Als Leverkusens Torhüter Bernd Leno Mitte August vergangenen Jahres das erste Profispiel seiner Karriere absolvierte, türmten sich auf der Visitenkarte von Victor Valdes, Lenos Gegenüber im Champions-League-Achtelfinalhinspiel gegen den FC Barcelona am Dienstagabend (20.30 Uhr im LIVE-TICKER und bei Sky), bereits die Titel. Ein Auszug: fünffacher spanischer Meister, dreifacher Sieger in der Königsklasse und Weltmeister mit der Nationalelf.
Die Champions League ist für Valdes mit bisher 83 Auftritten also Routine. Leno dagegen hütet gegen die Katalanen erst das siebte Mal den Kasten im prestigeträchtigsten Wettbewerb Europas.
"Die letzten sechs Monate haben mein Leben komplett auf den Kopf gestellt. Ich habe in der dritten Liga gespielt. Ein halbes Jahr später steht die Partie gegen Barcelona an. Das ist wie im Film, einmal von ganz unten nach ganz oben", unterstreicht Leno seinen rasanten Aufstieg in die Weltelite.
Die Castrol EDGE Leistungsanalyse beider Keeper zeigt, wie unterschiedlich die Arbeitsbedingungen in der laufenden Königsklassen-Saison für beide waren - und was ihre Leistungen in der heimischen Liga aussagen.
Die nackten Zahlen: Nimmt man Bundesliga und Champions League zusammen, musste Leno in 26 Partien bislang 34 Mal hinter sich greifen. Wenig überraschend, dass diese Zahl bei Valdes geringer ausfällt: Als Keeper einer der besten Mannschaften der Welt setzte es für den Spanier 20 Gegentreffer in insgesamt 27 Spielen.
Leno in der CL: Von allen Torhütern, die noch mit ihren Teams in der Champions League vertreten sind, ist der 19-Jährige derjenige, der in der Gruppenphase am meisten beschäftigt war.
In sechs Partien zeigte Leno 34 Paraden und liegt damit gleichauf mit dem bereits ausgeschiedenen Aleksandr Gutor von BATE Borissow. Lediglich Genks Laszlo Köteles - ebenfalls nur noch TV-Zuschauer - ist in dieser Hinsicht mit 37 Paraden noch stärker als Leno.
Bayers Schlussmann ist jedoch die Nummer eins, was den Prozentsatz der gehaltenen Schüsse angeht: Von allen Keepern, die 30 oder mehr Paraden zeigten, hat Leno mit exakt 80 Prozent gehaltenen Schüssen die beste Quote. Da kommt nur Wladimir Gabulow von ZSKA Moskau heran (78,9 Prozent).
Valdes in der CL: Ganz im Gegensatz zu Leno hatte der Barca-Torwart am wenigsten aller Keeper zu tun. Der Grund hierfür liegt natürlich an der traditionell hohen Ballbesitzquote seiner Vordermänner. Es ist also kein Wunder, dass der 30-Jährige während seiner fünf Gruppenspiele lediglich drei Paraden zeigen musste.
Erstaunlich jedoch, dass Valdes beim Prozentsatz der gehaltenen Schüsse einen ziemlich schwachen Wert aufweist. Mit 42,9 Prozent wird er nur von Dortmunds Roman Weidenfeller (40 Prozent) unterboten. Zum Vergleich: Bayerns Manuel Neuer zeigte zehn Paraden und hielt 71,4 Prozent aller Schüsse aufs Tor.
Reportage: Das steckt hinter dem Castrol EDGE Ranking
Dass dieser Wert besonders im Vergleich mit weiteren, wenig beschäftigten Torhütern kein gutes Bewerbungszeugnis ist, zeigt sich unter Hinzuziehung der Anzahl der Schüsse aufs Tor - Valdes hatte lediglich sieben Prüfungen zu absolvieren. Bei Neuer waren es doppelt so viele. Beeindruckend in dieser Hinsicht: Real Madrids Iker Casillas - im übrigen Lenos großes Vorbild - musste 15 Schüsse aufs Tor bewältigen und hielt alle (vier Spiele, vier Mal zu Null).
