Jose Mourinho macht nicht wirklich oft auf Understatement. Mit seinen markigen Sprüchen bestätigt der Portugiese sogar oft das Klischee, ein formidables Großmaul zu sein. Arrogant bis in die Haarspitzen.
Ottmar Hitzfeld hat das in seiner jüngsten "Kicker"-Kolumne überraschend deutlich zum Ausdruck gebracht, für seine Verhältnisse. "Ich habe Mourinho bei Trainertagungen der UEFA so erlebt, wie er wirkt: arrogant, unnahbar, Kaugummi kauend, irgendwie flegelhaft", beschrieb Hitzfeld darin einen Kollegen, der offenbar wenig mit den eigenen Idealen gemein hat.
Keine Frage: Niemand hat das Bild von Mourinho so geprägt wie Mourinho selbst. Ist der Portugiese von einer Sache überzeugt, ist er davon nicht mehr abzubringen. Die Wahrheit leugnen und auf einem leicht widerlegbaren Standpunkt beharren - das können eigentlich nur renitente und unerschrockene Dreikäsehochs, die die Welt noch rein nach ihren Regeln gestalten. Und eben Mourinho.
Saisonziel so gut wie verpasst
Keine Frage, im Weltfußball kann vielleicht nur eine Handvoll Übungsleiter mit Erfolgen des Portugiesen mithalten - was seinen Aussagen ein gewisses Gewicht gibt. Der Stärkere hat Recht. Meistens jedenfalls. Die Crux an der Sache ist nur: Dieses Motto gilt nur, solang Erfolg da ist. Und Erfolg ist ein flüchtiges Gut.
Zieht man vor dem Rückspiel des Champions-League-Halbfinals ein Zwischenfazit von Real Madrids Saison, hat Mourinho durchaus etwas erreicht. Erster Pokalsieg seit 18 Jahren: Check. Erstes Champions-League-Halbfinale seit 2003: Check. Doch neben der verpassten Meisterschaft droht Mourinho beim Saisonziel Nummer eins durchzufallen: Die Vorherrschaft des FC Barcelona zu beenden, wird nach der 0:2-Vorlage im Hinspiel ein nahezu aussichtsloses Unterfangen.
Viel wahrscheinlicher: Real wird von Barca in der spanischen Hackordnung ultimativ auf Rang zwei verwiesen. Und passt man nicht auf, könnte daraus ein chronischer Minderwertigkeitskomplex entstehen.
Denn blickt man auf die letzten drei Clasicos zurück, verhielt sich Real zumeist wie ein Trauma-Patient. Nach dem 0:5 in der Hinrunde, bei dem die Königlichen den Blaugrana ins offene Messer gelaufen waren, wollte Mourinho partout nicht denselben Fehler begehen - und verriet dabei nach Meinung vieler die ureigensten Ideale seines Klubs.
Die Sache mit dem Stierkampf
"In der ersten Halbzeit war Barca wie ein Stierkämpfer, der sein rotes Tuch vor Real Madrid hielt", merkte Ex-Real-Coach Guus Hiddink nach dem Halbfinal-Hinspiel an. "Das Problem war nur, dass der Stier nicht mitmachen wollte und passiv blieb. Normalerweise ist das in der Stierkampfarena das Signal dafür, mit weißen Taschentüchern zu wedeln."
Das Blöde an der Sache: Außer im Pokalfinale hatte Mourinho damit keinen Erfolg. Noch blöder: Seine Tiraden nach dem jüngsten Spiel ließen den Pokalerfolg fast schon verblassen. Hitzfeld empfand angesichts dessen fast schon Schadenfreude: "Zum Glück haben Mourinhos destruktive Methoden, nur zu provozieren und die Aktionen des Gegners zu zerstören, nicht gegriffen."
Aus Sicht des Schweizer Nationalcoaches habe damit "der Fußball gesiegt".
Hiddink hingegen fand es höchst erstaunlich, "dass das Madrider Publikum diese passive Spielweise wirklich zu akzeptieren schien". Für ihn war das der Beweis, "dass im Duell zwischen Madrid und Katalonien andere Regeln gelten".
Hitzfeld: "Eine Schande für Real"
Frei nach dem Motto: Im Krieg und der Liebe ist alles erlaubt. Doch der Clasico-Wahnsinn ist ab Mittwoch passe. Mouinho wird sich alsbald die Frage gefallen lassen müssen, wie denn sein Plan B für die kommende Saison aussieht - am besten bevor das Publikum die Taschentücher zückt.
Hitzfeld dazu: "Eine solche Spielweise kann nicht der Anspruch der Königlichen sein, sie ist eigentlich eine Schande für Real." Nach dem letzten Clasico wird sich auch Präsident Florentino Perez fragen müssen, ob Mourinhos Herangehensweise nach wie vor in Einklang mit den Werten des Klubs steht.
Glaubt man Barca-Idol Johan Cruyff, tut sie das nämlich nicht mehr. "Wenn am Ende nur der nackte Erfolg zählt, wenn du deinem General alle Freiheiten lässt, nur damit er den Feind besiegt, wenn du deine Geschichte vergisst und deine Werte - dann hast du eine sehr gefährliche Grenze überschritten", mahnte Cruyff am Montag in seiner Kolumne in "El Periodico de Catalunya".
Cruyffs Kritik an Perez
Perez habe Mourinho den klaren Auftrag erteilt, die Vorherrschaft von Barca zu beenden - "koste es, was es wolle". Dabei ordne man alles der Aussicht auf Erfolg unter. Selbst eine offensive Spielweise, die Jahrzehnte lang für Real Madrid stand.
Cruyff: "Aber Florentino hat vergessen, dass er fantastische Spieler hat. Spieler, die irgendwann ein großartiges Team bilden könnten. Spieler, die irgendwann Barca besiegen und das Publikum begeistern könnten."
Laut Cruyff trägt der Präsident daran also Mitschuld. Schließlich führe Mourinho nur das aus, was man bei Real insgeheim von ihm erwarte. "In Mourinho steckt Florentino. Der Portugiese ist nur der Vollstrecker."
Hiddink: "Mourinho ist zu weit gegangen"
Dass der Präsident Mourinhos Rundumschläge gegen Gott und die Welt weiterhin klaglos hinnimmt, ist jedoch nicht zu erwarten, da sie auf Dauer das Ansehen des Klubs beschädigen.
In der Fachwelt lästert man zumindest schon gehörig über den Real-Coach ab. "Verdächtigungen mit dem Barca-Engagement für 'UNICEF' zu begründen, das geht nicht, da ist die Grenze überschritten", meint Hitzfeld. Hiddink pflichtet bei: "Mourinho ist zu weit gegangen. Mit seinen kritischen Bemerkungen will er doch nur davon ablenken, wie er sein Team hat spielen lassen."
Der Rat des Holländers: "Er sollte sich entschuldigen. Wenn nicht, versucht er krampfhaft die Wahrheit zu seinen eigenen Gunsten zu verdrehen." Und damit dürften Vorstand und Fans auf kurz oder lang ein Problem haben.
FC Barcelona - Real Madrid: die Bilanz gegeneinander