Unterhaching reloaded?

Von Adrian Franke
Der SC Paderborn startet mit einem Heimspiel gegen Mainz 05 sein Bundesliga-Abenteuer
© getty

Vor dem Start der 52. Bundesliga-Saison stellt SPOX alle 18 Klubs vor - mit allen Transfers, Hintergründen und der Saison-Prognose. Diesmal: Der SC Paderborn.

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Bis zuletzt wollten sie in Paderborn nichts von Wundern, Sensationen und dem Premieren-Aufstieg in die Bundesliga wissen. Sechs Spieltage vor Ende der Vorsaison stellte Pressesprecher Matthias Hack klar: "Wir reden nicht über die Bundesliga." Gleichzeitig betonte Präsident Wilfried Finke, ein Aufstieg wäre "eine der größten Sensationen der deutschen Fußballgeschichte".

Doch vier Siege, ein Unentschieden und eine Pleite später war klar, dass die Ostwestfalen als "krassester Außenseiter der Bundesligageschichte", wie Trainer Andre Breitenreiter betonte, ins Oberhaus aufsteigen.

"Schaut man auf unsere Möglichkeiten und Bedingungen, liegen wir weit abgeschlagen am Ende der Tabelle", mahnte Breitenreiter. "Unser Ziel ist es deshalb, den offensiv ausgerichteten Fußball der Vorsaison auch in der Bundesliga zu spielen und so eine weitere Sensation mit dem Klassenerhalt zu erzielen."

Eine Philosophie, die als klarer Underdog zweifellos auch in die Hose gehen kann, denn auch Manager Michael Born stellt klar: "Fürth und Braunschweig waren beim Aufstieg einen Schritt weiter als wir. Mit unserem Etat ist noch niemand aufgestiegen."

Das ist neu:

Die halbe Offensive. Mit Saliou Sane, Rick ten Voorde und Johannes Wurtz gingen drei Offensivkräfte, im Gegenzug kamen für den Angriff Moritz Stoppelkamp, Stefan Kutschke, Marvin Ducksch, Idir Ouali, Lukas Rupp und Viktor Maier.

Vor allem der vom BVB ausgeliehene Ducksch, aber auch Ouali und Rupp können die Offensive neu beleben. Während Ducksch den Etablierten im Sturmzentrum Druck machen soll, bieten Ouali, Rupp und auch der von 1860 München verpflichtete Stoppelkamp neue Waffen auf den Flügeln, die Paderborn zudem zusätzliches Konter-Potential verschaffen - eine wichtige Eigenschaft für den Aufsteiger.

Wichtig ist außerdem, dass der aus Gladbach ausgeliehene Elias Kachunga (15 Scorerpunkte in der Vorsaison) fest verpflichtet werden konnte. Gleichzeitig aber ist es insgesamt eine enorme Fluktuation, die den Aufsteiger zu Saisonbeginn den einen oder anderen Punkt zusätzlich kosten könnte.

In der vergangenen Zweitliga-Saison erzielte zwar nur Fürth (64) mehr Tore als Paderborn (63), doch auch Breitenreiter weiß, dass das Konzept erst wieder eingeimpft werden muss: "Ein zentraler Punkt ist die Integration unserer Neuzugänge. Wir müssen die Abläufe aufeinander abstimmen, damit wir mannschaftlich geschlossen arbeiten und auftreten können. Damit waren wir bereits in der vergangenen Saison sehr erfolgreich."

Ganz anders sieht es dagegen in der Abwehr aus. Paderborn verpflichtete im aktuellen Transferfenster keinen einzigen Defensivspieler und verlor auch keinen Stammspieler. Die Formation ist also eingespielt und sollte von Beginn an funktionieren.

Die Taktik:

Breitenreiter schwankt zwischen einem 4-1-4-1, in dem der gelernte Innenverteidiger Patrick Ziegler häufig als Sechser zwischen den Ketten eingesetzt wird, und einem 4-4-2 mit klassischer Doppelsechs. In dem Fall bilden Marvin Bakalorz und Mario Vrancic die Mittelfeldzentrale.

Saglik und Kachunga spielen dann im Sturmzentrum, bietet Breitenreiter nur eine Sturmspitze auf, erhielt zumeist Kachunga den Vorzug. In beiden Systemen verschieben die zentralen Mittelfeldspieler häufig auf eine Seite, um so Überzahlsituationen zu kreieren.

