Der VfL Wolfsburg hat sich in der vergangenen Saison zum Bayern-Jäger Nummer eins aufgeschwungen. Auch wenn die Wölfe insgesamt noch zu inkonstant spielten, um den Münchnern den Titel ernsthaft streitig zu machen, so machten das Team genau wie die Verantwortlichen doch unmissverständlich klar: In der Autostadt wächst etwas zusammen.
Das Erfolgsduo bestehend aus Manager Klaus Allofs und Trainer Dieter Hecking wurde folgerichtig mit vorzeitigen Vertragsverlängerungen belohnt. Hecking, der Wolfsburg als erdendes, ruhiges Element auch abseits des Platzes gut tut, sagte nach dem Sieg im Supercup über den FC Bayern einige Wochen nach dem Triumph im DFB-Pokal: "Wir haben nach den zwei Titeln in Folge Blut geleckt."
So geht Wolfsburg, dessen Verantwortliche zuletzt vermehrt die Liga aufgefordert haben, auf dem Rasen den Respekt vor dem FC Bayern abzulegen, auch in die kommende Saison als selbsternannter und logischer Bayern-Jäger Nummer eins.
Abgesehen von den Münchnern verfügt kein Team über einen besseren Kader, der zudem eingespielter sein sollte als nahezu alle anderen Topteams der Liga. Und doch gibt es auch für die Wölfe Stolperfallen.
Das ist neu:
Der Königstransfer der Niedersachsen ist ob der sparsamen Einkaufspolitik des Sommers, insgesamt gab Wolfsburg lediglich 14,7 Millionen Euro für neue Spieler aus, schnell ausgemacht: Für zwölf Millionen Euro kam Max Kruse von Borussia Mönchengladbach und der 27-Jährige soll der Offensive das womöglich fehlende Puzzlestück liefern.
Abgesehen von Kruse setzen die Wölfe ganz bewusst auf Kontinuität, die im Vorjahr so erfolgreiche Mannschaft soll zusammenwachsen. Allofs betont außerdem: "Es ist schwer, Spieler zu bekommen, die diesen Kader besser machen."
Und tatsächlich: So lange Spieler wie Andre Schürrle, Nicklas Bendtner, Bas Dost, Robin Knoche oder auch Maximilian Arnold von der Bank kommen können, ist die Kadertiefe wenigstens fürs erste keine Baustelle. Auch wenn der FC Bayern hier natürlich noch ganz andere Kaliber aufzufahren hat.
Wolfsburg hat es darüber hinaus aber offenbar geschafft, die finanzkräftigen und namhaften Bieter auf die Dienste von Kevin De Bruyne zumindest vorerst abzuweisen - der, sollte es auch tatsächlich dabei bleiben, wohl größte Erfolg der Wolfsburger im diesjährigen Transferfenster, wenngleich Manchester City angeblich weiter nicht locker lässt.
So verließen auch lediglich Ergänzungsspieler das Team, der Chinese Xizhe Zhang musste Wolfsburg nach nur einem halben Jahr und ohne Pflichtspieleinsatz wieder verlassen. Der 24-Jährige ging für zwei Millionen Euro zurück zu seinem Ex-Klub BJ Guoan.
Der verantwortungsvollere Umgang mit dem Geld sowie die klare Positionierung als Herausforderer des FC Bayern hat Wolfsburg zudem ein wenigstens leicht verbessertes Image eingebracht. Der von Traditionalisten nach wie vor ungeliebte Klub aus der Autostadt könnte mit Erfolgen in der Champions League hier einen weiteren Schritt nach vorne machen.
Die Königsklasse ist gleichzeitig aber für die meisten Spieler im Kader neu und somit gilt es hier für Hecking, früh die richtige Balance zu finden. Vermeidbare Punktverluste gegen die vermeintlich kleineren Teams der Bundesliga müssen tabu sein, soll der Angriff auf den FC Bayern fortgesetzt werden.
Die Taktik:
An Heckings 4-2-3-1 als Ausgangsformation wird sich auch in dieser Saison wenig ändern. Personell baut Wolfsburg ebenfalls auf Kontinuität, sieht man von der Kruse-Verpflichtung ab. Der für zwölf Millionen Euro aus Gladbach verpflichtete Offensivmann könnte direkt in die Startformation rutschen und sollte eine spielstärkere Option im Vergleich zu Bas Dost bieten, der im Vorjahr abgesehen von seinen Toren zu oft untertauchte.
