Sicher, Ivica Olic' Tor in den letzten Sekunden der Nachspielzeit traf Manchester United ins Herz. Was die Engländer jedoch noch mehr schockierte, war eine Aktion acht Sekunden bevor der Ball im Netz zappelte: die Verletzung von Wayne Rooney.
"Betet, das Roo es schafft", schrieb die Online-Ausgabe der "Sun" am Tag danach und machte sich bereits Sorgen, dass die Verletzung des Stürmers so schwerwiegend sein könnte, dass er vielleicht sogar die WM verpassen könnte. "Bitte lass das nicht der Moment sein, in dem Englands WM-Traum stirbt", flehte die "Daily Mail".
Für die WM-Hoffnungen der Engländer gab es am Nachmittag Entwarnung. Bei einer Untersuchung in Manchester wurde bei Rooney ein verstauchter Knöchel festgestellt. Ausfallzeit: zwei bis vier Wochen.
Zurückgezogen und umgeknickt
Doch was war passiert? Als Mario Gomez sich im Mittelfeld den Ball schnappte und ein letztes Mal mit Brachialgewalt Richtung ManUtd-Sechzehner stürmte, kam Rooney schräg von hinten dazu, um Gomez den Weg abzuschneiden.
Gomez war jedoch schneller, und weil Rooney schon Gelb hatte, zog er zurück - und kam dabei so unglücklich mit dem rechten Fuß auf, dass er umknickte und sofort signalisierte, dass etwas nicht in Ordnung sei. Drei Mann mussten ihn schließlich vom Platz hieven.
Buchmacher ändern die Quote
Bänderriss im Knöchel, Syndesmosebandriss, oder doch wieder der Mittelfuß? Die Spekulationen griffen schnell um sich. Klar war nur, dass Rooney anschließend nicht mit dem Mannschaftsbus zurück ins Hotel fuhr, sondern erst lange nach Spielende als Letzter aus der Kabine kam - mit zwei Krücken bewaffnet und mit einer Spezialschiene am Fuß, die normalerweise bei Achillessehnen-Verletzungen angelegt wird.
Sir Alex Ferguson berichtete zuvor auf der Pressekonferenz, dass es angeblich nicht so schlimm sei. "Wayne hat sich am Knöchel verletzt. Es ist zu früh, etwas darüber zu sagen", meinte der Sir. Die englischen Buchmacher änderten die Quote für einen WM-Sieg der Three Lions am Mittwoch dennoch schon mal vorsorglich von 5-1 auf 6-1.
Um die WM muss sich Rooney nach der Diagnose am Mittwoch keine Sorgen machen - die wichtigen Spiele gegen Chelsea (Samstag) und Bayern (Mittwoch) wird er aber auf alle Fälle verpassen. Frappierend: Es ist bereits Rooneys zwölfte Verletzung im Fuß- bzw- Sprunggelenksbereich. Und der Mann ist erst 24 Jahre alt.
Ferguson traf die falsche Entscheidung
Rooneys Mitspieler flüchteten sich derweil in Durchhalteparolen. "Wir haben auch schon in Bolton ohne ihn gespielt", wies Edwin van der Sar auf den 4:0-Sieg vom Samstag hin. "Verletzungen passieren. Klar will man immer die besten Spieler zur Verfügung haben, aber wenn einer fehlt, kommt ein anderer rein, der einen guten Job machen muss."
Zum Beispiel Dimitar Berbatow. Der Ex-Leverkusener war gegen Bolton zweifacher Torschütze und wurde in München nach 70 Minuten eingewechselt, um ManUtd wieder mehr Ballsicherheit zu geben. Ferguson war genervt davon, wie leichtfertig das Mittelfeld die Bälle verlor und wollte mit Berbatow und Antonio Valencia für Michael Carrick und Ji-Sung Park diesen Missstand beheben.
Der Schuss ging aber nach hinten los, weil Berbatow und Valencia nicht die Defensivqualitäten der beiden weichenden Spieler hatten - und so konnte das Bayern-Mittelfeld noch mehr Druck nach vorne ausüben. "Ich habe mit Berbatow einen Spieler eingewechselt, der den Ball halten und nach vorne bringen kann. Aber wenn man den Ball weggibt, muss man verteidigen und das haben wir nicht gut gemacht", meinte Ferguson angefressen.
Van der Sar hält United im Spiel
In Endeffekt war er von Louis van Gaal in den letzten 20 Minuten ausgecoacht worden - der brachte nämlich nach dem Ausgleich in Miroslav Klose sogar noch einen dritten Stürmer und beorderte den umtriebigen Ivica Olic für die Schlussminuten auf den rechten Flügel, von wo aus der Kroate zu seinem Siegtor ansetzte.
"Der Ball hat sich zwischen Evras Füßen verfangen und Evra ist drüber gestolpert. Das hat Olic erlaubt, den Ball zu übernehmen und das Tor zu schießen", beschrieb Ferguson die Szene, die auf Rooneys Malheur folgte.
Das ManUtd nicht schon früher ins Hintertreffen geraten war, lag vor allem an van der Sar, der elf Torschüsse in teilweise atemberaubender Manier (u.a. in der Nachspielzeit gegen Gomez) parierte. "Ich hätte es gerne ein bisschen ruhiger gehabt", meinte der 39-jährige Oldie und fügte kritisch hinzu: "Wir hatten einen guten Start, aber danach haben wir nicht das gespielt, was wir können. Wir haben nie zu unserem Spiel gefunden."
"Ein herber Schlag"
Die Bayern kamen dagegen im Laufe des Spiels immer besser in die Partie, hielten den Ball gut in den eigenen Reihen und brachten United zum Laufen. Am Ende belohnten sich die Münchner mit dem 2:1.
"Ich hätte gerne ein 1:1 mitgenommen, aber es war nicht möglich. Wir haben selbst einige Spiele in der letzten Minute gewonnen - jetzt ist es mal passiert, dass wir eins so verloren haben. Das passiert im Fußball", meinte van der Sar über das bittere Ende aus ManUtd-Sicht.
"Der Schiedsrichter hat ja nicht mal mehr angepfiffen. Wenn man in der Nachspielzeit verliert, ist das ein herber Schlag." Und ohne Rooney im Old Trafford gegen die aggressiven Bayern zu bestehen, wird alles andere als leicht.