Alex Ferguson wirkte komplett konsterniert. Mit fortwährender Spieldauer sackte der Trainer von Manchester United immer tiefer in seinen flauschigen Sessel hinab, umgeben von Betreuern und Spielern der Red Devils, deren versteinerte Gesichter allenfalls beim Kaugummi kauen Regung zeigten.
Ferguson enttäuscht
Was sich da auf dem Rasen im Stadio Olimpico zu Rom abspielte, wollte so recht keiner glauben, der United in irgendeiner Form nahesteht. Der Titelverteidiger wurde im Champions-League-Finale vom FC Barcelona schlichtweg hergespielt. Die Unterlegenheit der Ferguson-Elf war frappierend.
"Das war eine enttäuschende Vorstellung von uns. Es war unser 66. Spiel in dieser Saison. Aber das darf keine Entschuldigung für diese Leistung sein", sagte Ferguson. Die Gründe sah der Titelsammler im Defensivverhalten seiner Mannschaft. "Wir haben die ganze Saison von unserer Defensivstärke gelebt. Davon war nichts zu sehen. Die Tore waren vermeidbar. An diesem Abend hat die bessere Mannschaft gewonnen."
Ronaldo kritisiert Taktik
Rio Ferdinand meinte, dass kein United-Spieler von sich behaupten könne, "ordentlich" gespielt zu haben und Cristiano Ronaldo fehlte schlichtweg der Glaube an die eigene Stärke. "Das Team mit der größeren Überzeugung hat gewonnen. Das ist die bitterste Enttäuschung meiner Karriere und der schlimmste Tag meines Lebens", sagte der Portugiese.
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"Wir haben zehn Minuten gut gespielt, uns dann aber nie mehr selbst gefunden. Es lief einfach alles falsch für uns. Außerdem war unsere Taktik falsch", ergänzte Ronaldo.
Will da jemand etwa seinen Wechsel zu Real Madrid forcieren? Falsche Taktik! Ein heftiger Vorwurf gegen Sir Alex Ferguson. Der Coach hatte Ronaldo im Sturmzentrum aufgeboten und den Weltfußballer damit offenbar verärgert. Immerhin war Ronaldo der spielbestimmende Mann der ersten zehn Minuten und hätte United in Führung schießen können.
United kapituliert
Nach Samuel Eto'os Treffer (10.) ging indes nichts mehr bei United, was nicht nur an der eigenen fehlenden Aggressivität lag, sondern vor allem am brillianten Gegner. "Xavi und Iniesta haben den Ball den ganzen Abend nicht hergegeben. Wenn diese Mannschaft ins Rollen kommt, ist sie praktisch nicht zu verteidigen", kapitulierte Ferguson.
Wayne Rooney bezeichnete Iniesta als den "besten Spieler der Welt" und Ryan Giggs gab zu, dass er sich "teilweise verarscht vorkam", weil Barca den Ball episch lange in den eigenen Reihen hielt, ohne dass ein Red Devil dazwischen hauen konnte.
Guardiola bleibt bescheiden
Pep Guardiola hatte dafür eine denkbar simple Erklärung. "Ohne Ball sind wir eine schreckliche Mannschaft. Also holen wir uns den Ball, weil wir dann stark sind", sagte der Barca-Coach, der in seiner ersten Saison gleich das Triple aus Meisterschaft, Copa del Rey und Champions League gewann. Guardiola blieb auch im Moment des größten Triumphs bescheiden.
"Wir sind nicht das beste Barca-Team aller Zeiten, aber das erfolgreichste. Das Triple hat Barca schließlich noch nie gewonnen", so Guardiola, der fast peinlich berührt war, als seine Spieler ihm den Pott aushändigten, damit er sich von den Fans feiern lassen konnte.
Seine Mannschaft konnte im Vergleich zu den beiden Halbfinal-Spielen gegen den FC Chelsea ihr urtypisches Spiel durchziehen: Ballzirkulation bis zum Exzess, um dann plötzlich zuzuschlagen. "Es gibt im Fußball nichts gefährlicheres, als selbst kein Risiko zu gehen. Wenn man attackiert, bekommt man auch mehr Chancen, ein Spiel zu gewinnen. Das ist keine bahnbrechende Erkenntnis, sondern einfach nur logisch", sagte Guardiola. Mit 32 Treffern hat die torhungrigste Mannschaft die Champions League gewonnen.
Presse feiert Barca
Die heimische Presse sang selbstredend ein Loblied auf Barca. "Diese Mannschaft ist ein Kunstwerk. Der Fußball verbeugt sich vor der besten Mannschaft der Welt", schrieb "Marca". Der "AS" genügte ein simples "TRIPLETE!!!" und "El Mundo Deportivo" schmetterte "Barca, Barca, Barca!!!", in Anlehnung ans Triple und die Vereins-Hymne.
Kapitän Carles Puyol widmete die Titelorgie den Anhängern: "Diese ganzen Titel sind auch für unsere Fans. Sie mussten in den letzten zwei Jahren leiden. Unsere Fans haben für unsere Erfolge genauso gekämpft wie wir. Ich hoffe, sie genießen den Moment."
Für Thierry Henry schloss sich am Mittwoch in Rom der Kreis. 2006 hatte er mit dem FC Arsenal das Finale der Königsklasse gegen Barca 1:2 verloren, diesmal gehörte der Franzose zu den Gewinnern.
"Man erinnert sich nur an Sieger. Du kannst ein tolles Spiel abliefern, den Gegner beherrschen, aber wenn du verlierst, interessiert das niemanden", sagte Henry. Wenigstens eine erfreuliche Erkenntnis für das Manchester United vom 27. Mai 2009.
FC Barcelona - Manchester United: Daten & Fakten