Dadurch soll, im Zusammenspiel mit De Bruyne, Ivan Perisic und Daniel Caligiuri, noch mehr Flexibilität Einzug erhalten. Kruse brachte es gegenüber Sport1 bereits selbst auf den Punkt: "Wir wollen schwerer ausrechenbar sein, die Positionen auch mal tauschen, um dem Gegner nicht die Möglichkeit zu geben, uns alle zuzustellen."
Das wurde bereits im Pokalspiel gegen die Stuttgarter Kickers (4:1) deutlich: Hecking gewährte seinen vier Offensivspielern große Freiheiten bei den Rochaden, was zu flüssigen Wechseln zwischen einem 4-4-2 und einem 4-2-3-1 mit jeweils wechselnden Spielern auf den unterschiedlichen Positionen innerhalb der beiden Systeme führte.
"Der Trainer will, dass wir Eigeninitiative ergreifen. Aber jeder weiß, was er auf jeder Position zu tun hat", zitiert die Wolfsburger Allgemeine Kruse und Hecking fügt hinzu: "Wir haben die Variabilität im Offensivspiel erhöht. Wichtig ist aber, dass wir trotz der vielen Positionswechsel noch die Ordnung gegen den Ball haben."
Immerhin gilt es für den VfL generell an der Arbeit gegen den Ball weiter zu feilen. Zu häufig gab es in der Vorsaison schnelle und gleichsam vermeidbare Gegentore nach Ballverlusten im Spielaufbau, kein Team aus der Top-Vier kassierte mehr Gegentreffer als Wolfsburg (38) oder ließ mehr Großchancen zu als die Wölfe (42).
Der Spieler im Fokus:
Kevin de Bruyne. Mit dem Belgier stehen und fallen die hohen Ambitionen der Niedersachsen. Zehn Tore und 21 Assists sammelte der Fußballer des Jahres in der vergangenen Saison, damit war er an 31 der 72 VfL-Treffer direkt beteiligt.
De Bruyne ist das Herz und die Seele des Wolfsburger Spiels und zuständig für die kreativen Geistesblitze sowie die Eins-gegen-Eins-Situationen in der Offensive. In der Zentrale genießt er daher alle Freiheiten und de Bruyne ist der Spieler im Kader der Wölfe, der Partien alleine entscheiden kann. Hecking glaubt zudem sogar, dass sein Spielmacher an den Aufgaben der Champions League weiter wachsen wird.
Gleichzeitig aber muss de Bruynes Rolle auch kritisch hinterfragt werden. Wolfsburg ist extrem abhängig von dem schmächtigen Belgier, um den es weiterhin Transfergerüchte gibt. Es scheint schwer vorstellbar, dass das Team einen längeren Ausfall oder gar einen Wechsel seines Superstars kompensieren könnte.
In jedem Fall wird es spannend zu sehen, ob de Bruyne seine herausragende Vorsaison bestätigen kann - und diese womöglich sogar noch toppt. Für den VfL wäre es ein zweischneidiges Schwert, denn in dem Fall wäre der Nationalspieler wohl nicht mehr zu halten.
Kevin de Bruynes Statistiken der Saison 2014/15
Die Prognose:
Ein homogener, eingespielter Kader, gepaart mit einer guten sportlichen Führung und einem Ausnahmespieler als Herz des Teams - Wolfsburg wird dem FC Bayern auch in der kommenden Saison das Leben schwer machen und das Titelrennen womöglich spannender gestalten als zuletzt.
Gleichzeitig müssen die Wölfe aber auch die Verfolger im Auge behalten, Schalke und vor allem Dortmund werden das Rennen um die ersten vier Plätze wieder mitprägen.
"Es hat Spaß gemacht, nach dem Pokalsieg den nächsten Titel zu holen. Und natürlich wollen wir in Zukunft am liebsten weitere gewinnen", stellte Hecking am Mittwoch in der Sport Bild klar. Eine direkte Kampfansage an den FC Bayern sparte er sich, fügte aber hinzu, dass der VfL "da sein" will, falls der Rekordmeister eine Schwächephase haben sollte.
Wolfsburg ist stark genug, um die Doppelbelastung mit der Champions League zu schultern. Die erneute direkte Qualifikation für die Königsklasse ist in jedem Fall Pflicht und wird am Ende auch gelingen. Zum Titel reicht es angesichts der Münchner Überlegenheit aber (noch) nicht.
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