Unterschiede in der Liga: Die Saison des FC Barcelona in der Primera Division läuft gemessen am Anspruch der Katalanen eher bescheiden, mit zehn Punkten Rückstand auf die Königlichen aus Madrid ist die Titelverteidigung schon so gut wie futsch.
Keeper Valdes hatte in dieser Spielzeit folgerichtig auch mehr zu tun als in den Jahren zuvor und kann dort im Gegensatz zu seinen Statistiken in der Champions League auf bessere Werte blicken. In bisher 22 Partien zeigte Valdes bei 56 Schüssen aufs Tor 40 Paraden. Damit weist er mit 71,4 Prozent gehaltenen Schüssen eine bessere Quote auf als Leno in der Bundesliga.
Der Leverkusener absolvierte zwar zwei Spiele weniger als Valdes, zeigte mit 54 jedoch mehr Paraden - musste allerdings auch 80 Schüsse auf den Kasten abwehren. Damit liegt er mit 67,5 Prozent gehaltenen Schüssen hinter Valdes.
Größtes Faustpfand auf Ligaebene ist für den Barca-Keeper allerdings die Anzahl an Zu-Null-Spielen: Während Leno sieben seiner 20 Ligaspiele ohne Gegentreffer beendete, sind es bei Valdes zwölf - kein Torhüter aus den fünf größten Ligen Europas hat öfter zu Null gespielt.
Schwächen: Bekommt Valdes im Barca-Spiel einmal den Ball zurückgepasst, ist es seine Aufgabe, die Ballzirkulation im Sinne eines elften Mitspielers aufrecht zu erhalten. Dabei unterliefen dem Keeper aber in der aktuellen Saison schon einige Abspiel-Fehler, von denen besonders der Patzer im Ligaspiel gegen Real in Erinnerung bleibt, den Karim Benzema nach nur 23 Sekunden zur Führung nutzte.
Auch zuletzt bei der 2:3-Pleite gegen Osasuna am Wochenende war es ein katastrophales Abspiel von Valdes, das den Hausherren den dritten Treffer ermöglichte.
Leno hingegen ist trotz seines jungen Alters erstaunlich reif und strahlt eine besondere Ruhe aus. Er ist reflexstark auf der Linie und in Eins-gegen-Eins-Duellen. Allerdings: Was die Beherrschung des gesamten Strafraums angeht, hat Leno noch Luft nach oben. Dies ist bei einem solch jungen und letztlich auch unerfahrenen Keeper aber verständlich.
Leno leistete sich bislang nur einen fatalen Patzer: Beim Rückspiel gegen Valencia ermöglichte er durch einen kapitalen Fehlpass nach knapp elf Sekunden das zweitschnellste Tor der Champions-League-Geschichte.
Castrol EDGE Ranking: Der Patzer in Spanien brachte Leno in dieser Partie null Punkte im Ranking ein. Dass Leno in der Champions League wie aufgezeigt wichtigere Aktionen für sein Team hatte als Valdes, spiegeln auch die vergebenen Punkte pro Partie wider: Leno sammelte trotz des schwachen Auftritts in Spanien in der Gruppenphase starke 5199 Zähler, Valdes mit 2166 weniger als die Hälfte davon.
Aktuell belegen Leno und Valdes die Plätze 381 (590 Castrol-Punkte) bzw. 169 (652 Castrol-Punkte). Unter den Torhüter liegt Letzterer damit auf Rang 16, Leno ist 50. Der Grund für die über 200 Plätze Unterschied ist simpel: Lenos Bewertungszeitraum (August 2011 bis Januar 2011) ist deutlich kürzer als der von Valdes, bei dem die vergangenen zwölf Monate einfließen.
Valdes macht diesen Rückstand in der Liga wett: Fünf seiner zwölf Zu-Null-Spiele wurden mit mehr als 1000 Punkten bewertet, auch weil das Ranking der spanischen Liga eine höhere Wertigkeit zuweist als der Bundesliga. Leno kam somit nur bei drei seiner sieben Partien ohne Gegentor (gegen Dortmund, Freiburg und Hannover) auf mehr als 1000 Zähler.
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