Felix Magath hat nach vier Monaten Amtszeit längst wieder alles im Griff. "Ich wäre sehr überrascht, wenn wir in der neuen Saison ähnliche Probleme bekommen würden, wie in der alten", sagt der Coach deshalb mit Blick auf die neue Spielzeit, in der möglichst wenig an die katastrophal verlaufene vergangene erinnern soll.
Dort war man immerhin am letzten Spieltag für ein paar Minuten virtuell abgestiegen. Ein Ausrutscher, na klar. Die Bäume will man in der VW-Stadt dennoch nicht gleich wieder in den Himmel wachsen lassen. Magath weiß: "Realistisch betrachtet ist jetzt wohl kaum der richtige Zeitpunkt, über die Meisterschaft zu sprechen."
Über das internationale Geschäft dagegen schon. Oder?
Das ist neu
In Wolfsburg läuft nun alles ohne Stars. Mit Grafite suchte nach Zvjezdan Misimovic und Edin Dzeko auf das dritte Mitglied des Meister-Dreigestirns das Weite. Diego soll ihm nach seiner Teamsitzungsflucht am letzten Spieltag der vergangenen Saison möglichst bald folgen.
Obwohl der Brasilianer solange weiter mit der Profi-Mannschaft trainiert und auch mit in die drei (!) Trainingslager reiste, schließt Trainer Felix Magath eine Rückkehr ins Team kategorisch aus. "Er hat sich zu vieles geleistet, was nicht förderlich für die Gemeinschaft war", sagte der Coach zur "Sport-Bild". Die Tür ist und bleibt zu.
Mit Sascha Riether ist ein weiterer Meister-Spieler weg. Das Loch auf der rechten Seite wurde mit den Transfers von Patrick Ochs und Hasan Salihamidzic gestopft, wobei der 34-jährige Salihamidzic nach nur 35 Einsätzen in den letzten drei Jahren erst beweisen muss, dass er immer noch ein brauchbarer Außenspieler ist - Mauro Camoranesis Stuttgarter Zeit sei als mahnendes Beispiel genannt.
Dort kann auch Christian Träsch spielen. Der Nationalspieler dürfte aber eher für die Sechserposition verpflichtet worden sein.
Ochs' Frankfurter Gefährte Marco Russ kam derweil als Sofort-Ersatz für den abermals an den Bandscheiben verletzten Arne Friedrich, dessen Rückkehr ins Training in den Sternen steht. Magath im "Kicker": "Kein Mensch weiß, wie es sich entwickelt. Es kann leider bis zum Karriere-Ende gehen."
In Angriff hofft Srdjan Lakic auf einen sofortigen Stammplatz. Er balgt sich mit Mario Mandzukic und Patrick Helmes um die Plätze im Sturm - Magath teilte in den Testspielen die Einsatzzeiten der drei peinlichst genau auf. Dazu kommt der frischgebackene A-Jugend-Meister Kevin Scheidhauer (19), der nach 23 Toren bei den Junioren in den Vorbereitungsspielen ebenfalls viel Einsatzzeit bekam.
Mit Mateusz Klich (21) hat sich der VfL ein Spielmacher-Talent an Land gezogen, das allerdings erst behutsam an die Bundesliga herangeführt werden soll. "Er verfügt über vielversprechende Qualitäten, an denen er bei uns weiter arbeiten wird", so der Trainer.
Von der zweiten Mannschaft wurde zudem Michael Schulze (22) als Linksverteidiger-Backup für Kapitän Marcel Schäfer hochgezogen. Ebenso neu zum Kader gehören Verteidiger Bjarne Thoelke (19) und Stürmer Sebastian Polter (20), die kommende Saison allerdings nur wenig Chancen auf Einsätze haben werden.
Trotz der etwa acht Millionen Euro für Träsch sticht die vergleichsweise zurückhaltende Transferpolitik ins Auge: Die Fehler der vergangenen zwei Jahre, in denen zwar kräftig in Namen investiert wurde, aber kaum Zusammenhalt in der Mannschaft bestand, will Magath nicht wiederholen. "Fakt ist, dass viel investiert wurde, es aber in der Mannschaft hinten und vorne nicht gepasst hat", sagte er der "Welt".
Deswegen will der VfL nach einer wahren Horrorsaison ohne mannschaftliche Geschlossenheit vor allem wieder den Zusammenhalt als höchstes Gut herausstellen. Laut Kapitän Schäfer, der seinen Vertrag demonstrativ bis 2014 verlängerte, sei man es den Fans und dem Konzern VW schuldig, wieder ins internationale Geschäft zu kommen.
Magath formuliert es so: "Ich will mit dem Klub wieder nach vorn, in den Europacup. Aber wir werden nicht auf Teufel komm raus investieren. Wir wollen den sportlichen Erfolg finanzieren können, nicht erkaufen." Bis er die Mannschaft jedoch wieder nach seinem Gusto geformt hat, kann es laut Magath "Monate dauern".
