Langsam wieder nach oben

Von Stefan Rommel
Werder Bremen will langsam wieder an alte Erfolge anknüpfen
© getty

Vor dem Start der 52. Bundesliga-Saison stellt SPOX alle 18 Klubs vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: Werder Bremen.

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Einfach haben es sich Werder Bremen und Robin Dutt im ersten Jahr ihrer Beziehung nicht gemacht. Die Premieren-Saison Dutts an der Weser war eine wechselhafte, am Ende stand aber immerhin das Minimalziel. Die Kennenlernphase ist nach zwölf Monaten endgültig abgelaufen, ab sofort will sich der ehemalige Champions-League-Dauerteilnehmer wieder nach oben orientieren.

In der Sommerpause stand Bremen im Mittelpunkt des eher seichten Interesses nach der WM. Der überraschende Vorstoß des Bremer Senats, ausgerechnet der Stadt liebstes Kind an den Mehrkosten für Polizeieinsätze bei Risikospielen zu beteiligen, schlug hohe Wellen. Vielleicht gar keine so schlechte Ausgangsbasis für das Trainerteam, das sich im Hintergrund der sportlichen Weiterentwicklung der Mannschaft widmen konnte.

Diese wird nach Jahren des Stillstands auch bitter nötig sein. Zwar ist das Bremer Publikum leidensfähig und nachsichtig wie kaum ein anderes in der Bundesliga, auf Dauer und mit wehmütigem Blick auf die glorreichen Zeiten der Vergangenheit wird im Weserstadion aber zumindest wieder attraktiverer Fußball erwartet.

Das ist neu:

Mit Aaron Hunt hat nur ein Stammspieler den Klub verlassen - allerdings war der Mittelfeldspieler in der Mannschaft Fixpunkt und Topscorer zugleich. Hunts Fehlen soll Izet Hajrovic so gut es geht kompensieren. Der Bosnier bringt einiges mit, muss aber nach einem schwierigen Jahr bei Galatasaray erst wieder seinen Rhythmus finden.

Trotzdem wurde Manager Thomas Eichin beinahe ungehörig euphorisch, als er den Transfer "wie Weihnachten und Ostern zusammen" nannte und den Zugang als "eine Mischung aus Kevin de Bruyne und Aaron Hunt" kategorisierte.

Alejandro Galvez kann sowohl in der Innenverteidigung, als auch im zentralen defensiven Mittelfeld spielen. Der Spanier wurde in der Vorbereitung fast ausschließlich im Mittelfeld eingesetzt und hat da gezeigt, wie wichtig er für das Team werden kann. Fin Bartels' Transfer kommt dagegen etwas unscheinbar daher, einen Spielertyp wie den ehemaligen Hamburger kann die Mannschaft aber sehr gut gebrauchen.

Im Hintergrund hat Werder einen sehr wichtigen und klugen Griff getätigt. Mit Rouven Schröder soll Werder wieder jene Transfers einfädeln, die den Klub fast ein Jahrzehnt lang unter der Regie von Klaus Allofs und Thomas Schaaf zu einem der erfolgreichsten des Landes gemacht hatten.

Werder ist klamm, hat einen veritablen Standortnachteil und ist damit mehr denn je angewiesen auf den Nachschub an qualifizierten Eigengewächsen ins Profiteam und auf smarte Transfers, will heißen: Spieler, die noch erschwinglich sind und dennoch genug Potenzial mitbringen, um sowohl sportlich als später unter Umständen auch finanziell davon zu profitieren. Den Tipp für den Hajrovic-Deal steuerte Schröder schon mal bei...

Die Taktik:

Robin Dutt setzt weiter auf eine gewisse Flexibilität und dürfte je nach Gegner und Trainingswoche zwischen den Spielsystemen wechseln. Im Grunde kommt es gerade bei Werder ohnehin nicht darauf an, in welcher Anordnung die Mannschaft aufgestellt ist - sondern wie sie das nötige Gleichgewicht zwischen Defensive und Offensive schafft.

Zehn Mal spielte Werder in der abgelaufenen Saison zu Null, so oft wie schon seit gefühlten Jahrzehnten nicht mehr. Trotzdem standen am Ende 66 Gegentore und damit die viertschlechteste Defensive der Liga, inklusive Wild-West-Veranstaltungen wie ein 0:7 und 2:5 gegen die Bayern, ein 1:5 gegen den BVB, das 4:4 von Hoffenheim.