Darüber hinaus lebt Paderborns Offensivspiel von Regisseur und Freistoßexperte Alban Meha. Der Albaner war in der vergangenen Spielzeit bei 25 Einsätzen an 15 Treffern direkt beteiligt und kann das Spiel dirigieren. Allerdings wird er wegen eines im Test gegen Haifa erlittenen Einrisses im Außenmeniskus einige Wochen ausfallen.

In den Testspielen probierte Breitenreiter zudem einige Varianten, mit denen sich die Mannschaft aber sichtlich schwer tat. Gegen Maccabi Haifa (1:2), Athletic Bilbao (1:2), den VfL Osnabrück (1:1) und Arminia Bielefeld (0:2) blieben Erfolgserlebnisse aus. Allerdings ändert all das nichts an Breitenreiters offensiver Philosophie. Beim 3:1 gegen den FC Everton funktionierte die auch wieder richtig gut.

Paderborns große Stärke in der Vorsaison war die variable Offensive. Breitenreiter hat sich dafür bei der WM noch Ideen geholt: "Eine sehr wichtige Erkenntnis war, dass Mannschaften, die individuelle Nachteile hatten, als Team aufgrund ihrer Variabilität im Spielsystem sehr gut funktionierten. Dadurch machten sie den großen Mannschaften das Leben schwer. Das war sehr guter Anschauungsunterricht für uns."

Der Spieler im Fokus:

Der Star in Paderborn ist ganz klar Trainer Breitenreiter. Der 40-Jährige arbeitete bis vor einem Jahr in der Regionalliga Nord und schaffte in seinem ersten Jahr beim SCP den Aufstieg.

Blickt man aber auf dem Platz, steht Kapitän Uwe Hünemeier in der insgesamt jungen Mannschaft als verlängerter Arm des Trainers besonders im Fokus. Der 28-Jährige, der bereits fünf Bundesligaspiele für den BVB absolvierte und insgesamt 111 Zweitligaspiele vorweisen kann, ist der Anker in der Abwehr und genießt höchsten Respekt bei Mitspielern und Trainern.

"Er geht immer voran, bringt Führungsqualitäten und umfangreiche Erfahrung mit", lobt Breitenreiter. Und der Coach weiß, dass er seinen Abwehrchef braucht: Seit dem VfL Bochum 2001/2002 (49 Gegentreffer) ist kein Team mehr mit derart vielen Gegentoren direkt aufgestiegen wie die Ostwestfalen (48).

Durch die zumeist offensive Grundordnung wird die Defensive zusätzlich gefordert - in der Bundesliga erst recht. Hünemeier selbst hat ein dazu passendes Motto für die kommende Saison: "Angst ist ein schlechter Begleiter."

Die Prognose:

Tatsächlich sind die Äußerungen der Paderborner Verantwortlichen kein Understatement. Der Klub entging vor zwei Jahren noch knapp dem Abstieg in die 3. Liga und stieg mit einem Rekord-Tiefst-Etat von 6,2 Millionen Euro auf. Für die Bundesliga ist ein Etat in Höhe von rund 14 bis 15 Millionen Euro eingeplant.

Zudem hat kaum ein SCP-Spieler Bundesligaerfahrung. Lediglich Mahir Saglik sticht mit seinen 31 Jahren und 131 Zweitliga- sowie 15 Erstligaspielen heraus.

Dazu kommt die offensive Ausrichtung im Aufstiegsjahr, ein Stil, der für einen Aufsteiger im Oberhaus immer schwer durchsetzbar ist. Zuletzt musste das der FC St. Pauli vor drei Jahren erfahren, als die Hanseaten sang- und klanglos abstiegen.

Alles andere als der direkte Wiederabstieg für die Ostwestfalen wäre eine noch größere Sensation als der unerwartete Aufstieg.

Immerhin weiß Breitenreiter aber wie es geht, 1999/2000 hielt er sensationell mit der SpVgg Unterhaching die Klasse: "Wir hatten damals nur eine Chance, wenn wir unseren individuellen Nachteil durch Teamgeist ausgleichen. Das ist uns hervorragend gelungen. Mit dem SC Paderborn streben wir das auch an und dann können wir vielleicht das zweite Unterhaching werden."

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