Eigentlich hat Gabriel Heinze in seiner Karriere schon viel erreicht. Der Stern des Argentiniers mit deutschen Wurzeln ging Anfang des Jahrtausends bei Paris St. Germain auf. Dort avancierte er schnell zum Publikumsliebling und gewann 2004 den französischen Pokal.
Als er die Stadt der Liebe nach drei Jahren verließ, wählten ihn die PSG-Anhänger zum wertvollsten Defensivspieler der Vereinsgeschichte. Auch bei Manchester United war Heinze beliebt bei den Fans. Sein rigoroses und aufopferungsvolles Spiel war in England gern gesehen.
"Ar-gen-tina"-Sprechchöre im Old Trafford
In seiner ersten Partie markierte er gleich einen Treffer, auch wenn dieser für die nächsten drei Jahre der letzte in einem Ligaspiel für die Red Devils bleiben sollte. Für die Fans, die jeden seiner Ballkontakte mit "Ar-gen-tina"-Sprechchören feierten, stand nach der ersten Spielzeit fest: Der Linksverteidiger war der beste Spieler der Saison. Nach einem Meistertitel und einem Pokalsieg wechselte er von England nach Spanien zu Real Madrid.
Als Ersatz für den abgewanderten Roberto Carlos sammelte Heinze in seiner ersten Saison bei den Königlichen eine Meisterschaft und einen Erfolg im Supercup ein. Im Sommer 2009 zog es ihn wieder nach Frankreich zu Olympique Marseille. Und auch dort fuhr er bereits in seinem ersten Jahr die Meisterschaft ein - OM's größter Titelgewinn seit dem CL-Sieg 1993.
Doch trotz dieser Vielzahl an Erfolgen und der Beliebtheit, die ihm auf seinen Stationen entgegenschlug, eilt Heinze auch der Ruf des Söldners und der Reizfigur voraus. Die Fans aus Paris und Manchester sind mittlerweile alles andere als gut auf ihn zu sprechen.
Ferguson contra Heinze
Alles begann in seiner Zeit bei ManUnited. "Ich fühle mich in Manchester sehr wohl. Ich war Meister, Kapitän und die Fans lieben mich. Alles ist perfekt", sagte er am Ende der Saison 2006/07.
Ganze zwei Tage später trat Trainer Sir Alex Ferguson vor die Presse und verriet, dass der Spieler um die Freigabe gebeten habe. Der FC Liverpool machte Heinze ein Angebot, das diesem ziemlich gut gefiel. Trainer, Spieler und Fans tobten. Einer der ihren will zum verhassten Rivalen an die Anfield Road wechseln? Unvorstellbar.
Doch Heinze war es ernst: "Es hat sich nichts daran geändert, mein Ziel ist es, nach Liverpool zu gehen", verkündete er einige Tage später, als die Schlammschlacht bereits in Gang gesetzt war. Doch so ließ Ferguson nicht mit sich umspringen. Unter keinen Umständen wollte er seinen Defensivspezialisten bei einem Ligakonkurrenten sehen - erst recht nicht in Liverpool.
Ferguson: "Das Ziel war, Ronaldo zu bekommen"
Heinze, für den in jener Zeit der Kampf gegen immer wiederkehrende Blessuren begann, war pikiert: "Ich verstehe immer noch nicht Uniteds Motive. Die ganze Sache war schlechte Werbung für den Fußball. Ich wollte wirklich für Liverpool spielen", meinte er Ende 2007, als er bereits für Real Madrid spielte.
Die Leute im Old Trafford haben ihm das bis heute nicht vergessen. Zumal Heinze auch bei den Königlichen noch die Fans in Manchester erzürnte. Heinze stand in Verdacht, den ihm nahestehenden Cristiano Ronaldo dazu überreden zu wollen, von Manchester in die spanische Hauptstadt zu wechseln.
Der als Verschwörungstheoretiker bekannte Ferguson fluchte: "Ich wusste, was sie vorhaben. Ich glaube nicht, dass sie wirklich an Heinze interessiert waren. Das Ziel war, Ronaldo zu bekommen. Als wir Heinze zu Real verkauft haben, wussten wir, dass sie sich auch Ronaldo schnappen werden. Heinze stand Ronaldo sehr nahe."
