Diese eine Szene ging um die Welt, sie war neben Zinedine Zidane das Symbol des französischen Triumphs bei der Heim-WM 1998. Laurent Blanc steht dazu, aber er würde sie heute nicht mehr so öffentlich zur Schau stellen.
"Die Sache mit Barthez' Glatze? Es war ein Ritual, ein Aberglaube. Und was soll ich sagen - wir wurden Weltmeister!"
665 Spiele in Frankreich, Italien, England
Laurent Blanc feiert in ein paar Tagen seinen 44. Geburtstag. Das ist kein Alter für einen gestandenen Trainer, aber Blanc ist nach nur zwei Jahren als Verantwortlicher einer Profi-Mannschaft und vor dem Champions-League-Knaller beim FC Bayern München (20.45 Uhr im LIVE-TICKER und auf SKY) einer der begehrtesten Trainer des Kontinents.
Ein ganz normales Endspiel: Der FC Bayern vor dem Duell mit Bordeaux
Die Karriere eines der besten Abwehrspieler seiner Zeit begann beim Herault Sport Club Montpellier.
Von dort aus bereiste er in 20 Jahren drei Länder und acht verschiedene Klubs, darunter den SSC Neapel, FC Barcelona, Inter Mailand und zum Ende einer beeindruckenden Karriere mit insgesamt 665 Liga-Spielen Manchester United.
Taktik-Abende mit Sir Alex
Besonders prägte ihn seine letzte Station in Manchester. Dreimal hatte Alex Ferguson vergeblich versucht, Blanc für die Red Devils zu gewinnen.
Als der dann 2001 endlich in Old Trafford vorstellig wurde, hatte Fergie nicht nur seinen neuen Abwehrchef verpflichtet, sondern auch eine ernsthafte Option für seine eigene Nachfolge als United-Coach.
"Laurent Blanc war immer ein Musterprofi und ein ganz heller Kopf dazu", sagte Ferguson, der mit dem Franzosen endlos lange Abende zusammensaß und über Taktik und Aufstellungen diskutierte.
David Beckham war die Lichtgestalt jenes United, Blanc dessen heimlicher Chef. "Ich wollte ihn nach seinem Karriere-Ende bei United behalten, aber Laurent wollte erst noch lernen", erinnerte sich Ferguson.
Hospitanzen bei Lippi und Wenger
Also machte sich Blanc nach seiner Hospitanz bei Sir Alex auf zu Marcello Lippi und Arsene Wenger, machte nebenbei sein Diplom in Sportmanagement. Plötzlich fühlte er sich gewappnet für seinen ersten Job als Trainer - aber keiner der französischen Top-Klubs interessierte sich für einen Novizen ohne jegliche Erfahrung.
Aus Marseille, Monaco und Auxerre hagelte es Absagen. Beim französischen Verband wollte Blanc eine Stelle erhaschen, im günstigsten Fall als Nationaltrainer. Jürgen Klinsmann hatte es schließlich vorgemacht. Aber mehr als ein müdes Lächeln wollte ihm Präsident Jean-Pierre Escalette nicht gewähren.
Mit seiner forschen Art hatte sich Blanc ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. Er sah sich als Erneuerer des Fußballs, als Revolutionär. Aber er hatte keinen Verein, dafür war er aber in einigen Interviews mit seinem Vorwärtsdrang angeeckt.
Bordeaux schnappt sich Blanc
Zum Glück hatte er noch Manager Jean-Pierre Bernes an seiner Seite. Der knüpfte im biederen Bordeaux erste zarte Kontakte. Die Girondins waren gerade enttäuschender Sechster geworden, mit astronomischen 24 Punkten Rückstand auf Meister Olympique Lyon.
Aber Klub-Boss Jean-Louis Triaud und der private Fernsehsender M6, dem der Klub seit zehn Jahren gehört, fanden doch noch Gefallen an dem Gedanken, einen Berufsanfänger auf ihre Mannschaft loszulassen. Triaud jedoch erst nach einigem guten Zureden aus seinem Umfeld. "Meine Güte. Nie im Leben hätte ich daran gedacht, Laurent Blanc zu verpflichten..."
