Man darf gespannt sein, wie Florentino Perez' Rezeption des dritten Teils des frühjährlichen Clasico-Vierteilers ausfällt.
Besondere Umstände rufen den Klubchef von Real Madrid auf den Plan und was der Bauunternehmer besonders missbilligt, sind Dinge, die man bei Real Madrid nicht macht.
Im Dezember hatte es so einen Vorfall gegeben. Da war Trainer Jose Mourinho nach Reals 1:0-Sieg gegen den FC Sevilla mit massiver Kritik am Schiedsrichter in die Öffentlichkeit gegangen und hatte in einer theatralischen Inszenierung jede Fehlentscheidung des Senor Carlos Clos Gomez gegen sein Team einzeln aufgelistet.
Dieses Verhalten war Perez hochnotpeinlich gewesen. Als "ungewollten Zwischenfall" bezeichnete er Mourinhos Auftritt und stellte klar, dass Beschwerden über den Schiedsrichter nicht Sache Mourinhos seien, sondern in den Zuständigkeitsbereich von Generaldirektor Jorge Valdano fielen. Jedenfalls bei Real sei das so. Aus Prinzip.
Warum ist die Welt so ungerecht?
Aus Prinzip müsste Perez seinen kapriziösen Trainer nun eigentlich wieder an die Kette legen und stattdessen den hoch seriösen Valdano nach vorne schicken, um bestellen zu lassen, was man bei Real Madrid alles sonst nicht macht oder nicht gerne sieht.
Es kann jedenfalls nicht im Selbstverständnis des immer noch ruhmreichsten europäischen Fußball-Klubs liegen, sich einen Trainer zu halten, der persönliche Animositäten und seine Profilneurosen vor der ganzen Welt ausbreitet und dabei ungebremst ins Ungeheuerliche abdriftet."Porque?", fragte der 47-Jährige auf der Pressekonferenz nach dem 0:2 gegen den FC Barcelona am Mittwochabend mehrmals. Warum? Warum ist die Welt so ungerecht zu MIR?, lautete die Message, wie man leicht aus Mourinhos Hundeblick und der telegen in Falten gelegten Stirn lesen konnte.
Mourinho setzte bei der Inszenierung seines persönlichen Theaters bewusst auf eine anti-aggressive Körperhaltung. Mimik und Gestik sollten Hilflosigkeit, ja, Verzweiflung suggerieren. Seht her, hier sitzt das Opfer!
Eine Frage der Logik
Warum Barcelona immer bevorzugt werde, wollte er wissen. Warum die UEFA und ihre Schiedsrichter alle anderen Mannschaften der Mittel berauben würden, um Barca zu schlagen, wollte er wissen. Warum im Rückspiel Pepe, Sergio Ramos und er nicht mitmachen dürften, wollte er wissen. Warum, warum, warum?
Was es mit Mourinhos Theorie von der Welt- oder zumindest Europaverschwörung gegen Real und seine Person auf sich hat, wird sich noch die UEFA näher ansehen. Am Donnerstag Abend wurde bekannt, dass ein Disziplinarverfahren gegen beide Klubs eingeleitet wurde.
Nur soviel zum Spiel der Madrilenen: Wer im Kampf gegen einen spielerisch überlegenen Gegner Härte und Aggressivität im Zweikampf als Stilmittel verordnet und nur ein Drittel der Spielzeit den Ball behauptet, dadurch also unzählige Defensivzweikämpfe mehr führt oder führen muss als der Gegner, wird unter dem Strich immer mit mehr Verwarnungen und schlechterdings auch mit Platzverweisen leben müssen.
Barca zeigt Mourinho vor der UEFA an - Real kontert
Zudem entschied der FC Barcelona am Donnerstag, Jose Mourinho offiziell vor einem UEFA-Kontrollausschuss anzuzeigen.
Barca-Pressesprecher Antoni Freixa im Wortlaut: "Es wurde eine Übereinkunft getroffen, Herrn Jose Mourinho vor dem Kontrollausschuss der UEFA aufgrund der Nichteinhaltung des UEFA-Disziplinarkodex' anzuzeigen."
"Es ist inakzeptabel, dass jemand unsere Titel oder die Verbindung zu Unicef infrage stellt. Unsere Absicht ist es nicht, das Feuer weiter anzufachen, sondern es zu löschen. Denn in unserem Verständnis sollten Trainer nur über Fußball reden und nicht Ärger provozieren", so Freixa weiter.