Als Mitte der Vorrunde die Defensivbewegung gefestigt schien, wagte sich Dutt an die Offensivabläufe ran und hätte sich damit beinahe folgenschwer verhoben. 22 Gegentore in sechs Spielen vor Weihnachten ließen Werder wieder zu einer abwartenden, grundlegend defensiv denkenden Mannschaft werden.

Das Zauberwort der neuen Saison heißt Balance. Diese scheint mit einem starken Galvez auf der Sechs und einer insgesamt griffigeren Spielweise schon in Schlagdistanz. In der Offensive waren in den Testspielen teilweise flüssiges Kombinationsspiel und die lange vermisste Passsicherheit zu sehen.

Der Spieler im Fokus:

Eljero Elia steht vor seiner dritten Saison in Bremen. Bisher konnte der Niederländer die hohen Erwartungen nicht erfüllen, wenngleich in Phasen der abgelaufenen Saison eine gewisse Steigerung zu erkennen war.

Diese Ansätze gilt es zu bestätigen und auf ein konstant hohes Niveau zu bringen. Elia ist einer der besten Techniker im Team und mit Sicherheit der beste Dribbler - auch wegen der insgesamt eher defensiven Ausrichtung der Mannschaft fielen seine Vorzüge immer etwas unter den Tisch.

Werders leicht offensivere Spielweise sollte Elia zugute kommen, in erster Linie liegt es aber am Spieler selbst, eine verlässliche Größe innerhalb der Mannschaft zu werden.

Elia kann zu einer wichtigen Figur im Bremer Spiel werden. "Eli ist eine Waffe. Das habe ich schon oft betont", sagt Manager Eichin mit einer Mischung aus Gewissheit und Hoffnung.

Eine Waffe war Elia bisher nur sehr selten. Das lässt aber immerhin genügend Spielraum nach oben. Die Qualität dafür hat er, nun muss er aber auch über einen längeren Zeitraum zeigen, was wirklich in ihm steckt.

Eljero Elias Statistiken der Saison 2013/14

Die Prognose:

Werder scheint nach schwierigen Monaten gefestigt, Trainer Robin Dutt hat die lange Eingewöhnungsphase überstanden und konnte sich in der Vorbereitung endlich den Dingen widmen, die im Abstiegskampf des Frühjahrs vielleicht noch zu kurz gekommen waren.

Die Mannschaft hat bewiesen, dass sie in kritischen Momenten bestehen kann, dass sie Wettkampfhärte und Teamgeist entwickeln kann. Personell hat sich Werder nicht verschlechtert, besonders Galvez kann zu einem sehr wichtigen Baustein der Mannschaft werden.

Nicht ganz so stark aufgestellt ist allerdings der Angriff. Nils Petersen trifft zu unregelmäßig, Franco di Santo ist ein guter Zuarbeiter, aber kein Knipser. Davie Selke hat sich bei der U-19-EM in den Vordergrund gespielt und sich von einem potenziellen Verkaufsobjekt zu einer Art Versprechen für die Zukunft gemausert. Allerdings sind U-19-EM und die Bundesliga dann doch noch zwei Paar Schuhe.

Werder wird wohl wie in den letzten Jahren sehr auf Tore aus dem Mittelfeld und nach Standards angewiesen sein. Immerhin: Die Mittelfeldspieler sind flexibel einsetzbar und ermöglichen viele Variationsmöglichkeiten.

Das erste Ziel muss wie in der abgelaufenen Saison der Klassenerhalt sein, auch wenn einige Fantasten schon wieder leise Hoffnungen auf die Teilnahme an der Champions League hegen. Eichin würde sich über einen einstelligen Tabellenplatz freuen. Der Start wird wichtig sein, um nicht gleich wieder unten reinzurutschen und einigermaßen ruhig arbeiten zu können. So ganz gefestigt ist die Mannschaft trotz der kleinen Fortschritte wohl noch nicht, das zeigte auch die mühevolle Vorstellung im DFB-Pokal gegen Illertissen.

Immerhin scheinen die Zweifel am Trainer, der nicht immer unumstritten war, ausgeräumt. Robin Dutt selbst hat sich längst bestens eingelebt und Großes vor. "Die Fans haben es mit ihrem unglaublichen Verhalten in der vergangenen Saison geschafft, meine Phantasie zu wecken: Es gibt tatsächlich noch einen Bundesliga-Standort, an dem du als Trainer Höhen und Tiefen durchstehen kannst. Hier habe ich die Hoffnung, nicht mehr meinen Arbeitsplatz wechseln zu müssen", sagte er der "Syker Kreiszeitung". Selbst für Bremer Verhältnisse ist das ein sehr hohes Ziel.

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