Giovane Elber, Ex-Profi und Südamerika-Scout des FC Bayern München, gewann 2001 die Champions League mit dem deutschen Rekordmeister. Im Interview mit SPOX spricht der Brasilianer über taktisch perfekten Inter-Fußball, den traumhaften Schweinsteiger und eine legendäre Bayern-Party.
SPOX: Herr Elber, zuerst muss ich Sie natürlich fragen, wie sauer Sie auf Claudio Pizarro sind? Er wird ja nächste Saison ihren Torrekord brechen.
Giovane Elber: Ich freue mich für ihn. Ich habe ihm im "ZDF-Sportstudio" eine Videobotschaft geschickt. Das muss reichen (lacht). Im Ernst: Es ist phänomenal, was er bislang in der Bundesliga geleistet hat. Er schießt über Jahre hinweg konstant sehr viele Tore. Ich glaube sogar, dass er die 200-Tore-Marke knacken kann.
SPOX: Bei Mario Gomez haperte es zuletzt am Toreschießen. Es kamen sogar Gerüchte auf, wonach er im Tausch mit Edin Dzeko abgegeben werden könnte. Wäre Dzeko einer für die Bayern?
Elber: Dzeko wäre für jedes Team der Welt einer. Aber man muss Gomez einfach mehr Zeit geben. Sein erstes Jahr bei Bayern war nicht gut, damit kann man nicht zufrieden sein. Es war sozusagen sein Lehrjahr. Es kann nur besser werden. Da sollte man einfach abwarten.
SPOX: Abwarten musste man auch bei Bastian Schweinsteiger, der nun aber seine ideale Position gefunden zu haben scheint. Wie beurteilen Sie seine Entwicklung?
Elber: Traumhaft! Van Gaal hat für ihn die richtige Position gefunden - endlich. Auf der Sechs kann er seine Stärken im Defensiv- und Offensivbereich am besten zur Geltung bringen. Das wird auch Deutschland bei der WM helfen.
SPOX: Bevor die WM losgeht, steht aber erst noch das Champions-League-Finale an. Ab welchem Zeitpunkt in der Saison haben Sie gedacht, dass für die Bayern der große Wurf mit drei Titeln möglich ist?
Elber: Nach dem Spiel in Manchester. Wenn man so viel Glück hat und noch zwei Tore nach einem frühen 0:3-Rückstand schießt, dann ist in solch einem Wettbewerb einfach alles drin. Ab da war ich für die Champions League sehr zuversichtlich, was die Bayern angeht.
SPOX: Der Knackpunkt zum Guten war aber der 4:1-Sieg bei Juventus Turin. 2001, als Sie mit den Bayern den Titel gewannen, war es die 0:3-Pleite in Lyon inklusive anschließender Wutrede von Franz Beckenbauer. Wie ist es zu erklären, dass ein einziges von dutzenden Saisonspielen eine solche Signalwirkung für die Zukunft haben kann?
Elber: Erstmal muss ich sagen, dass es mir richtig weh getan hat, wie die Bayern vor dem Spiel in Turin gespielt haben. Das war kein Fußball. Die sind orientierungslos auf dem Platz herumgeirrt. Van Gaal stand ja damals auch etwas auf der Kippe. Vor dem Juve-Spiel muss sich das Team in dieser prekären Lage zusammengerauft haben. Das hat man dann auch auf dem Spielfeld gesehen. Ein solcher Sieg setzt unheimliche Kräfte frei und man gewinnt viel Selbstvertrauen.
SPOX: Wie lief das denn 2001? Da war ja eine Niederlage der Knackpunkt.
Elber: Uns Spielern war damals einfach klar, dass das, was wir in Lyon und auch schon zuvor abgeliefert haben, extrem peinlich war. Uns war klar, dass wir nun richtig Gas geben, Gras fressen und alles dem Fußball unterordnen müssen. Also haben wir uns zusammengesetzt und diese Dinge angesprochen. Ab da lief es besser.
SPOX: Im Finale geht es gegen Inter Mailand. Haben die Bayern Glück gehabt, dass es nicht der FC Barcelona geworden ist?
Elber: Inter war mein Wunschgegner für die Bayern. Inter ist auf jeden Fall der leichtere Gegner. Gegen Barcelona wäre mir nach der Klatsche vom letzten Jahr doch mulmig geworden. Das Spiel von Barca mit hohen Ballbesitzzeiten und wenig Ballkontakten kommt den Bayern einfach nicht entgegen.
SPOX: Bis vor dem Rückspiel beim FC Chelsea hatte Inter kaum einer auf der Rechnung. Sie?
Elber: Nein, überhaupt nicht. Inter hat ja bislang auch noch keinen schönen Fußball gezeigt. Sie haben aber immer die Ergebnisse erzielt. Taktisch war das immer perfekt. Nur nicht schön.
SPOX: Was denken Sie nun, wie Inter auftreten wird? Bisher war ihre Taktik ja auch immer auf zwei Spiele ausgelegt. Erwarten Sie sie wieder so defensiv?