Die Madrid nahe stehende Sportzeitung "Marca" reagierte harsch und titelte: "Barca erklärt Real Madrid den Krieg." Und die Königlichen schlugen alsbald zurück: Laut "El Mundo Deportivo" zeigt Madrid die Katalanen nun ebenfalls bei der UEFA an, Grund ist angeblich unsportliches Verhalten mehrerer Spieler von Barcelona.
Pepe knallhart - Alves unsportlich
Die anderen Fragen sind einfacher zu beantworten: Sergio Ramos ist für Barcelona gesperrt, weil er sich mit einem taktischen Foul an Lionel Messi eine glasklare Gelbe Karte abholte (53.).
Pepe sah eine vertretbare Rote Karte des guten Schiedsrichters Wolfgang Stark für sein rücksichtsloses Einsteigen gegen Dani Alves (61.), bei dem der Barca-Spieler von Glück sagen kann, dass er seinen rechten Unterschenkel noch rechtzeitig in Sicherheit brachte und so nicht getroffen wurde.
Dass Alves anschließend scheinbar schwer verletzt über den Rasen rollte und sich von den Sanitätern wegtragen ließ, steht auf einem anderen Blatt. Eine Unsportlichkeit war auch das.
"Wir sind ausgeschieden"
Vielleicht schlüpfte Mourinho auch deshalb so flink und chamäleongleich in die Rolle des Outlaw, um sich seinerseits keine Fragen gefallen lassen zu müssen. Unliebsame womöglich.
Warum sich zum Beispiel über weite Strecken der ersten Halbzeit kein Spieler von Real über die Mittellinie traute? Ob Fußball ohne Ballbesitz genauso viel Spaß macht wie mit? Ob man bei Real noch mehr Angst vor Barcelonas Offensive bekommen hat, nachdem die Nachricht von Iniestas Ausfall bekannt wurde? Und wo ist überhaupt der ganze Mut hinverschwunden, den der Triumph im Pokalfinale angeblich gebracht hat?
Menschlich nachvollziehbar sind Mourinhos Ärger und Frustration durchaus. Die Saison ist gelaufen, der Klassiker-Viererpack auch, wenn nichts völlig Verrücktes am kommenden Dienstag in Barcelona passiert. Mourinho selbst sagte: "Wir sind ausgeschieden."
Barcas Vormachtstellung bleibt unangetastet. Die Mannschaft von Pep Guardiola wird den dritten Meistertitel in Folge (den fünften in sechs Jahren) einfahren und mit Manchester United wie schon 2009 um Europas Krone streiten. Mourinho muss sich gedulden.
Fußball nur in homöopathischen Dosen
Der Portugiese brauchte lange, um sich nach dem 0:5 bei Barca im November zu erholen. Das 1:1 in der Liga am vorletzten Wochenende war ein Anfang, der Sieg im Pokalfinale der nächste Schritt. Mourinho hatte die Mittel gefunden und seine Mannschaft so eingestellt, um Barcelonas Spiel entscheidend zu hemmen und selbst genug Initiative zu entwickeln, um zum Torerfolg zu kommen.
Vom wiedererwachten Real-Selbstverständnis war am Mittwochabend überhaupt nichts zu sehen. Real igelte sich im eigenen Stadion hinten ein und weil Barca selbst kaum Risiko ging, entspann sich eine merkwürdige Szenerie des gegenseitigen Belauerns, immer wieder unterbrochen durch Fouls, Rangeleien, unnötige Theatralik und diverse andere Unsportlichkeiten.
Fußball gab's nur in homöopathischen Dosen und, von einem Fernschuss Cristiano Ronaldos abgesehen, allenfalls vom Gast aus Barcelona.
Die angestauten Emotionen entluden sich dann unmittelbar nach dem Halbzeitpfiff in einer Keilerei am Eingang zu den Katakomben, die zum Platzverweis gegen Barcas Ersatzkeeper Jose Pinto führte, der Madrids Alvaro Arbeloa durchs Gesicht gewischt hatte.
Messi rettet den Abend
Waren die ersten 45 Minuten noch in halbwegs geordneten Bahnen verlaufen, so ging es nach dem Seitenwechsel drunter und drüber. Provokationen, Diskussionen und ständige Rudelbildungen bestimmten die Szenerie.
Erst nach Pepes Platzverweis und der Roten Karte gegen Mourinho kehrte dann so etwas wie Ruhe ein und Barcelona riss das Spiel in Überzahl an sich.
Lionel Messi erinnerte mit seinen beiden Treffern dann daran, vor allem mit seinem Kunstwerk von Sololauf zum 2:0 (87.), dass man sich eigentlich zum Fußballspielen getroffen hatte.
Messi klar vorn - die CL-Torjägerliste