Rummenigge: Nicht für Geschichtsbücher

SID
Franck Ribery musste zur Halbzeit verletzungsbedingt in der Kabine bleiben
© Getty

Das Interview, das Thomas Müller im noblen Theatersaal des "Hotel Barriere de Lille" weit nach Mitternacht dem vereinseigenen Sender gab, war deutlich länger als die Rede seines Chefs ein paar Minuten zuvor.

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Nicht mal eine Minute lang hatte Bayern Münchens Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge nach dem 1:0 (1:0) gegen den OSC Lille in der Nacht zum Mittwoch zu den Bankettgästen gesprochen. Drei Punkte, ein Arbeitssieg - viel mehr reden wollte über die schwache Partie in Nordfrankreich niemand. Außer eben Müller.

"Für einen Fußballer ist es doch so der schönste Sieg. In unserer Situation war das genau richtig", sagte der Matchwinner strahlend. Durch seinen Treffer in der 20. Minute ausgerechnet vom Elfmeterpunkt hatte der 23-Jährige den Rekordmeister trotz schwacher Leistung auch in der Königsklasse wieder auf Kurs gebracht. Dass er sich ganz nebenbei mit seinem souveränen Strafstoß als Elfmeterschütze Nummer eins bewarb, machte Müller bei leckerem Carpaccio vom Roastbeef und gebratenen Medaillons vom Seeteufel in dieser Nacht zum Dauergrinser.

Schweinsteiger amüsiert von Müller

Bastian Schweinsteiger lachte noch am frühen Morgen über die "spezielle Art und Weise" des Siegtors, auch Sportchef Matthias Sammer philosophierte auf dem Weg ins Zimmer gegen 1.30 Uhr noch darüber. Abgebrüht hatte Müller Lilles Keeper Mickael Landreau durch seinen kerzengeraden Anlauf verwirrt und dann verladen. Trotz des kleinen Elfmeter-Traumas nach den beiden verschossenen Strafstößen im Finale gegen den FC Chelsea (Arjen Robben) sowie im Gruppenspiel gegen den FC Valencia (Mario Mandzukic) blieb der derzeit bestens aufgelegte Nationalspieler "ganz cool".

Natürlich habe er sich "eine druckfreiere Ausgangslage für meinen ersten Elfmeter gewünscht". Dass es nun trotzdem so gut geklappt hat, "wirft mich auf der Liste der Schützen sicher nicht zurück". Keeper Manuel Neuer freute sich am meisten über Müllers Abgebrühtheit. Er nämlich habe "keinen Bock, Elfmeter zu schießen", sagte der Nationalkeeper mürrisch. Im Finale gegen Chelsea hatte er wegen des Mangels an Schützen aushelfen müssen.

Keine Geschichtsbücher, aber gute Ausgangslage

Müllers Tor war der einzig ernsthafte Schuss, den die Münchner vor 49.000 Zuschauern im "Grande Stade Metropole" von Lille abgaben. So gut wie nichts erinnerte auf dem holprigen Rasen in der nagelneuen Arena an die Bayern, die noch drei Tage zuvor beim 5:0 gegen Fortuna Düsseldorf eine Demonstration ihrer Stärke abgegeben hatten. "Dieses Spiel wird nicht in die Geschichtsbücher eingehen. Wir haken es unter dem Titel Arbeitssieg ab", sagte Rummenigge zum Einstieg in seine Blitzrede nüchtern. Mit nunmehr sechs Punkten auf dem Konto sind die Bayern mit Tabellenführer BATE Borissow (6) und dem siegreichen FC Valencia (6) zur Halbzeit der Vorrunde auf Augenhöhe.

Mit Blick auf zwei Heimspiele in den letzten drei Gruppenspielen war sich Rummenigge bei einem gepflegten Glas Rotwein mit Uli Hoeneß und Jupp Heynckes sicher, "dass wir auch in der Champions League wieder hoffnungsvoll in die Zukunft schauen können". Und damit war der Zweck der Reise erfüllt. Aufheitern mussten die Spieler und auch die im Mannschaftshotel anwesende Familie allerdings den zur Halbzeit wegen muskulärer Probleme ausgewechselten Franck Ribery. Die Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte hatte sich der 29-Jährige anders vorgestellt.

Ribery gibt noch keine Entwarnung

"Ich hoffe, ich kann am Sonntag spielen", sagte der Franzose nach einer angeblich 16 Injektionen umfassenden Spritzenkur noch im Stadion. Ein Ausfall des Flügelspielers gegen Bayer Leverkusen würde schwer wiegen. Bisher hatte er das lange Fehlen seines Partners Robben, dessen ominöse Gedanken an Karriereende man laut Heynckes "nicht ernst nehmen" dürfe, überragend kompensiert.

Als "Mehmet-Scholl-Sieg" bezeichnete Müller den Erfolg gegen den Tabellenelften der französischen Liga und erlaubte sich damit einen kleinen Seitenhieb gegen den ehemaligen Bayern-Spieler Scholl. Der TV-Experte hatte den Mittelfeldspieler nach dem knappen 2:1 der deutschen Nationalmannschaft gegen Österreich vor einigen Wochen für seine beschönigenden Aussagen kritisiert. Müller versuchte sich dieses Mal aber lieber selbst im Austeilen. Angesprochen auf Schweinsteigers spottende Worte sagte der Mann des Tages nur lachend: "Der hat wohl noch nie einen Elfer gesehen, der reingeht."

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