Die Taktik
Auch ohne Diego setzte Magath in den Testspielen auf ein 4-4-2 mit Raute. Ob er daran nach der Verpflichtung von Träsch festhält, darf aber bezweifelt werden.
Eine Formation mit dem Nationalspieler und Josue auf der Doppel-Sechs ist durchaus denkbar. Allerdings weiß Magath selbst am besten, dass sein Liebling Josue am besten spielt, wenn er sich allein im zentralen defensiven Mittelfeld bewegt.
Im Falle der Abkehr von der Raute würde der Kurs von Ja-Cheol Koo sinken, der sich in der Vorbereitung für die Position hinter den Spitzen empfahl und einen Vorsprung vor Mateusz Klich haben dürfte.
Magath sprach aber auch schon von Gedanken, einen noch offensiveren Mann als Tuncay oder Mandzukic als hängende Spitze agieren zu lassen. Nutznießer davon wäre Patrick Helmes, der sich für die neue Saison viel vorgenommen hat. "Ich habe in der Sommerpause mehr gemacht, weil ich wusste, sonst gehe ich unter", sagte der Stürmer im Trainingslager.
"Es können ja alle gerne glauben, dass Mario Mandzukic und Srdjan Lakic spielen. Aber ich bin fit und vielleicht wird so mancher am ersten Spieltag blöd gucken, wenn dann doch ein anderer spielt", so Helmes. In den elf (!) Vorbereitungsspielen war er jedenfalls mit 15 Toren erfolgreichster VfL-Torschütze vor Lakic (14), Mandzukic (12) und Tuncay (9).Gesetzt sind in Magaths Elf allerdings nur Torhüter Diego Benaglio, Neuzugang Ochs, Kapitän Schäfer und Abräumer Josue.
In der Innenverteidigung haben Russ und Simon Kjaer die Nase leicht vor Alexander Madlung, dessen Verlässlichkeit Magath sehr schätzt. Bei Ochs muss sich der Coach Gedanken machen, ob er ihn lieber in der Viererkette oder auf der Halbposition im Mittelfeld sieht - das hängt vor allem von der Konkurrenz ab (Pekarik, Salihamidzic).
A-Jugend-Meister Tolga Cigerci ist derweil ein guter Außenseitertipp, weil er sowohl auf der Sechs, als auch auf den Halbpositionen spielen kann. Jan Polak ist dagegen wohl nur Backup für Josue.
Auf der linken Seite ist Magath indes von seinem Japan-Import Makoto Hasebe sehr angetan, lobt vor allem dessen Fitness. Hasebe steht mit Thomas Kahlenberg, der zum x-ten Mal seine Chance sucht, und Askhan Dejagah, den Magath in den Tests vornehmlich links einsetzte, in Konkurrenz.
Der Spieler im Fokus
Diego Benaglio. Der Schweizer Nationalkeeper war einer der formunbeständigsten Spieler der vergangenen Saison und einer der Gründe dafür, dass sich Wolfsburg viel zu viele Gegentore einfing. Gerüchte um eine Verpflichtung von Tim Wiese kamen in der Sommerpause deshalb nicht von ungefähr.
Magath hat sich aber mittlerweile festgelegt und Benaglio sein Vertrauen ausgesprochen. "Diego Benaglio ist und bleibt unsere Nummer 1, er hat mein hundertprozentiges Vertrauen", sagt der Trainer.
Dennoch ist klar: Der mittlerweile 27-Jährige darf sich in seiner fünften Saison beim VfL nicht wieder so viele Auszeiten erlauben wie im letzten Jahr, sonst könnte Magath vielleicht gezwungen sein, in der Winterpause zu handeln. Benaglio sagte unlängst im "Kicker"-Interview: "Ich weiß, dass ich dieses Vertrauen zurückzahlen sollte." Sein Ziel: "Ich will wieder ganz der Alte werden."
Die Prognose
Wolfsburg wird sich nicht noch einmal in den Abstiegskampf hineinziehen lassen, dafür kennt Magath die Liga und seine Spieler zu gut. Angesichts des doch merklichen Umbaus im Team und des schweren Auftaktprogrammes wird der VfL jedoch Zeit brauchen, um sich einzufinden.
Dann sollte aber ein Platz mit Blick aufs internationale Geschäft - wenn nicht sogar mehr - drin sein. Magath weiß schließlich wie kaum ein Zweiter, wo man den Hebel ansetzen muss, um auf Ergebnisse zu kommen. Auf Schalke hatte man Magath im ersten Jahr auch nicht sofort die Vize-Meisterschaft zugetraut.
Der Kader des VfL Wolfsburg im Überblick