Marseille-Wechsel als Affront für PSG-Fans
Heinze bezeichnete Fergusons skizziertes Szenario als Science Fiction. "Ich bin kein schlechter Einfluss für Cristiano", verteidigte er sich und seinen Kumpel. Dass Ronaldo letztlich doch den Weg nach Madrid fand, ist bekannt - ironischerweise aber erst, als der verletzungsgebeutelte Heinze den Verein in Richtung Marseille verließ.
Marseille also. Klingelt's? OM pflegt mit Heinzes Ex-Klub Paris nicht gerade eine innige Freundschaft. "Ich bin überzeugt, dass die PSG-Fans das verstehen werden. Gerade nach all dem, was ich für den Verein getan habe. Das ist kein Problem", sagte Heinze als der Wechsel über die Bühne ging. Das Gegenteil trat freilich ein. Heinze war nun auch bei den Parisern unten durch.
Am Mittwoch empfängt Marseille im Champions-League-Achtelfinale nun Heinzes Ex-Klub Manchester United. Heinze wird dabei wie eh und je seine Arbeit als Linksverteidiger verrichten. Er ist auch mit bald 33 Jahren noch ein solider Kicker, der seine Stärken immer mehr aus seiner langjährigen Erfahrung zieht. Die Ausschläge nach oben wurden in den letzten Jahren jedoch seltener. Die zahlreichen Verletzungen nagten doch sehr an seiner Leistungsfähigkeit - und die wird vor allem von Beobachtern aus seinem Heimatland Argentinien infrage gestellt.
"Sie können nicht Fußball spielen"
Jorge Griffa, einer der legendärsten Verteidiger des Landes, gab "el aleman", wie Heinze wegen seines deutschen Vaters genannt wird, schon zu Beginn seiner Karriere beim argentinischen Klub CA Newell's Old Boys einen zweifelhaften Rat für den Rest seines fußballerischen Schaffens mit: "Vergessen Sie nie, aleman, Sie können nicht Fußball spielen." Gleichlautende Anrufe von Griffa bekam Heinze auch bei seiner ersten Auslandsstation in Valladolid und vor seinem Debüt in der Nationalelf.
Apropos Nationalelf. Man munkelt, dass Heinze nur deshalb bereits 71 Länderspiele auf dem Buckel hat, weil sein Bruder Sebastian eine Marketing-GmbH leitet, die unter anderem damit wirbt, die Marke Maradona zu entwickeln. Unter Maradona-Vorgänger Alfio Basile wurde Heinze nach teils haarsträubenden Leistungen noch ausgebootet. Als Diego die Albiceleste übernahm, stand Heinze trotz nicht verstummen wollender Kritik aus der Heimat so oft im Kader wie sonst nur Lionel Messi.
VIDEO: Heinze haut den Kameramann um
Maradona, der 2006 nach der Scheidung von seiner Frau dank mehrerer von Heinzes Bruder organisierten Promo-Touren kräftig abkassiert haben soll, räumte die im Raum stehenden Vorwürfe mit einem einzigen Satz beiseite: "Für Heinze würde ich durchs Feuer gehen."
Heinze liebäugelt mit Spanien-Rückkehr
Das muss Heinze wohl auch im Rückspiel im Old Trafford. Die Beteiligten wollen die Brisanz jedoch vorzeitig aus dem Aufeinandertreffen nehmen. "Er wird Ovationen bekommen, wenn er im Old Trafford aufläuft", ist sich Patrice Evra sicher, der Heinze damals verdrängte.
Auch Heinze selbst gab sich schon kleinlaut, verteilte reichlich Lob an seinen Ex-Klub und versicherte: "Ich bedauere in meiner Fußballerkarriere nicht viel, aber diese Geschichte mit Ferguson schon."
Die Spiele gegen United könnten Heinzes letzte große Auftritte auf internationalem Parkett werden. Er liebäugelt mit einer Rückkehr nach Spanien im Sommer. Bei Real Madrid werden sie darauf hoffen, dass er sich nicht dem FC Barcelona anschließen wird.
Gabriel Heinze im Steckbrief