SPOX: Herr Mendez, das Spiel Ihres Ex-Vereins Arsenal bei den Bayern ist ein passender Anlass, um Ihre Geschichte zu erzählen. Ihr Wechsel im Sommer 1997 vom bayerischen Fünftligisten Feucht zu Arsenal gilt als einer der kuriosesten Transfers der Fußball-Geschichte. Nervt es Sie, immer auf Arsenal angesprochen zu werden?
Alberto Mendez: Nein, nein, viel nerviger fand ich es früher, dass wegen der Vergangenheit als Arsenal-Profi bei den nächsten Vereinen teils unrealistische Erwartungen geweckt wurden. Ohne mich mit ihm vergleichen zu wollen: Selbst ein Zinedine Zidane hätte in der 3. Liga nicht glänzen können, weil ihm die Mitspieler fehlen. Das wurde bei mir häufig verkannt. Das zu akzeptieren lernte ich jedoch relativ schnell. Die Fragen der Journalisten empfand ich hingegen nie als schlimm. Ich verstehe das Interesse ja, so eine Geschichte gibt es wirklich nur sehr selten.
SPOX: In der Tat: Sie waren 22 Jahre alt, wohnten bei Ihren Eltern, studierten BWL in Nürnberg und spielten beim 1. SC Feucht. Und plötzlich wurden Sie beim Spiel der Landesliga Bayern gegen den ESV Rangierbahnhof Nürnberg von Arsene Wenger persönlich gescoutet und für gut befunden. Stimmt es, dass Sie Wenger nicht erkannten, obwohl ansonsten nur 150 Zuschauer anwesend waren?
Mendez: Das stimmt, ich interessierte mich nicht besonders für den internationalen Fußball und wusste daher nicht, was für eine große Nummer Arsene Wenger war. Mich hatte es nur gestört, dass wegen seines Besuchs so ein Theater gemacht wurde. Ich war mir damals sicher, dass ich in meiner fränkischen Heimat bleiben will. Im Amateurfußball lief es sehr gut und ich verdiente für einen Studenten extrem viel, daher fragte ich mich, warum ich das alles aufgeben sollte.
SPOX: Sie sollen sogar das erste Arsenal-Angebot abgelehnt haben.
Mendez: Richtig, beim ersten Telefonat sagte ich nein, mich ließ das ziemlich kalt. Ich hatte damals einige Anfragen aus dem Profibereich, die mich nicht besonders lockten.
SPOX: Entsprechend wenig Bedeutung maßen Sie Wengers Besuch bei und spielten schlecht.
Mendez: Wir hatten den Aufstieg bereits lange davor gesichert, so dass der Trainer die Zügel locker ließ und wir die vier Wochen davor häufig feiern gingen. Wir hatten eine super Gemeinschaft und ließen es krachen. In die Zeit fiel unter anderem die Hochzeit eines Mitspielers. Zum Saisonende hin waren wir am Ende. Und dann herrschten zu allem Überfluss gegen Rangierbahnhof Nürnberg widrige Verhältnisse: Es war sehr heiß, wir spielten auf einem kleinen und harten Platz und der Ball hatte gefühlt zwei Bar. An so einem Tag denkt man sich irgendwann: "Okay, warum soll ich mich noch quälen, es geht um nichts mehr."
SPOX: Wenger sagte selbst, dass Sie enttäuscht hätten. Dennoch verpflichtete er Sie für eine Ablöse von einer Million Mark und gab Ihnen einen Sechsjahresvertrag. Was erkannte er in Ihnen?
Mendez: So richtig verstanden habe ich es damals auch nicht. Er sagte mir, dass er gute Ansätze gesehen hätte. Antritt, Beidfüßigkeit und vor allem Übersicht. Das wäre auffällig gewesen, obwohl ich so schlecht gespielt hatte.
SPOX: Wie kam es, dass ein 22-Jähriger aus Feucht davor keinem Bundesligisten auffiel?
Mendez: Damals war der deutsche Fußball in der Steinzeit. Keiner kümmerte sich um die Jugendausbildung und den Amateurfußball, die Bereiche wurden fast komplett ignoriert. Ich war in der Jugend beim 1. FC Nürnberg und wir spielten immer um die Deutsche Meisterschaft. Neben Frankfurt hatten wir den besten Jahrgang, noch vor den Bayern, Stuttgart oder Schalke. Nach oben schaffte es keiner - was andererseits keinen überraschte, weil das damals einfach gang und gäbe war. Es gab einen Christian Wück und einen Frank Dürr, die halbwegs Fuß fassten, sonst niemand.
SPOX: Wie schwappte dann Ihr Name nach England? Neben Arsenal interessierten sich Premier-League-Konkurrent Coventry City und der Zweitligist Wolverhampton.
Mendez: Ich kann es nur vermuten. Eine der wenigen Ausnahmen damals in Deutschland war Freiburg. Über meinen ehemaligen Jugendtrainer kam ein Kontakt zu Volker Finke zustande und ich wurde zum Probetraining eingeladen, wo ich voll einschlug. Freiburg wollte mich unbedingt und ich hätte mit einem Wechsel leben können. Ich mochte zwar im Nürnberger Raum bleiben, aber die Strecke zum gelegentlichen Pendeln wäre machbar gewesen. Allerdings stellte sich Feucht quer und ließ bei der Ablöse nicht mit sich reden, so dass Freiburg keine Chance hatte. Immerhin brachte diese Posse offenbar einen Stein ins Rollen.
SPOX: Allerdings klingt es unfassbar, dass ein deutscher Fünftliga-Spieler direkt zu Arsenal wechselt.
Mendez: Wenger wollte immer innovativ sein und er empfindet es bis heute reizvoller, Spieler mit Potenzial zu fördern statt fertige Stars zu kaufen. Und dabei erkannte er schnell, dass der deutsche Markt ergiebig ist. So sammelte er über sein gutes Netzwerk alle möglichen Infos. Später holte er zum Beispiel Stefan Malz und Amaury Bischoff. Wobei ich immer noch die riskanteste Wette war, die er je eingegangen ist. Alle anderen spielten wenigstens schon einmal auf Profiniveau.
Hier geht's weiter: "In Deutschland hatte es keine Sau interessiert"