schlecht, da sind sich eigentlich alle einig. Aber wie schlecht ist der deutsche Rekordmeister wirklich? Eine historische Einordnung.

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Die Geschichte des FC Bayern München muss man in eine Zeit vor und nach der Saison 2012/13 unterteilen. Davor war die Bundesliga ein spannender Wettbewerb mit verschiedenen Siegern. Seitdem ist sie eine One-Club-Show. Wenn die Münchner nicht wirklich alles gleichzeitig falsch machen, werden sie dennoch immer irgendwie Meister.

Nach zehn Meistertiteln (und in diesem Zeitraum übrigens auch fünf Siegen im DFB-Pokal) könnte es nun aber tatsächlich soweit sein. Misslungene Transfers, ein merkwürdiger Trainerwechsel, öffentliches Theater um den Kapitän, eine tätliche Auseinandersetzung zwischen zwei Spielern und all die anderen Brennpunkte: Zusammengerechnet war das womöglich doch zu viel.

Einen Spieltag vor Saisonende liegt der FC Bayern in der Tabelle zwei Punkte hinter Borussia Dortmund. Sollte der BVB am Samstag daheim gegen den FSV Mainz 05 gewinnen, ist er Meister. Völlig egal, was der FC Bayern zeitgleich beim 1. FC Köln macht.

FC Bayern München: Die Punkteausbeute im Vergleich

Aktuell stehen die Münchner bei 68 Punkten, maximal können sie somit noch 71 erreichen. Weniger waren es zuletzt in der Saison 2010/11 (65). Unter Jupp Heynckes und Pep Guardiola riss der FC Bayern anschließend sogar zweimal die 90-Punkte-Marke.

Mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre erscheinen die noch möglichen 71 Zähler bedenklich wenig. In den 17 Spielzeiten zwischen der Einführung der Drei-Punkte-Regel 1995 und dem Dominanz-Beginn 2013 überboten die Münchner diesen Wert aber nur sechsmal, mehr als 80 Punkte holten sie nie. Oft reichten 71 Punkte zum Titel.

Rechnet man die frühere Punkte-Zählweise in die heutige um, kam der FC Bayern vor der Saison 2012/13 überhaupt nie auf mehr als 80 Punkte. Das Maximum der goldenen Mannschaft um Kaiser Franz Beckenbauer und Bomber Gerd Müller in den 1970er-Jahren waren zweimal umgerechnet 79 Punkte.

Was für den FC Bayern früher eine recht normale Ausbeute war, erscheint heute historisch schlecht - Bossen, Spielern, Fans und Journalisten übrigens gleichermaßen. Das absurde Münchner Anspruchsdenken der Neuzeit resultiert einerseits aus den tatsächlich beeindruckenden Leistungen der vergangenen Dekade und andererseits aus dem immer größer werdenden finanziellen Vorsprung. Früher lagen die Bundesliga-Mannschaften qualitativ näher beieinander, die Punktedifferenz war in der Tabelle entsprechend geringer.

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FC Bayern: Die Bilanz in den engen Titelkämpfen

In dieser Zeit wuchs der heutige Ersatz-Kapitän Thomas Müller im oberbayerischen Pähl als großer Fan des FC Bayern auf. Gefragt, was ihm in der aktuellen Situation denn noch Hoffnung mache, sagte Müller am Samstag: "Ich habe schon genügend erlebt - hauptsächlich natürlich als Fan, als die Meisterschaften jedes Jahr sehr eng waren." Wegen der meist deutlich geringeren Punktzahl der Meister im Vergleich zu heute, ging es früher tatsächlich regelmäßig bis zum Schluss spannend zu.

Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel 1995 war der Titelkampf sechsmal vor dem letzten Spieltag noch offen. Nur einmal passierte das nach Beginn der Münchner Dauer-Dominanz. 2018/19 fixierte der FC Bayern seinen Titel vor dem BVB erst am letzten Spieltag, absolvierte diese Aufgabe damals aber ziemlich souverän.

Von den fünf vorherigen engen Meisterschaften waren die Münchner in vier involviert, nur beim Titelgewinn des VfB Stuttgart 2006/07 lagen sie vor dem letzten Spieltag schon zu weit zurück. Zweimal hatte der FC Bayern das bessere Ende für sich: 2000 im Fernduell mit Bayer 04 Leverkusen und 2001 mit dem FC Schalke 04. 2002 mussten die Münchner Dortmund den Vortritt lassen, 2009 dem VfL Wolfsburg. Die gerne erzählte Geschichte, dass sich der FC Bayern in den engen Titelkämpfen einst immer eiskalt durchgesetzt hat, ist also eine Mär.

FC Bayern: So endeten die goldenen 1970er-Jahre

Sollten die Münchner diesmal Dortmund die Schale überlassen müssen, wäre das mit Blick auf die Klubhistorie aber eigentlich nur halb so schlimm. An tiefen Tiefpunkten setzte der FC Bayern meist die - wie auch immer gearteten - richtigen Impulse.

Als die goldenen 1970er-Jahre in Chaos und einem zeitweiligen Fall in die untere Tabellenhälfte ausklangen, rebellierte die Mannschaft Anfang 1979 gegen den langjährigen Klubpräsidenten Wilhelm Neudecker. Zur Strafe für die schlechten Leistungen wollte Neudecker Max Merkel als neuen Trainer einstellen. Der Felix Magath seiner Zeit, Spitzname: Peitschenschwinger.

Darauf hatten die Spieler aber wenig Lust. Sie drohten einen Streik an, Neudecker trat zurück, der vormalige Co-Trainer Pal Csernai durfte im Amt bleiben und im Hintergrund avancierte der junge Manager Uli Hoeneß zum wichtigsten Mann im Klub. Nach fünf Jahren ohne Meistertitel gewann der FC Bayern anschließend zweimal in Folge die Bundesliga.

FC Bayern: Impulse durch neue Bosse, Trainer und Spieler

Es folgte ein äußerst erfolgreiches Jahrzehnt, ehe die Münchner in der Saison 1991/92 an einem neuerlichen Tiefpunkt ankamen. Aus im DFB-Pokal gegen den FC 08 Homburg, Aus im UEFA-Cup gegen einen dänischen Klub namens Boldklubben 1903, zeitweise Abstiegskampf in der Bundesliga. In aller Verzweiflung holte der FC Bayern in jener Saison gemeinsam mit Franz Beckenbauer auch Karl-Heinz Rummenigge in die Führungsriege, der den Klub fortan gemeinsam mit Hoeneß zu neuen Höhen führen sollte.

Auf das Verpassen der Champions League 2007 folgte eine erfolgreiche Transferoffensive, die den Münchnern unter anderem den langjährigen Schlüsselspieler Franck Ribéry bescherte. Auch in der jüngeren Vergangenheit gelang an einem Tiefpunkt eine geniale Entscheidung: Nach einem 1:5 gegen Eintracht Frankfurt im Herbst 2019 beerbte Hansi Flick Niko Kovac als Cheftrainer. Kurz darauf gewann der Klub sein zweites Triple.

Mal kam ein neuer Boss, mal ein neuer Trainer, mal kamen neue Spieler - meist lagen die Münchner mit ihren Entscheidungen in höchster Not richtig. Diesmal dürfte Trainer Thomas Tuchel unabhängig vom Ausgang der Bundesliga seinen Job sicher haben. In Frage für große Veränderungen kommen somit nur die Führungsebene und der Kader.

Bundesliga: Die Tabellenspitze

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Borussia Dortmund3381:423970
2.Bayern München3390:375368
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