Elber: Ja. Es wird zwar nicht ganz so defensiv sein wie gegen Barcelona, aber schon ähnlich. Sie sind eine italienische Mannschaft, die stehen alle defensiv hervorragend und rücken von diesem Konzept auch nicht so schnell ab. Zumal es ja auch nur ein Spiel ist.
SPOX: Was müssen die Bayern dagegen machen?
Elber: Die Bayern müssen so spielen wie zuletzt. Viel mehr kann man da nicht dazu sagen. Aufpassen sollten sie aber auf die rechte Seite von Inter. Maicon marschiert oft nach vorne, schlägt gute Flanken und steht auch defensiv gut. Das könnte gefährlich werden.
SPOX: Gefährlich könnte auch Wesley Sneijder werden. Zuletzt wurde spekuliert, dass er nicht spielen kann. Beim Saisonfinale in Italien kam er aber zum Einsatz.
Elber: Ich hoffe, dass er vor dem Spiel Durchfall bekommt (lacht). Sneijder ist ein sehr eleganter Spieler mit einem präzisen Auge für seine Mitspieler, der auch defensiv überzeugt und in meinen Augen ein ganz wichtiger Bestandteil des Inter-Teams ist. Ich finde, dass man ihn ein wenig mit Franck Ribery vergleichen kann.
SPOX: Da sind wir beim nächsten Sorgenkind. Ribery wird den Bayern fehlen. Ist die Sperre für Sie nachvollziehbar?
Elber: Die Entscheidung ist eindeutig zu hart. Es war zwar eine Rote Karte, aber die hätte höchstens zwei Spiele Sperre nach sich ziehen müssen. Die Leute von der UEFA haben - mit ein paar Ausnahmen - doch keine Ahnung vom Fußball. Was meinen Sie, wie wichtig es für einen Spieler ist, im Champions-League-Finale zu spielen? Und nach diesem Platzverweis kann es nicht sein, dass er so lange gesperrt wird. Das wünsche ich keinem Fußballer.
SPOX: Wie groß ist der Nachteil, ohne Ribery spielen zu müssen, auch von dessen purer Präsenz her?
Elber: Es ist natürlich immer ein Nachteil, wenn einer der besten Spieler der Welt nicht spielen kann. Allerdings haben die Bayern auch schon mehrfach gezeigt, dass sie auch ohne Ribery ihren Stil durchziehen können.
SPOX: Das Finale wird auch ein Duell der beiden Trainer. Wen halten Sie für den Besseren, Jose Mourinho oder Louis van Gaal?
Elber: Es sind beides hervorragende Trainer und quasi die Meister ihres Fachs. Taktisch gesehen sind beide aber unterschiedlich. Mourinho hat mit seiner Defensivtaktik immerhin Barcelona keine Chance gelassen. Das muss man erstmal hinkriegen. Van Gaals Idee von Fußball hat zuerst etwas Zeit gebraucht, aber nun hat sie sich durchgesetzt und wird von den Spielern ideal umgesetzt.
SPOX: Sie müssen es ja wissen: Wie läuft eigentlich ein Finaltag ab? Was tut man gegen die Anspannung?
Elber: 2001 war ich den Tag über im Internet und habe viel über das Finale gelesen. Danach habe ich ein Video geschaut und ein wenig geschlafen. Wichtig ist eben, dass die Zeit schnell vergeht. Einfach ist das nicht, da muss man seine Nerven schon im Griff haben.
SPOX: Sie haben 1999 den Titel in allerletzter Sekunde vergeigt, zwei Jahre später haben Sie ihn aber gewonnen. Mal ehrlich: Wie betrunken waren Sie in dieser Nacht?
Elber: Oh, Mamma Mia (lacht). Die gesamte Mannschaft inklusive Vorstand war so betrunken, dass wir in dem Club, in dem wir nach dem Spiel gefeiert haben, beinahe den Champions-League-Pokal vergessen hätten.
SPOX: Wie bitte?
Elber: Alle waren schon im Hotel. Ich war der Letzte, der den Laden verlassen hat. Da habe ich mich noch einmal umgesehen und das Ding bemerkt. Blöderweise fuhr um die Uhrzeit kein Taxi mehr und so stand ich mit meiner Frau und einem Kumpel relativ hilflos vor dem Club auf der Straße rum.
SPOX: Gibt's ja nicht. Und wie sind Sie dann ins Hotel gekommen?
Elber: Erstmal musste ich mich vor meinem italienischen Kumpel rechtfertigen. Er fragte mich, ob ich noch ganz sauber sei. Der war richtig böse. Diese Ecke der Stadt war um die Uhrzeit scheinbar nicht ganz so sicher.
SPOX: Wo haben Sie sich denn da rumgetrieben? War der Club nicht in der Innenstadt?
Elber: Ich wusste überhaupt nicht, wo ich genau war (lacht). Schlussendlich hat uns mein italienischer Kollege ins Hotel gefahren. Dort haben sich alle gefreut, dass ich den Pokal mitgebracht habe. Die haben bis dato nicht realisiert, dass der Pokal weg war.
SPOX: Haben Sie den Pott dann auch mit ins Bett genommen?
Elber: Nein, ich nicht, aber Jens Jeremies.
Giovane Elber im Steckbrief