Das unrühmliche Aus in der deutschen Nationalmannschaft hat Capitano Michael Ballack nach eigener Aussage inzwischen verkraftet und akzeptiert, nun will er an alter Wirkungsstätte einen Neubeginn starten.
Nach Wochen der sportlichen Enttäuschung und Demütigungen könnte das Spiel bei seinem Ex-Verein FC Chelsea der große Durchbruch für den Mittelfeld-Star bei Bayer werden. Denn wenn Leverkusen am Dienstag (20.30 Uhr im LIVE-TICKER und bei Sky) nach 2379 Tagen auf die große internationale Bühne zurückkehrt, wird er aller Voraussicht nach spielen dürfen.
Ballack: "Ich bin immer noch ehrgeizig"
Dann will sich der 98-malige Nationalspieler als sportlicher Leistungsträger und auch als Leader wieder empfehlen - eine Chance, die ihm in der Nationalmannschaft nach seinem verletzungsbedingten Aus vor der WM 2010 verwehrt wurde.
"Vor ein paar Wochen war es sicher noch schwerer als jetzt, wo es gesackt ist. Sportlich bin ich weit davon, es nicht zu akzeptieren", sagte Ballack, der damit sein wochenlanges Schweigen gegenüber den deutschen Medien brach, am Montag in London.
"Um Gottes Willen, man kommt in ein gewisses Alter", sagte Ballack weiter: "Aber ich bin immer noch ehrgeizig und wollte zeigen, dass ich noch gut genug bin. Die Chance habe ich leider nicht gehabt. Das ist Sport, das ist Männersport." Deshalb ergänzte der 34-Jährige, der vor dem Spiel nachträglich von Chelsea verabschiedet werden soll, auch wieder: "Nach so langer Zeit in der Nationalmannschaft, für die ich gerne gespielt und immer alles gegeben habe, war der Schluss unbefriedigend." Nachdem der DFB Ballacks Ende in der deutschen Auswahl verkündet hatte, bezichtigte dieser Bundestrainer Joachim Löw der Lüge.
Happy End für Ballack in Leverkusen?
Während diese Tür für immer zugeschlagen ist, hat Ballack in Leverkusen noch alle Chancen auf ein Happy End. Ob er am Dienstag an alter Wirkungsstätte spielen darf, ließ sein Trainer Robin Dutt noch offen: "Ich weiß es, er weiß es, alle anderen müssen sich noch gedulden."
Dass der in England weiter hoch geschätzte Deutsche in der Startformation steht, gilt jedoch als sicher. Ein gutes Spiel in seinem alten Wohnzimmer an der Stamford Bridge und die Diskussionen um seine Person könnten vorerst verstummen.
Sein Interview vor Wochenfrist, in dem er den immer noch währenden Schmerz über das DFB-Aus geäußert hatte, habe er zwar bewusst der englischen "Times" und keiner deutschen Zeitung gegeben, mit Schmollen habe seine öffentliche Zurückhaltung in der Heimat aber nichts zu tun gehabt.
Emotionales Spiel für Ballack
"Dass es nicht so gelaufen ist, wie ich es mir vorgestellt habe, gerade im letzten Jahr, ist natürlich auch klar. Man sollte nicht zu viel reininterpretieren, nur weil ich mich öffentlich etwas zurückgezogen habe. Das hat nichts damit zu tun, dass ich mich ungerecht behandelt gefühlt hätte", erklärte er: "Ich habe sicher nicht die leichteste Zeit gehabt, aber ich war auch verletzt, und ich habe schon immer weniger Interviews gegeben, wenn ich nicht auf dem Platz gestanden bin." Die Situation habe es "einfach nicht hergegeben. Das war eine neue Situation für mich, mit der musste ich klarkommen und muss es immer noch."
Das Spiel am Dienstag werde "ein emotionales für mich", sagte der Vize-Weltmeister von 2002 und bestätigte damit praktisch seine Nominierung: "Es ist schön, alte Freunde wiederzusehen, nochmal in dieses Stadion einzulaufen und die Atmosphäre zu genießen." Als er von dem Los gehört habe, habe er sich sehr gefreut: "Ich wurde hier immer gut behandelt und fühle mich immer noch willkommen."
Bayer plant Coup
In der drittjüngsten Mannschaft der gesamten Champions League wolle er sich als Führungsperson einbringen. Er spekulierte sogar auf einen ähnlichen Coup wie 2002, als er Leverkusen in seiner wohl stärksten Saison bis ins Finale (1:2 gegen Real Madrid) führte: "Warum sollte die jetzige Mannschaft das nicht auch schaffen? Die jungen Spieler haben darauf gewartet, sich auf dieser Bühne zu zeigen."
Als Bayer am 9. März 2005 zuletzt in der Champions League spielte (1:3 gegen den FC Liverpool), war der heutige Abwehrspieler Stefan Reinartz noch als Balljunge im Einsatz, Torhüter Bernd Leno spielte in der C-Jugend des VfB Stuttgart und Trainer Robin Dutt coachte wenige Kilometer weiter den Viertligisten Stuttgarter Kickers.
Die voraussichtlichen Mannschaftsaufstellungen:
Chelsea: Cech - Bosingwa, Ivanovic, Terry, Cole - Ramires - Mata, Lampard, Raul Meireles - Torres, Anelka. - Teammanager: Villas Boas
Leverkusen: Leno - Castro, Reinartz, Toprak, Kadlec - Rolfes - Sam, Renato Augusto, Ballack (Bender), Schürrle - Kießling. - Trainer: Dutt
Schiedsrichter: Stephane Lannoy (Frankreich)
Champions League 2011/2012 - Gruppe E