Der VfB Stuttgart ist nach einer Saison mit drei Trainern und zahlreichen Krisen nur knapp dem Abstieg entkommen. Der Fehlstart unter Bruno Labbadia wurde von dessen Nachfolger Thomas Schneider nur vorübergehend korrigiert. Am Ende war die Angst vor dem Abstieg größer als der Wunsch nach einem konsequenten Festhalten an einem Trainertypen wie Schneider.
Stattdessen kam zuerst Alt-Haudegen Huub Stevens und zur neuen Saison der VfB-erprobte Armin Veh. Der 53-Jährige soll den nächsten Neustart in Stuttgart einleiten.
Das ist neu:
Mit Armin Veh hat der VfB Stuttgart seinen Wunschtrainer verpflichtet. Der Meister von 2007 stößt in Stuttgart auf große Sympathien, er dürfte vorerst Kredit bei den Fans haben. Veh kennt das Umfeld sowie Stimmung und Stimmungsschwankungen im Schwabenland. Mit guter Laune und Optimismus versucht er das skeptische Mantra zu durchbrechen. Doch auch der Meistercoach wird Ergebnisse liefern müssen.
Dafür bekam er immerhin fünf Neuzugänge an die Hand, wenngleich Daniel Ginczek nach seinem Kreuzbandriss noch eine lange Reha-Zeit vor sich hat. Florian Klein soll der Viererkette als Rechtsverteidiger mehr Stabilität verleihen, mit Oriol Romeu kam von Chelsea ein technisch hochversierter Spieler fürs Defensivzentrum.
Filip Kostic kam für sechs Millionen aus Groningen, um die offensive Dreierkette - im Idealfall als Linksaußen - zu verstärken. In der zweiten Reihe steht hier auch Adam Hlousek bereit. Dazu sind die Leihgaben William Kvist und Raphael Holzhauser zurück und bieten sich zumindest als Alternativen für die Sechser-Position an.
Darüber hinaus steht die womöglich einschneidendste Veränderung erst noch bevor: Der Verein will zum Jahreswechsel mit Armin Veh als großem Fürsprecher die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung umsetzen. Sollte dies klappen, winken Stuttgart zusätzliche Millionen durch Investoren, u.a. Daimler gilt als Kandidat.
Die Taktik:
Das 4-4-2 mit Raute aus der ersten Halbzeit im Test gegen Heidenheim (4:2) bewährte sich nicht. Veh dürfte also in Stuttgart wie schon in Frankfurt hauptsächlich ein 4-2-3-1 spielen lassen. Gegen Bochum ließ sich bereits erahnen, dass er dabei auf einen sehr defensiven Sechser (Romeu) und eine offensiver ausgerichtete Halbposition (Gentner) setzt, sodass es fast schon ein 4-1-4-1 war.
Allerdings fehlte Romeu die Bindung zum Rest des Mittelfeldes, da Gentner weit vorne agierte und sich keiner aus der offensiven Dreierkette auch mal an den Mittelkreis fallen ließ. Die Abstimmung stockte gewaltig. Die Folgen: Ein holpriger, von Fehlpässen und langen Bällen geprägter Spielaufbau. Daran wird Veh noch feilen müssen.
Auch Vehs laufintensives Spiel gegen den Ball war gegen Bochum noch nicht in seiner gewünschten Form erkennbar, die Umschaltbewegungen zu behäbig, die Positionswechsel in der Offensive zu durchschaubar.
Eine taktische Alternative wäre ein Hybrid aus 4-3-3 und 4-1-4-1 mit zwei Halbpositionen neben Romeu, das dem VfB im Spielaufbau mehr Varianten und im Angriffsspiel mehr Flexibilität böte. Mit beispielsweise Moritz Leitner oder Carlos Gruezo an seiner Seite könnte Romeu Gentner den Rücken freihalten, sodass sich dieser wie in Bochum offensiv orientieren kann. Die Variante mit Gentner und Didavi dürfte eine Spur zu offensiv sein.
