"Ich war nie ein ichbezogener Spieler"

Kehl übernimmt auch in schwierigen Momenten wie nach dem CL-Finale 2013 Verantwortung
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Sebastian Kehl ist mit 33 Jahren der älteste Spieler im Kader von Borussia Dortmund. Der derzeit verletzte Kapitän des BVB spricht vor dem Champions-League-Auswärtsspiel beim FC Arsenal (20.45 Uhr im LIVE-TICKER) im Interview über die Selbständigkeit der heutigen Spielergeneration, die Vorteile eines Medientrainings und die Monotonie im Leben eines Fußballprofis.

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SPOX: Herr Kehl, Sie haben kürzlich die Geschichte erzählt, dass Sie bei der Hochzeit von Bernd Korzynietz zusammen mit Ihrem Kumpel Christoph Metzelder als Messdiener aufgetreten sind. Wie hat er denn darauf reagiert?

Sebastian Kehl: Er hat sich trotz des Überraschungseffekts gefreut. Es war ein toller Tag, auch durch die Tatsache, dass ich als ehemaliger Messdiener mal wieder dieser Aufgabe nachgehen konnte. Da sich Christoph und ich noch nicht dazu entschieden haben zu heiraten, gab es für Bernd auch noch keine Revanchemöglichkeit. Das Ganze liegt jetzt auch schon Jahre zurück, vielleicht kommt ja aber noch was.

SPOX: Jahre zurück liegt auch Ihr Wechsel als 21-Jähriger zu Borussia Dortmund. Mittlerweile sind Sie der älteste Spieler beim BVB und gelten gerade angesichts der Ansammlung vieler deutlich jüngerer Spieler als eine Art Vaterfigur. Kommt diese Rolle automatisch mit dem Alter oder "arbeitet" man auch irgendwie unterbewusst daran?

Kehl: Das glaube ich weniger, sonst würde man sich wohl auch ein wenig verstellen, was ich bei mir nicht feststellen konnte. Man wächst sowohl als Mensch, als auch als Fußballer einfach mit den Jahren und wird reifer sowie erfahrener. So kommt man in die Lage, gewisse Dinge an jüngere Spieler weitergeben zu können - wenn sie sie denn annehmen wollen. Ich finde, das entwickelt sich auf natürliche Art und Weise mit der Zeit.

SPOX: Hätten Sie früher von sich gedacht, dass es Ihnen gelingen wird, diese Rolle auch anzunehmen?

Kehl: Vor zehn Jahren habe ich mich damit nicht intensiv beschäftigt. (lacht) Insgesamt würde ich von mir behaupten, dass ich mich schon immer mit Themen auseinandergesetzt habe, die um die Mannschaft herum passieren und sozusagen das große Ganze betreffen. Ich war nie ein ichbezogener Spieler. Das spiegelt sich auch ein bisschen in der Position wider. Als Mittelfeldakteur muss man sehr viel organisieren, dirigieren und mitdenken. Das sind in meinen Augen Charaktereigenschaften, die mich sowohl auf als auch außerhalb des Platzes auszeichnen.

SPOX: Wie sind Sie damals erfahrenen Führungsspielern begegnet: Haben Sie erst einmal überlegt, ob man die Kollegen überhaupt einfach so ansprechen darf?

Kehl: Das Verhältnis Alt zu Jung hat sich über die Jahre schon deutlich gewandelt, hier beim BVB in den letzten Jahren erst recht. Früher war es für junge Spieler sicherlich schwieriger, sich innerhalb einer gestandenen Mannschaft zu integrieren. Die Aufmerksamkeit für und der Redeteil von einem jungen Spieler waren viel geringer als heute.

SPOX: Wie sieht es im Vergleich dazu jetzt aus?

Kehl: Mittlerweile hat sich die Struktur einer Fußballmannschaft verändert. Die jungen Spieler waren früher klar in der Unterzahl, nun ist es umgekehrt. Heute werden sie einerseits in ihren Jahrgängen aufgefangen, andererseits bekommen sie Halt und Ratschläge durch die Älteren. Diese Mischung halte ich für sehr gut und sie ist hier bei der Borussia auch verantwortlich dafür, dass sich die Jüngeren innerhalb des Mannschaftsgefüges so wohlfühlen. Ich persönlich habe in beiden Phasen dazulernen können und meine, dass sich die eine auch nicht von der anderen abhebt.