Training statt Urlaub
Er tat es doch und sollte schon bald von Blancs feurigem Eifer überrascht werden. Dessen Start ins Trainergeschäft hätte selbst alte Schleifer-Haudegen wie Werner Lorant oder Egon Coordes anerkennend mit dem Kopf nicken lassen.
Blanc griff wenige Stunden nach der Vertragsunterzeichnung zum Telefon und kommandierte seine zukünftigen Spieler aus deren Urlaub zu zusätzlichen Einheiten zurück auf den Trainingsplatz.
Die ersten Erfolge stellten sich nach einer Weile ein. Nachdem Blanc eine schwierige Phase mit einer guten Portion Rückendeckung aus dem Präsidium überstanden hatte, beendete Bordeaux die Saison als Zweiter und qualifizierte sich für die Champions League. Blanc selbst wurde zum Trainer des Jahres in Frankreich gewählt. Ein Jahr später holte Bordeaux nach zehn Jahren wieder die Meisterschaft.
Teammanager, nicht Trainer
Der 43-Jährige tritt bestimmend auf und mit Nachdruck. Das kann schnell auch störrisch oder arrogant wirken, aber Spieler, sein riesiger Trainerstab, die Fans und sogar große Teile der Presse pflegen ein inniges Verhältnis zu Blanc.
Der interpretiert seine Rolle mit angelsächsischer Prägung. Als Teammanager und vielleicht auch ein bisschen als Reformer, aber ganz sicher nicht als Arbeiter bei Wind und Wetter auf dem Trainingsplatz. Dafür hat er Jean-Louis Gasset, der vor 24 Jahren Blancs Trainer in Montpellier war.
"Natürlich tausche ich mich mit meinem Trainerstab aus. Aber letztlich behalte ich lieber die Kontrolle über unsere Taktik und die Transfers, die wir tätigen", sagt Blanc. "Heutzutage kann sich doch jeder massenweise Trainingsmethodik im nächstbesten Buchladen kaufen. Ich bin ein Supervisor, und kein Trainer im herkömmlichen Sinn."
"Man muss sich Siege erobern"
Und wieder erinnert er damit an sein Vorbild Alex Ferguson. Genau wie die Art Fußball, die er mit Bordeaux spielen lässt. Viel Ball- und Spielkontrolle, hohe Konzentration und körperliche Fitness.
"Behaupte den Ball, stärke deine Stärken, bereite dem Gegner ständig neue Probleme und riskiere im entscheidenden Moment auch etwas. Ich will nicht nur, dass meine Mannschaft gewinnt - ich will, dass sie dominiert", sagt Blanc.
"Das ist ein 'State of Mind', ein fundamentales Prinzip, das auch Manchester und der FC Barcelona teilen. Man gewinnt nicht einfach ein Spiel - man muss es sich erobern!"
Und später die Equipe Tricolore
In Frankreich genoss der stille Blanc schon als Spieler Heiligenstatus, wurde "le president" genannt. Hinter Michel Platini, Zinedine Zidane und Raymond Kopa wurde er zum viertwichtigsten französischen Fußballer aller Zeiten gewählt, er war der Schütze des ersten Golden Goals der WM-Geschichte.
Jetzt ist er dabei, dem ein neues Kapitel mit einem klar definierten Weg hinzuzufügen. "Mein perfekter Karriereweg wäre der Start in Frankreich, dann ein großes Team im Ausland zu trainieren und später die Equipe Tricolore zu übernehmen."
Heute muss Blanc keine Glatzen mehr küssen, um Erfolg zu haben. Aber immerhin hat er eine Ersatzbefriedigung gefunden. Am Spielfeldrand steht er fast immer mit einem Rührstäbchen aus Plastik im Mund.