Das Interview: Armin Veh
SPOX: In Stuttgart sind Sie Armin Veh, der Meistertrainer. Die Fans hoffen auf eine sportliche Wende. Wie nehmen Sie die traditionell hohe Erwartungshaltung in Stuttgart wahr?
Veh: Damit kann ich gut umgehen. Bei großen Klubs mit großer Anhängerschaft ist das überall gleich. Mir ist wichtig, dass ich die Mannschaft in aller Ruhe kennenlerne. Erst dann werde ich formulieren, was notwendig und was möglich ist. Ich kenne die Konkurrenz und kann mich selbst gut einschätzen. Aber man muss auch nicht immer genau sagen, wo man steht. Sonst kann man auch keine Überraschung schaffen.
SPOX: Wie steht es um die zahlreichen Nachwuchstalente? Robin Yalcin hat bereits Bundesliga-Erfahrung, aber ein Tim Leibold beispielsweise war schon in Trainingslagern dabei, wartet aber auf sein Debüt.
Veh: Ich habe junge Spieler immer erst dann hochgezogen, wenn sie weit genug waren, um auch zum Einsatz zu kommen. So habe ich es damals schon mit Sami Khedira oder Andreas Beck gehandhabt. Die Jungs brauchen immer erst eine Heimat. Talent bringt ihnen nichts, wenn sie die ganze Woche bei uns trainieren, aber dann in der zweiten Mannschaft spielen. Wir gehen da einen anderen Weg: Junge Spieler sollen so lange bei der zweiten Mannschaft trainieren und spielen, bis wir uns sicher sind, dass sie stark genug für Einsätze bei Profis sind. Ein Hin und Her bringt den Jungs nichts.
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Der Spieler im Fokus:
Vedad Ibisevic. Die VfB-Bosse hatten mehrmals erklärt, ein richtiger Stürmer werde nach Ginczek nicht mehr verpflichtet. Allerdings wird es noch lange dauern, bis der Ex-Nürnberger seinen Kreuzbandriss komplett auskuriert und voll belastbar ist. Gleiches gilt für Mohammed Abdellaoue. Werner, Harnik und Kostic haben ihre Stärken auf den Flügelpositionen.
Damit bleibt für die Position in der Spitze vorerst nur Ibisevic, der tunlichst fit bleiben sollte. Gerade vor dem Hintergrund, dass 6-Millionen-Mann Kostic noch nach seiner Form sucht, ruhen die Tor-Hoffnungen auf Ibisevic. Eine Verletzung, Sperre oder Form-Krise von Ibisevic könnte Stuttgart vor gewaltige Probleme stellen.
Die Prognose:
"Es wird ein unruhiger Beginn", stellte Fredi Bobic nach der Pokalpleite gegen Bochum fest. Er wird Recht behalten. Mit Gladbach, Köln, Bayern, Hoffenheim und Dortmund erwartet den VfB ein beinhartes Auftaktprogramm, das Pokal-Aus war ein erster kräftiger Dämpfer für die allgemeine Stuttgarter Aufbruchsstimmung.
Erschreckender als das blanke Ausscheiden war jedoch die Art und Weise. Ohne eine einzige echte Torchance und ohne großes Aufbäumen ergab sich Stuttgart seinem Schicksal. Stuttgart legte setzte weder Vehs Spielidee um noch legte der VfB die nötige Mentalität an den Tag. Zwei Baustellen, an denen Veh noch zu arbeiten hat.
Die von Bobic angekündigte Unruhe wird spätestens mit den ersten Rückschlägen in der Liga kommen, jedoch hat Veh einen außergewöhnlich großen Vertrauensvorschuss in Stuttgart - eine nicht zu unterschätzende Grundlage für Kontinuität.
Ein erneuter Abstiegskampf dürfte den VfB aufgrund der Klasse des Kaders und des krisenerprobten Trainers nicht erwarten. Doch das europäische Geschäft scheint nach der bisherigen Vorbereitung weit entfernt. Es winkt ein weiteres "Übergangsjahr".
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