SPOX: Vor fast genau sechs Wochen gab Wesley Sneijder seinen Einstand bei Galatasaray. Der Wechsel von Inter Mailand gehörte zu den überraschendsten der letzten Jahre. Wie bewerten Sie im Nachhinein Sneijders Entscheidung?
Pierre van Hooijdonk: Wie jeder andere wurde auch ich auf dem falschen Fuß erwischt. Dass ein Spieler mit diesem Status im Alter von 28 Jahren in die Türkei geht, ist nicht verständlich. Er hätte in jeder erstklassigen Liga unterschreiben können, egal ob in England oder Deutschland.
SPOX: Zumal das Jahresgehalt bei Galatasaray von kolportierten 4,5 Millionen Euro nicht allzu hoch klingt.
Van Hooijdonk: Wobei man da einschränken muss: Anders als in England oder Deutschland sind die 4,5 Millionen Euro netto. Und hinzukam sicherlich eine stattliche Abfindung von Inter, um ihn zu einem Wechsel zu bewegen. Finanziell wird Gala die beste Alternative gewesen sein.
SPOX: Viele Fenerbahce-Fans hatten darauf gehofft, dass Ihr ehemaliger Liebling Pierre van Hooijdonk dabei helfen könnte, den niederländischen Landsmann Sneijder von Ihrem Verein zu überzeugen.
Van Hooijdonk: Ich hätte schon geholfen, allerdings stellte sich die Frage nicht. Wer bei Fener hätte ihm so viel zahlen können? Nur Gala konnte so ein Angebot vorlegen, daher hatte Fener keine Chance. Sehr schade, denn Sneijder hätte aus meiner Sicht viel besser zu Fener als zu Gala gepasst. Nach Alex' Weggang wäre er der perfekte Nachfolger gewesen, weil beide ähnlich kreativ und torgefährlich sind und die Teamkollegen genau wissen, wie man mit einem solchen Spielmacher eine Einheit bildet. Sneijder wirkt bei Galatasaray immer noch nicht ganz integriert und wird auf verschiedenen Positionen getestet.
SPOX: Befürchten Sie, dass der Sneijder-Transfer zu einem Flop werden könnte?
Van Hooijdonk: Eigentlich nicht, dafür ist Sneijder zu erfahren und gefestigt. Bei mir lief es ähnlich: Ich kam als fertiger Spieler mit einem gewissen Prestige, dann haben die Fans von vornherein mehr Geduld. Ein viel größeres Risiko sehe ich bei jungen Spielern, die mit vielen Hoffnungen in die Türkei wechseln. Vor allem die Deutsch-Türken unterschätzen, wie wichtig das Standing ist. Bei einem Spieler ohne Standing kann es sein, dass man nach einer schwachen Leistung sofort raus ist. Daher rate ich jedem, nicht zu früh zu wechseln. Im Zweifel lieber ein Jahr zu spät als zu früh in die Türkei gehen. Dann kann man die Zeit auch richtig genießen.
SPOX: Sie spielten mit großem Erfolg in den Niederlanden, in England, in der Türkei, in Schottland und in Portugal. Nicht nur bei Fener wurden Ihre Freistoß-Tore zu Ihrem Markenzeichen. Nervt es Sie, am häufigsten auf Ihre Standards angesprochen zu werden?
Van Hooijdonk: Es ist etwas schade, weil ich in meiner Karriere über 400 Tore erzielt habe und schätzungsweise nur 50 davon Freistöße waren. Dennoch ist es in Ordnung, dass mich die Leute so in Erinnerung behalten. Freistöße waren mein Signature und ich investierte sehr viel Zeit. Schon als Kind lernte ich, dass man schlecht spielen kann, aber nur mit einem guten Freistoß die gesamte Partie drehen kann.
SPOX: Wer waren Ihre Freistoß-Vorbilder?
Van Hooijdonk: Als 69er-Jahrgang war der Fußball zu Beginn der 1980er prägend. Michel Platini bei der EM 1980, Zico bei der WM 1982 - sie schossen fantastische Freistöße.
SPOX: Hatten Sie eine bestimmte Freistoß-Technik?
Van Hooijdonk: Überhaupt nicht, ich dachte immer pragmatisch. Ich verschob den Ball immer um ein paar Zentimeter auf eine Stelle, wo der Rasen etwas höher stand. So konnte ich leichter mit dem Fuß unter den Ball kommen, hoch schießen und einen Effet verleihen. Das war's.
SPOX: Cristiano Ronaldo zelebriert hingegen seine Freistöße.
Van Hooijdonk: Ich bewundere Ronaldo, aber bei seinen Freistößen wundere ich mich immer, was er da veranstaltet. Zelebrieren ist das richtige Wort. Er geht immer gleich viele Schritte zurück, dann einen Schritt zur Seite - und zum Schluss die Pose. Das hat eigentlich nichts mit Fußball zu tun. Im Grunde ist die Vorbereitung auf einen Freistoß total einfach: Der Ball liegt an Position X. Das Auge sieht, wie weit man selbst von Position X weg steht. Und das Gehirn errechnet, wie viel Anlauf nötig ist. Bei Ronaldo hingegen sieht es manchmal aus wie Weitsprung: immer der gleiche Anlauf, egal ob der Ball nah am Sechzehner liegt oder nicht. Das ist Blödsinn. Wobei ich klarstellen muss: Es ist Blödsinn für jüngere Fußballer, ihm das nachmachen und stumpf kopieren zu wollen. Für Ronaldo macht es aber offenbar Sinn. Wenn er wirklich daran glaubt, dass es so sein muss, dann ist es okay.
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