SPOX: Wie sehr hat sich das Selbstbewusstsein junger Spieler über die Jahre verändert?

Kehl: Das ist zweifelsohne gewachsen. Auch, weil sich die Spieler mittlerweile viel früher behaupten müssen und schneller ins kalte Wasser geworfen werden. Demnach nehmen sie auch innerhalb der Kabine und bei der Ansprache eine andere Position ein, die die heutige Generation sicherlich auch etwas prägt. Ich bin dennoch auch jetzt noch ein Verfechter davon, erst einmal Leistung auf dem Platz sprechen zu lassen und dann den Mund aufzumachen - und nicht andersrum. Früher als 21- oder 22-Jähriger hätte ich mich gegenüber den älteren Spielern beispielsweise nicht getraut, meine Musik einzulegen. Damals musste man noch eher stillsitzen, weil alles noch stark hierarchiegeprägt und der Respektgedanke ein anderer war.

SPOX: Heutzutage bedient auch fast jeder Spieler die sozialen Medien zur eigenen Vermarktung und um den Kontakt zu den Fans zu pflegen. Sie ja auch. Wie entgegenkommend war es, dass Facebook und Co. zu Ihrer Anfangszeit noch gar nicht existierten?

Kehl: Ich habe mir als junger Spieler auch eine Internetseite gegönnt, das war ebenfalls eine Form von Community. Damals konnte man noch nicht innerhalb von Sekunden ein Bild von sich ins Internet stellen, auf das die Medien dann uneingeschränkten Zugriff haben. Die Art und Weise, in der sich die Spieler nun tagtäglich zeigen und öffnen, ist eine andere geworden. Jeder muss das für sich selbst entscheiden. Die Spieler haben mit diesen Portalen die Möglichkeit, den Bekanntheitsgrad oder das eigene Image zu steuern. Solange man keinen Blödsinn damit betreibt, kann das auch sehr hilfreich sein, so dass ich das grundsätzlich keineswegs als kritisch betrachte - wenn man sich diesen Begebenheiten einfach sinnvoll anpasst.

SPOX: Man kann den Eindruck gewinnen, dass sich die Spieler in den sozialen Netzwerken etwas offener geben als vor der Kamera. Wie sehr muss sich grundsätzlich ein Fußballer verstellen, um sich ungefährdet in der Öffentlichkeit bewegen zu können?

Kehl: Man sollte einen Spieler auf keinen Fall nur daran messen, wie er sich direkt nach einer intensiven Partie äußert. Es wird dann ja auch nicht unklug vonseiten der Journalisten gelockt. Man entwickelt im Laufe der Zeit natürlich eine gewisse Strategie, wie man mit solchen Situationen umgeht und den Ball zurückspielt. Das sind Dinge, die man auch erlernen kann. Ich bin ein Freund von Medientraining, gerade für Spieler, die sich in diesem Bereich etwas schwerer tun und fortbilden wollen. Insgesamt gesehen weiß aber eigentlich jeder, was er tun kann und wo man lieber die Klappe zu halten hat (lacht).

SPOX: Stichwort Medientraining: Inwiefern gefährdet eine solche Maßnahme - auch wenn sie durchaus sinnvoll sein kann - die Eigenständigkeit gerade der jungen Profis?

Kehl: Es geht nicht darum, dass man sich verbiegen lässt, sondern vielmehr eine sinnvolle Strategie an den Tag legt. Medientraining ist deshalb nicht kritisch zu bewerten, sondern kann eine Hilfe sein, über die letztlich auch jeder selbst entscheiden sollte. Sehen Sie: Rutscht einem einmal ein Satz raus, der nicht unbedingt zum Thema passt, hat man natürlich schnell einen Stempel weg, der in der Öffentlichkeit umgehend breitgetreten wird. Ich will das allerdings nicht so darstellen, dass Spieler nur noch Phrasen in den Mund gelegt bekommen sollten. Wir brauchen weiterhin wie bisher Typen, auch bei den jungen Spielern.

Seite 2: Kehl über das wahre Ich und die Monotonie im Leben eines Profis